In diesem Beitrag soll die Prospekthaftung nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) dargestellt werden. Es wird auf die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Haftung für eine fehlerhafte Angebotsunterlage eingegangen.
Die Haftung für eine fehlerhafte Angebotsunterlage – d.h. in der Praxis für einen fehlerhaften Prospekt – ist in § 12 WpÜG geregelt. Aufgrund der Verweise in den §§ 21 Abs. 3, 34 und 39 WpÜG gilt diese Prospekthaftung für alle öffentlichen Angebote.
Nach § 12 WpÜG wird indes nur für die Fehlerhaftigkeit der Angebotsunterlage, nicht aber für freiwillige Zusatzangaben, Aktualisierungen und Ergänzungen der Angebotsunterlage gehaftet (vgl. Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 699).
Nachfolgend sollen die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Prospekthaftung für eine fehlerhafte Angebotsunterlage dargestellt werden:
1. Aktivlegitimation
Aktivlegitimiert (d.h. derjenige, der anspruchsberechtigt ist) ist derjenige, der das öffentliche Angebot angenommen hat oder dessen Aktien dem Bieter im Rahmen des sog. kapitalmarktrechtlichen Squeeze-Out (§ 39a WpÜG) übertragen worden ist.
2. Passivlegitimation
Passivlegitimiert (d.h. derjenige, der anspruchsverpflichtet ist) sind
- der Prospektverantwortliche (d. h. derjenige, der für die Angebotsunterlage die Verantwortung übernommen hat, z.B. der Bieter),
- der Prospektveranlasser (d. h. derjenige, von dem der Erlass der Angebotsunterlage ausgeht, z.B. Konzernmuttergesellschaft)
§ 12 Abs. 1 WpÜG ordnet an, dass die vorstehenden Haftungsschuldner dem Anleger als Gesamtschuldner haften. Gesamtschuldnerschaft i.S.d. § 421 BGB bedeutet dabei, dass jeder Haftungsschuldner dem Anleger gegenüber auf den vollen Betrag haftet, der Anleger die Leistung aber nur einmal verlangen kann. Nimmt der Anleger nach seiner Wahl einen der Haftungsschuldner in Anspruch, so kann der in Anspruch genommene Haftungsschuldner gemäß § 426 BGB die übrigen Haftungsschuldner auf anteiligen Ausgleich in Anspruch nehmen.
Wie bei der Prospekthaftung bei Wertpapieren haften nach § 12 WpÜG nicht diejenigen, die nur Teile der Angebotsunterlage zur Verfügung gestellt haben, wie z.B. Rechtsanwälte oder Steuerberater (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 700).
3. Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angebotsunterlage
Die Prospekthaftung setzt weiter voraus, dass wesentliche Angaben in der Angebotsunterlage unrichtig oder unvollständig sind.
a. Wesentliche Angaben in der Angebotsunterlage
„Wesentlich“ ist eine Angabe in einer Angebotsunterlage, die objektiv für die Beurteilung des öffentlichen Angebots relevant ist. Abzustellen ist dabei nach h.M. auf den Kenntnisstand eines sorgfältig handelnden Kleinaktionärs (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 702).
b. Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben
„Unrichtig“ ist eine Angebotsunterlage, wenn diese nicht der Wahrheit entspricht und „unvollständig“ ist eine Angebotsunterlage, wenn sie nicht den gesetzlichen Mindestangaben entspricht. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei der Zeitpunkt der Prospektveröffentlichung (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 703).
4. Kausalität
Zwischen der fehlerhaften Angebotsunterlage und der Angebotsannahme bzw. Übertragung der Aktien an den Bieter im Falle des Squeeze-Outs muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Dies folgt daraus, eine Prospekthaftung ausgeschlossen ist, wenn die Annahme des Angebots nicht „auf Grund“ der Angebotsunterlage erfolgt ist (§ 12 Abs. 3 Nr. 1 WpÜG). Die Kausalität wird dabei vermutet, so dass die Beweislast für deren Nichtvorliegen der Prospektverantwortliche trägt.
5. Verschulden
Die Prospekthaftung für eine fehlerhafte Angebotsunterlage setzt weiter ein Verschulden voraus, d.h. der Prospektverantwortliche bzw. Prospektveranlasser muss die Fehlerhaftigkeit der Angebotsunterlage gekannt oder grob fahrlässig nicht gekannt haben (§ 12 Abs. 2 WpÜG). Das Verschulden wird dabei wiederum vermutet, so dass die Beweislast für ein Nichtverschulden auf Seiten des Prospektverantwortlichen liegt (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 705).
6. Haftungsausschluss (§ 12 Abs. 3 WpÜG)
Die Prospekthaftung für eine fehlerhafte Angebotsunterlage ist schließlich ausgeschlossen, wenn
- derjenige, der das Angebot angenommen hat, die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben der Angebotsunterlage bei der Abgabe der Annahmeerklärung kannte (§ 12 Abs. 3 Nr. 2 WpÜG) oder
- vor der Annahme des Angebots in einer ad-hoc-Mitteilung oder einer vergleichbaren Bekanntmachung eine deutlich gestaltete Berichtigung der unrichtigen oder unvollständigen Angaben im Inland veröffentlicht wurde (§ 12 Abs. 3 Nr. 2 WpÜG).
Bei der Regelung des § 12 Abs. 3 Nr. 2 WpÜG handelt es sich um eine spezielle und damit abschließende Regelung zur Berücksichtigung des Mitverschuldens des Anlegers, sodass eine Kürzung des Schadensersatzanspruchs gemäß § 254 BGB (z.B. im Fall der fahrlässigen Unkenntnis des Anlegers) m.E. nicht in Betracht kommt.
7. Verjährung
Abweichend von der Prospekthaftung nach dem WpPG (Wertpapiere) und nach dem VermAnlG (Vermögensanlagen) unterliegt die Haftung für die Angebotsunterlage nicht der bürgerlich-rechtlichen Verjährung (§§ 195 ff. BGB), sondern die Verjährung für die Prospekthaftung für eine fehlerhafte Angebotsunterlage ist im § 12 Abs. 4 WpÜG eigenständig geregelt.
Danach gilt eine Verjährung von einem Jahr ab Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Angebotsunterlage und längstens eine Verjährung von drei Jahren nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage.
8. Rechtsfolgen
Wiederum auch abweichend von der Konzeption der Prospekthaftung nach WpPG und VermAnlG begründet § 12 Abs. 1 WpÜG keine Schadensersatzpflicht, die auf das sog. positive Interesse gerichtet ist. Vielmehr kann der Anleger nur Ersatz des ihm aus der Annahme des Angebots oder der Übertragung der Aktien im Wege des Squeeze-Outs entstandenen Schadens gemäß §§ 249 ff. BGB (sog. negatives Interesse) ersetzt verlangen.
Dr. Ingo Janert (Stand: 21. September 2024, Bild von PublicDomainPictures auf Pixabay)