Insiderrecht – Verwendungsverbot

In diesem Beitrag zum Insiderrecht soll auf das Verwendungsverbot des Art. 14 lit. a) MAR eingegangen werden, wonach das Tätigen eines Insidergeschäfts und eines Versuchs untersagt ist.

1. Einführung

Art. 14 MAR ordnet an, dass nachfolgende Handlungen verboten sind,

Die Art. 7 ff. MAR bestimmen im Einzelnen, welche Insidergeschäfte verboten sind. Ein Verstoß gegen die Insiderbestimmungen ist unter bestimmten Voraussetzungen strafbar (§ 119 Abs. 3 WpHG i.V.m. Art. 14 MAR ). Zur Überwachung des Insiderhandels sind die Emittenten verpflichtet, sog. Insiderlisten zu führen (Art. 18 MAR).

2. Tätigen von Insidergeschäften (Art. 14 lit. a) MAR)

Das Tätigen von Insidergeschäften und der Versuch hierzu sind verboten.

a. Insidergeschäft (Art. 8 MAR)

Ein Insidergeschäft liegt vor, wenn eine Person über Insiderinformationen verfügt und unter Nutzung derselben für eigene oder fremde Rechnung direkt oder indirekt Finanzinstrumente, auf die sich die Informationen beziehen, erwirbt oder veräußert (Art. 8 Abs. 1  S. 1 MAR, Grundtatbestand des Insidergeschäfts).

Ein Insidergeschäft liegt auch vor, wenn ein Auftrag in Bezug auf ein Finanzinstrument, auf das sich die Information bezieht, storniert oder geändert wird, wenn der Auftrag vor Erlangen der Insiderinformation erteilt wurde (Art. 8 Abs. 1 S. 2 MAR).

Die Voraussetzungen des Grundtatbestands des Insidergeschäfts sind:

aa. Vorliegen einer Insiderinformation (Art. 7 MAR)

Eine Insiderinformation ist nach dem Grundfall des Art. 7 Abs. 1 lit. a) MAR eine nicht öffentlich bekannte präzise Information, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen.

Die Tatbestandsmerkmale der Insiderinformation sind danach:

  • Nicht öffentlich bekannte präzise Information: Der Begriff der präzisen Information erfasst Tatsachen, aber auch überprüfbare Werturteile, Einschätzungen, Absichten, Prognosen und sogar Gerüchte, deren Eintrittswahrscheinlichkeit i.S.v. Art. 7 Abs. 2 MAR     hinreichend groß (i.S.e. überwiegenden Wahrscheinlichkeit, 50 % + x) sind. Ein Zwischenschritt (z.B. der Abschluss eines Letter of Intend im Rahmen eines Unternehmenskaufs) in einem gestreckten Vorgang wird als eine Insiderinformation betrachtet, falls er für sich genommen die Kriterien der Insiderinformation erfüllt (Art. 7 Abs. 3 MAR). Eine Information ist erst dann öffentlich bekannt gemacht, wenn sie einem breiten Anlegerpublikum und damit einer unbestimmten Zahl von Personen zugänglich gemacht wurde (mindestens: Bereichsöffentlichkeit, früher h.M.). Nicht ausreichend ist die Bekanntgabe einer Information anlässlich einer Hauptversammlung.
  • Emittenten- oder Wertpapierbezug: Die Insiderinformation muss direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten (sog. Emittentenbezug) oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betreffen (sog. Wertpapierbezug). Ein Emittentenbezug ist anzunehmen, wenn sich die Insiderinformation auf die Vermögens, Finanz- oder Ertragslage oder auf die (personelle) Organisation des Emittenten auswirken kann. Demgegenüber ist ein Wertpapierbezug immer dann anzunehmen, wenn der Handel des betreffenden Wertpapiers des Emittenten betroffen ist (z.B. bevorstehende Kursaussetzung). Für den erforderlichen Emittenten- oder Wertpapierbezug ist es gleichgültig, ob die präzise Information aus dem Tätigkeitsbereich des Emittenten stammt oder nicht. Dieses Tatbestandsmerkmal ist auch bei den Emittenten nur mittelbar treffenden Umständen (z.B. Veränderung der Devisenkurse oder der Rohstoffpreise, geplante Gesetzesänderung) gegeben.
  • Kursrelevanz der Information: Für die weiter erforderliche Kursrelevanz kommt es darauf an, ob ein sog. verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Dieser subjektive Ansatz verbietet die Bestimmung der Kursrelevanz anhand fester Schwellenwerte oder anhand der üblichen Volatilität des Insiderpapiers (vgl. Art. 7 Abs. 4 MAR). Das Tatbestandsmerkmal der Erheblichkeit stellt in diesem Zusammenhang sicher, dass eine Information, die nur ein geringes Kursbeeinflussungspotential hat, nicht zu einer Insiderinformation wird.
bb. Erwerb oder Veräußerung eines Finanzinstruments

Das Insiderhandelsverbot setzt weiter voraus, dass ein Insidergeschäft mit einem Finanzinstrument getätigt wird. Finanzinstrumente i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 MAR unterfallen gem. Art. 2 Abs. 1 MAR dem Anwendungsbereich der MAR, wenn sie

  • zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen oder ein Zulassungsantrag gestellt,
  • an einem multilateralen Handelssystem (MTF) gehandelt oder ein Zulassungsantrag gestellt,
  • in einem organisierten Handelssystem (OTF) gehandelt,
  • nicht an einem Markt gehandelt, aber deren Wert von dem Kurs eines anderen, an einem Markt gehandelten Finanzinstruments abhängt oder sich darauf auswirkt.
cc. Nutzung der Insiderinformation für eigene oder fremde Rechnung

Das Insiderhandelsverbot erfasst sowohl den Fall, dass das Insidergeschäft dem Insider selbst wirtschaftlich zugutekommt als auch den Fall, dass das Insidergeschäft einem Dritten (z.B. Verwandten, Freund) wirtschaftlich einen Vorteil verschafft. Das Tatbestandsmerkmal „unter Nutzung“ verlangt, dass die Kenntnis der Insiderinformation kausal für die Vornahme des Insidergeschäfts ist.

b. Ausnahme: Legitime Handlungen (Art. 9 MAR)        

Ein Insidergeschäft liegt nicht vor, wenn sich die natürliche oder juristische Person auf einen Ausnahmetatbestand des Art. 9 MAR berufen kann.

Die praktisch wichtigsten Ausnahmetatbestände sind:

  • die juristische Person (z.B. der Emittent eines Finanzinstruments) hat angemessene interne Regelungen und Verfahren zur Vermeidung von Insiderhandel umgesetzt (Art. 9 Abs. 1 MAR, z.B. Chinese Walls oder Ethical Screens),
  • ein rechtmäßiges Handeln eines Market-Makers, einer rechtmäßig handelnden Gegenpartei oder einer rechtmäßig handelnden Person, die zur Ausführung von Aufträgen Dritter zugelassen ist (Art. 9 Abs. 2 MAR) (Anmerkung: sog. Market-Maker garantieren den fortlaufenden börslichen Handel, indem sie während des Börsenhandels jederzeit sog. Quotes (d.h. Geld- (Kauf-) und Brief- (Verkauf-) Kurse) stellen und damit auf eigene Rechnung Finanzinstrumente für den eigenen Bestand erwerben oder aus eigenem Bestand liefern),
  • zur Vornahme eines Erfüllungsgeschäfts (Art. 9 Abs. 3 MAR),
  • Nutzung von Insiderinformationen im Zuge eines öffentlichen Übernahmeangebots (Art. 9 Abs. 4 MAR),
  • Nutzung von Insiderinformationen zur Umsetzung eigener Entscheidungen (Art. 9 Abs. 5 MAR).

Dr. Ingo Janert (Stand: 22. Dezember 2023, Bild von Dariusz Sankowski auf Pixabay)