In diesem Beitrag soll die Prospekthaftung nach dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) dargestellt werden. Es soll dabei auf die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen der Prospekthaftung nach § 306 KAGB im Einzelnen eingegangen werden.
§ 306 Abs. 1 KAGB regelt die Haftung für einen fehlerhaften (d.h. unrichtigen oder unvollständigen) Verkaufsprospekt. § 306 Abs. 5 KAGB bestimmt, dass auch für einen fehlenden Verkaufsprospekt zu haften ist.
Für den Vertrieb eines Spezial-AIF an professionelle und semiprofessionelle Anleger bedarf es keines Verkaufsprospekts, sondern nur – allerdings sehr vergleichbaren – „Informationen nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2“. Für die Richtigkeit dieser Informationen ordnet § 307 Abs. 3 KAGB die Prospekthaftung entsprechend an.
Schließlich sieht das KAGB in § 306 Abs. 2 KAGB eine Haftung für fehlerhafte wesentliche Anlegerinformationen (sog. Key Information Documents, KID) vor.
1. Haftung für fehlerhaften Verkaufsprospekt
Die Tatbestandsmerkmale und Rechtsfolgen der Haftung für einen fehlerhaften Verkaufsprospekt (§ 306 Abs. 1 KAGB) sind:
a. Aktivlegitimation
Aktivlegitimiert (d.h. derjenige, der anspruchsberechtigt ist) ist der Käufer der Anteile oder Aktien des Investmentvermögens (§ 306 Abs. 1 S. 1 KAGB).
Anders als bei der Prospekthaftung nach dem WpPG (§§ 9, 10 und 14 WpPG) gibt es keine zeitliche Beschränkung, innerhalb welches Zeitraumes der Kauf erfolgt sein muss.
b. Passivlegitimation
Passivlegitimiert (d.h. derjenige, der anspruchsverpflichtet ist) sind als Gesamtschuldner gemäß § 306 Abs. 1 S. 1 KAGB
- die KVG,
- der Prospektverantwortliche (d. h. derjenige, der für den Prospekt die Verantwortung übernommen hat, z.B. der Anbieter),
- der Prospektveranlasser (d. h. derjenige, von dem der Erlass des Prospekts ausgeht, z.B. Muttergesellschaft) sowie
- der gewerbliche Vertrieb des Investmentvermögens (z.B. Banken, die die Anteile oder Aktien des Investmentvermögens vertreiben).
§ 306 Abs. 4 KAGB erweitert den Kreis der Haftungsschuldner noch auf
- die gewerbsmäßigen Vermittler der Anteile oder Aktien sowie auf
- die Vertreter beim Verkauf von Anteilen oder Aktien.
§ 306 Abs. 1 S. 1 KAGB ordnet an, dass die Haftungsschuldner dem Anleger als Gesamtschuldner haften. Gesamtschuldnerschaft i.S.d. § 421 BGB bedeutet dabei, dass jeder Haftungsschuldner dem Anleger gegenüber auf den vollen Betrag haftet, der Anleger die Leistung aber nur einmal verlangen kann. Nimmt der Anleger nach seiner Wahl einen der Haftungsschuldner in Anspruch, so kann der in Anspruch genommene Haftungsschuldner gemäß § 426 BGB die übrigen Haftungsschuldner auf anteiligen Ausgleich in Anspruch nehmen.
c. Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts
Die Prospekthaftung setzt weiter voraus, dass wesentliche Angaben im Verkaufsprospekt unrichtig oder unvollständig sind.
aa. Wesentliche Angaben im Verkaufsprospekt
„Wesentlich“ sind solche Angaben, die ein Anleger „eher als nicht“ bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Hierbei ist auf den Horizont eines aufmerksamen Lesers und durchschnittlichen Anlegers abzustellen (vgl. Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 304).
bb. Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben
„Unrichtig“ ist ein Verkaufsprospekt, wenn er nicht der Wahrheit entspricht und „unvollständig“ ist ein Prospekt, wenn er nicht den in § 165 KAGB (Verkaufsprospekt für ein offenes Publikumsinvestmentvermögen) oder § 269 KAGB (Verkaufsprospekt für ein geschlossenes Publikumsinvestmentvermögen) enthaltenen Vorgaben entspricht. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei der Zeitpunkt der Prospektveröffentlichung.
d. Kausalität
Zwischen dem fehlerhaften Verkaufsprospekt und dem Erwerb der Anteile oder Aktien des Investmentvermögens muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Dies folgt daraus, dass der Anleger die Anteile oder Aktien „auf Grund“ des fehlerhaften Verkaufsprospekts oder der fehlerhaften wesentlichen Anlegerinformationen (KID) erworben haben muss (§ 306 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 KAGB).
Die Kausalität wird dabei vermutet, so dass die Beweislast für deren Nichtvorliegen die Haftungsschuldner nach § 306 Abs. 1 S. 1 KAGB tragen (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 305).
e. Verschulden
Anders als die Prospekthaftung nach dem WpPG, VermAnlG und WpÜG sieht § 306 Abs. 1 S. 1 KAGB eine eigene spezialgesetzliche Prospekthaftung des gewerblichen Vertriebs des Investmentvermögens (z.B. Banken) vor. Die Haftung des gewerblichen Vertriebs wird allerdings durch eine privilegierte Verschuldenshaftung wiederum eingeschränkt: Der gewerbliche Vertrieb kann sich exkulpieren, wenn er die Fehlerhaftigkeit des Verkaufsprospekts nicht (positiv) gekannt oder mangels grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat (§ 306 Abs. 3 S. 1 KAGB).
f. Haftungsausschluss (§ 306 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 KAGB)
Schließlich ist die Prospekthaftung nach § 306 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 KAGB ausgeschlossen, wenn der Käufer zum Erwerbszeitpunkt die Fehlerhaftigkeit des Verkaufsprospekts bzw. der wesentlichen Anlegerinformationen (KID) kannte.
Bei der Regelung des § 306 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 KAGB handelt es um eine spezielle und damit abschließende Regelung zur Berücksichtigung des Mitverschuldens des Anlegers, sodass eine Kürzung des Schadensersatzanspruchs gemäß § 254 BGB (z.B. im Fall der fahrlässigen Unkenntnis des Anlegers) m.E. nicht in Betracht kommt.
g. Verjährung
Für die Verjährung gelten die kenntnisabhängigen Verjährungsregeln des §§ 195, 199 BGB (3 Jahre).
h. Rechtsfolgen
Die Rechtsfolge eines Prospekthaftung nach § 306 Abs. 1 KAGB ist nicht voller Schadensersatz, sondern nur die Rückabwicklung des Investmentgeschäfts. § 306 Abs. 1 KAGB unterscheidet danach, ob der Anspruchsteller noch Inhaber der Anteile und Aktien des Investmentvermögens ist (dann Übernahme der Anteile und Aktien gegen Erstattung des Erwerbspreises) oder nicht (dann Erstattung des Unterschiedsbetrages zwischen dem Erwerbspreis und dem Rücknahmepreis oder Verkehrswert).
2. Haftung für fehlenden Verkaufsprospekt
§ 306 Abs. 5 KAGB normiert eine eigene Prospekthaftung für den Fall, dass kein gesetzlich vorgeschriebener Verkaufsprospekt bei Vornahme des Investmentgeschäfts vorlag. Da die Prospekthaftung für einen fehlerhaften Prospekt das Vorliegen eines Prospekts voraussetzt, würde ohne eine spezielle Regelung eine Haftung des Anbieters von vornherein ausscheiden.
Da die Prospekthaftung bei fehlendem Verkaufsprospekt in § 306 Abs. 5 S. 3 KAGB einen – gegenüber § 306 Abs. 1 und 2 KAGB enger gefassten – eigenen Haftungsausschlusstatbestand enthält, ist nach der hier vertretenen Sicht keine Kausalität i.S.v. § 306 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 KAGB und auch kein Verschulden i.S.v. § 306 Abs. 1 S. 1 KAGB Voraussetzung der Prospekthaftung nach § 306 Abs. 5 KAGB (a.A. Poelzig, a.a.O., Rn. 309 m.w.N.).
Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Haftung für einen fehlenden Verkaufsprospekt gem. § 306 Abs. 5 KAGB sind:
a. Aktivlegitimation
Aktivlegitimiert (d.h. derjenige, der anspruchsberechtigt ist) ist derjenige, der die Anteile oder Aktien des Investmentvermögens vor Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts und innerhalb von zwei Jahren nach dem ersten öffentlichen Anbieten oder Platzieren der Anteile und Aktien im Inland erworben hat (§ 306 Abs. 5 S. 1 KAGB).
b. Passivlegitimation
Passivlegitimiert (d.h. derjenige, der anspruchsverpflichtet ist) ist der Anbieter des Investmentvermögens (§ 306 Abs. 5 KAGB).
c. Fehlen eines Verkaufsprospekts trotz Veröffentlichungspflicht
Ein Prospekthaftungsanspruch wegen eines fehlenden Verkaufsprospekts setzt weiter voraus, dass ein Verkaufsprospekt entgegen § 164 Abs. 1 KAGB, § 268 Abs. 1 KAGB, § 298 Abs. 1 KAGB oder § 299 Abs. 1 KAGB nicht veröffentlicht wurde.
d. Haftungsausschluss (§ 306 Abs. 5 S. 3 KAGB)
Die Prospekthaftung wegen eines fehlenden Verkaufsprospekts besteht gem. § 306 Abs. 5 S. 3 KAGB schließlich nicht, wenn der Käufer der Anteile oder Aktien die Pflicht, einen Verkaufsprospekt zu veröffentlichen, bei dem Erwerb kannte.
Bei der Regelung des § 306 Abs. 5 S. 3 KAGB handelt es sich um eine spezielle und damit abschließende Regelung zur Berücksichtigung des Mitverschuldens des Anlegers, sodass eine Kürzung des Schadensersatzanspruchs gemäß § 254 BGB (z.B. im Fall der fahrlässigen Unkenntnis des Anlegers) m.E. nicht in Betracht kommt.
e. Verjährung
Für die Verjährung gelten wiederum die kenntnisabhängigen Verjährungsregeln der §§ 195, 199 BGB (3 Jahre).
f. Rechtsfolgen
Im Hinblick auf die Rechtsfolgen enthält § 306 Abs. 5 KAGB eine dem § 306 Abs. 1 KAGB entsprechende Regelung.
3. Haftung für fehlerhafte wesentliche Anlegerinformationen
Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen für eine Haftung für fehlerhafte wesentliche Anlegerinformation sind in den § 306 Abs. 2 und Abs. 4 KAGB als eigene Anspruchsgrundlage geregelt. Eine Haftung für fehlende wesentliche Anlegerinformationen (KID) sieht das KAGB indes nicht vor.
Dr. Ingo Janert (Stand: 08. August 2024, Bild von PublicDomainPictures auf Pixabay)