
In diesem Beitrag soll die Prospekthaftung nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) dargestellt werden. Es wird im Einzelnen auf die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Haftung für eine fehlerhafte Angebotsunterlage eingegangen.
Die Haftung für eine fehlerhafte Angebotsunterlage – d.h. in der Praxis für einen fehlerhaften Prospekt – ist in § 12 WpÜG geregelt. Aufgrund der Verweise in den §§ 21 Abs. 3, 34 und 39 WpÜG gilt diese Angebotshaftung für alle öffentlichen Angebote.
Das WpÜG sieht im Unterschied zur Prospekthaftung nach dem WpPG (Wertpapiere) oder nach dem VermAnlG (Vermögensanlagen) keine Haftung für eine fehlende Angebotsunterlage vor. Meiner Meinung nach wird man insoweit eine analoge Anwendung der § 14 WpPG und § 21 VermAnlG annehmen müssen, weil insoweit eine planwidrige Regelungslücke im WpÜG besteht.
Nachfolgend sollen die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Prospekthaftung dargestellt werden:
1. Aktivlegitimation
Aktivlegitimiert (d.h. klagebefugt) ist derjenige, der das öffentliche Angebot angenommen hat oder dessen Aktien dem Bieter im Rahmen des sog. kapitalmarktrechtlichen Squeeze-Out (§ 39a WpÜG) übertragen worden ist.
2. Passivlegitimation
Passivlegitimiert ist der zum einen derjenige, der für den Prospekt die Verantwortung übernommen hat (z.B. Anbieter) sowie zum anderen auch derjenige, von dem der Erlass des Prospekts ausgeht (z.B. Hintermänner des Angebots, die ein eigenes wirtschaftliches Interesse an dem öffentlichen Angebot haben).
3. Unrichtigkeit der Angebotsunterlage
„Unrichtig“ ist eine Angebotsunterlage, wenn diese nicht der Wahrheit entspricht und „unvollständig“ ist eine Angebotsunterlage, wenn sie nicht den gesetzlichen Mindestangaben entspricht. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei der Zeitpunkt der Prospektveröffentlichung.
4. Wesentliche Angaben in der Angebotsunterlage
„Wesentlich“ ist eine Angabe in einer Angebotsunterlage, die objektiv für die Beurteilung des öffentlichen Angebots relevant ist. Abzustellen ist dabei auf den Kenntnisstand eines durchschnittlichen (Klein-) Anlegers.
5. Kausalität
Zwischen der fehlerhaften Angebotsunterlage und der Angebotsannahme bzw. Übertragung der Aktien an den Bieter im Falle des Squeeze-Outs muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen (vgl. § 12 Abs. 3 Nr. 1 WpÜG). Die Kausalität wird dabei vermutet, so dass die Beweislast für deren Nichtvorliegen der Prospektverantwortliche trägt.
Ergänzend ist anzumerken, dass § 12 Abs. 3 WpÜG noch weitere Ausschlussgründe für eine Prospekthaftung vorsieht.
6. Verschulden
Die Haftung setzt schließlich ein Verschulden voraus, d.h. der Prospektverantwortliche muss die Fehlerhaftigkeit der Angebotsunterlage gekannt oder grob fahrlässig nicht gekannt haben (§ 12 Abs. 2 WpÜG). Das Verschulden wird dabei wiederum vermutet, so dass die Beweislast für eine Nichtverschulden auf Seiten des Prospektverantwortlichen liegt.
7. Verjährung
Abweichend von der Prospekthaftung nach dem WpPG (Wertpapiere) und nach dem VermAnlG (Vermögensanlagen) unterliegt die Haftung für die Angebotsunterlage nicht der bürgerlich-rechtlichen Verjährung, sondern die Verjährung ist im § 12 Abs. 4 WpÜG eigenständig geregelt. Danach gilt eine Verjährung von einem Jahr ab Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Angebotsunterlage und längstens eine Verjährung von drei Jahren nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage.
8. Rechtsfolgen
Wiederum auch abweichend von der Konzeption der Prospekthaftung in den vorerwähnten Spezialgesetzen begründet § 12 Abs. 1 WpÜG keine Schadensersatzpflicht, die auf das positive Interesse gerichtet ist. Vielmehr kann der Anleger nur Ersatz des ihm aus der Annahme des Angebots oder der Übertragung der Aktien im Wege des Squeeze-Outs entstandenen Schadens gemäß §§ 249 ff. BGB (negatives Interesse) ersetzt verlangen.
Dr. Ingo Janert (Stand: 02. November 2019, Bild von PublicDomainPictures auf Pixabay)
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