Ad-hoc-Publizität

Übernahme

In diesem Beitrag sollen die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Ad-hoc-Publizität gem. Art. 17 MAR im Einzelnen dargestellt werden.

1. Einführung

Die Emittenten von Finanzinstrumenten i.S.v. Art. 17 MAR sind verpflichtet, Insiderinformationen, die den Emittenten unmittelbar betreffen, unverzüglich (d.h. ad hoc) der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Diese sog. Ad-hoc-Publizität stellt zunächst eine kapitalmarktrechtliche Informationspflicht dar. Darüber hinaus soll durch eine möglichst frühzeitige Information der Öffentlichkeit einem Insiderhandel vorgebeugt werden. Es handelt sich um eine zentrale Bestimmung der Informationspflichten im Sekundärmarkt (vgl. Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 354).

2.Voraussetzungen der Ad-hoc-Publizität

Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ad-hoc-Publizitätsverpflichtung gem. Art. 17 MAR sind nachfolgend:

a. Sachlicher Anwendungsbereich

Der sachliche Anwendungsbereich der Ad-hoc-Verpflichtung wird durch Art. 17 Abs. 1 MAR bestimmt. Danach gilt die Ad-hoc-Publizität für Emittenten, deren Finanzinstrumente an einem regulierten Markt (§§ 32 ff. BörsG), an einem multilateralen Handelssystem (MTF, z.B. Freiverkehr gem. § 48 BörsG) oder an einem organisierten Handelssystem (OTF) notiert sind bzw. bei denen die Zulassung zum Handel (nicht: Beantragung zum OTF) zumindest beantragt worden ist.

b. Vorliegen einer Insiderinformation

Es muss eine Insiderinformation i.S.v. Art. 7 MAR vorliegen. Der Begriff der Insiderinformation wird hier definiert.

In diesem Zusammenhang ist umstritten, ob die Ad-hoc-Verpflichtung bereits mit objektiven Vorliegen der Insiderinformation eintritt oder ob erst subjektive Umstände (z.B. Kenntnis von der Insiderinformation) hinzutreten müssen (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 499). Da der Wortlaut des Art. 17 MAR indes nicht an eine Kenntnis des Emittenten anknüpft, ist m.E. die Kenntnis des Emittenten kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der ad-hoc-Verpflichtung. Maßgeblich ist daher allein die objektive Möglichkeit des Emittenten, Kenntnis von der Insiderinformation zu erhalten.

c. Unmittelbarkeitserfordernis

Die Insiderinformation muss den Emittenten unmittelbar betreffen. Das bedeutet, dass Insiderinformationen, die sich auf die Finanzinstrumente des Emittenten oder nur mittelbar auf den Emittenten beziehen (z.B. allgemeine Marktstatistiken, allgemeine Brancheninformationen), nicht zu veröffentlichen sind (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 496).

Beispiele für den Emittenten unmittelbar betreffende Informationen sind:

  • unternehmensinterne Vorgänge: Strukturmaßnahmen, bedeutende Geschäftsabschlüsse, wichtige Vorstands- und Aufsichtsratshandlungen
  • unternehmensexterne Vorgänge: Kündigung der Geschäftsbeziehung durch den Hauptlieferanten, Zustellung einer wichtigen Klage oder Zustellung einer kartellbehördlichen Entscheidung

d. Zeitweise Befreiung von Veröffentlichungspflicht

Nach Art. 17 Abs. 4 MAR kann der Emittent die Veröffentlichung der Insiderinformation aufschieben und ist für die Dauer des Aufschubs von der Veröffentlichungspflicht nach Art. 17 Abs. 1 MAR befreit. Diese Befreiungsmöglichkeit ist in der Praxis von großer Bedeutung.

Eine Befreiung nach Art. 17 Abs. 4 kommt nur bei Vorliegen aller drei nachfolgend genannten Voraussetzungen in Betracht:

  • Berechtigtes Interesse: Ein Aufschub setzt voraus, dass die Veröffentlichung der Insiderinformation die Unternehmensziele oder die Entwicklung des Unternehmens erheblich gefährden oder gar vereiteln könnte.
  • Keine Irreführung der Öffentlichkeit: Der Emittent darf während des Aufschubzeitraums nach außen keine Signale setzen, die mit der geheim zu haltenden Insiderinformation im Widerspruch stehen würde.
  • Gewährleistung der Vertraulichkeit: Schließlich muss der Emittent durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass die Insiderinformation während des Aufschubzeitraums geheim bleibt.

Solange die drei vorgenannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen, ist der Emittent von der Veröffentlichungspflicht befreit, d.h. ein Antrag bei der BaFin ist nicht erforderlich. Erst wenn (mindestens) eine der drei vorgenannten Voraussetzungen nicht mehr vorliegt, muss der Emittent die Ad-hoc-Meldung unverzüglich nachholen (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 508).

Beispiele für eine aufgeschobene Veröffentlichung können sein:

  • laufende Verhandlungen des Emittenten bei einer Unternehmensübernahme, wenn die Veröffentlichung negative Auswirkungen auf die Verhandlungen nach sich zöge,
  • Entscheidung des Vorstands, die zu ihrer Wirksamkeit noch der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf, sofern die Veröffentlichung vor der Zustimmung des Aufsichtsrats das Publikum verleiten würde, sich verfrüht auf solche Informationen zu verlassen.

Umstritten ist, ob der Aufschub der Veröffentlichungspflicht eine förmliche Entscheidung des Emittenten (z.B. einen Vorstandsbeschluss der AG) bedarf (vgl. zum Meinungsstand nur Poelzig, a.a.O., Rn. 514 ff.). Die Formulierung „auf eigene Verantwortung“ i.S.v. Art. 17 Abs. 4 MAR spricht m.E. für eine konkrete Entscheidung des zuständigen Geschäftsführungsorgans. Um das Risiko der Verhängung einer Geldbuße (vgl. § 120 Abs. 15 Nr. 6 WpHG) zu vermeiden, empfiehlt sich aus Sicht des Emittenten, einen solchen Beschluss förmlich zu fassen, z.B. bereits vorsorglich in einem frühen Stadium eines mehrstufigen Entscheidungsprozesses.

Nach Wegfall der Gründe für den Aufschub lebt die Veröffentlichungspflicht wieder auf und der Emittent hat nach Art. 17 Abs. 4 MAR der BaFin zu berichten.

Art. 17 Abs. 5 MAR sieht eine spezielle Aufschubregelung für Kreditinstitute und Finanzinstitute zur Wahrung der Stabilität des Finanzsystems vor. Ein Anwendungsfall ist beispielsweise eine notwendige Liquiditätshilfe einer Bank durch eine Zentralbank.

3. Spezielle Veröffentlichungspflicht

Art. 17 Ab. 8 MAR enthält eine spezielle Ad hoc-Veröffentlichungspflicht. Danach müssen Emittenten und Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate sowie Personen, die in ihrem Auftrag oder auf ihre Rechnung handeln, die gegenüber einem Dritten befugt offengelegten Insiderinformationen veröffentlichen. Diese Veröffentlichungspflicht gilt nicht, wenn der Dritte zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, unabhängig davon, ob sich diese Verpflichtung aus Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, einer Satzung oder einem Vertrag ergibt.

Zweck dieser Sonderregelung ist es, die Chancengleichheit der Marktteilnehmer zu gewährleisten, indem eine selektive, nicht kontrollierbare Informationsweitergabe an Einzelne unterbunden wird (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 521).

4. Rechtsfolgen der Ad-hoc-Publizität

Die Insiderinformation ist durch den Emittenten so bald wie möglich („as soon as possible“) zu veröffentlichen (Art. 17 Abs. 1 MAR).

Vor der Veröffentlichung hat der Emittent die Ad-hoc-Meldung der Börsengeschäftsführung mitzuteilen sowie unverzüglich nach ihrer Veröffentlichung der BaFin sowie der das Unternehmensregister führenden Stelle zur Einstellung in das Unternehmensregister zu übermitteln (§ 26 Abs. 1 WpHG). Die Ad-hoc-Mitteilung muss dabei korrekt und vollständig sein und darf keine Verbindung mit der Vermarktung der Tätigkeit des Emittenten haben (Art. 17 Abs. 1 MAR).

In der Praxis erfolgt die Veröffentlichung regelmäßig über ein elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem, wie etwa über Nachrichtenagenturen (z.B. Reuters, Bloomberg) (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 503).

Der Emittent speichert die veröffentlichte Ad-hoc-Mitteilung auf seiner Webseite für mindestens 5 Jahre (Art. 17 Abs. 1 MAR).

5. Sanktionen bei Verstößen gegen die Ad-hoc-Publizität

Der Verstoß gegen Art. 17 MAR stellt zunächst eine Ordnungswidrigkeit dar (vgl. § 120 Abs. 15 Nr. 6 bis 11 WpHG). Natürliche Personen müssen mit Geldbußen von bis zu Euro 1 Million und juristische Personen von bis zu Euro 2,5 Millionen oder 2 Prozent des jährlichen (Konzern-) Gesamtumsatzes rechnen.

Darüber hinaus bestimmt § 97 Abs. 1 WpHG, dass der Emittent, der gegen die Verpflichtungen aus Art. 17 MAR verstößt, einem anderen zum Schadensersatz verpflichtet sein kann. Schadensersatzansprüche, die auf anderen Rechtsgrundlagen beruhen, bleiben unberührt (§ 97 Abs. 4 WpHG).

Dr. Ingo Janert (Stand: 06. August 2024, Bild von StartupStockPhotos auf Pixabay)