Profitiert das Kapitalmarktrecht vom Bürokratieabbau der Ampelregierung?

Dr. Buschmann
Dr. Buschmann stellt die Eckpunkte für ein Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) vor.

Das Bundesministerium der Justiz hat am 11. Januar 2024 den Referentenentwurf zu einem Vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV-Entwurf) veröffentlicht. Das Gesetzesvorhaben sieht eine Reihe von Einzelmaßnahmen vor, mit der die Ampelregierung die Bürokratie weiter abbauen möchte. Im Rahmen dieses Beitrags soll der Frage nachgegangen werden, ob auch das Kapitalmarktrecht vom geplanten Bürokratieabbau profitieren wird.

1. Geplanter Bürokratieabbau durch die Ampel

Das Bundeskabinett hat auf der Kabinettsklausur im Meseberg am 30. August 2023 die vom Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann vorgelegten Eckpunkte für ein Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) beschlossen.

Der BEG IV-Entwurf sieht verschiedene Einzelmaßnahmen aus verschiedenen Teilbereichen des Rechts vor, die dem Ziel eines weiteren Bürokratieabbaus dienen. So sollen etwa die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege von 10 auf 8 Jahre verkürzt werden. Weiterhin sind Erleichterungen mit Blick auf die formalen Anforderungen bei Dokumentationspflichten im Arbeitsrecht vorgesehen. Die elektronische Form soll zukünftig die Regelform werden, sodass zahlreiche Schriftformerfordernisse aufgehoben werden sollen.

Eine Übersicht über die geplanten Einzelmaßnahmen zum Bürokratieabbau finden Sie hier.

2. Geplante Änderungen im Kapitalmarktrecht

Der Gesetzentwurf zum Bürokratieabbau sieht mit Blick auf das Kapitalmarktrecht lediglich Erleichterungen dergestalt vor, dass das Schriftformerfordernis (§ 126 BGB) zugunsten der Textform (§ 126b BGB) ersetzt wird.

a. Ersetzung der Schriftform durch die Textform

Im Kapitalmarktrecht sieht der BEG IV-Entwurf nachfolgende Ersetzungen des Schriftformerfordernisses (§ 126 BGB) zugunsten der Textform (§ 126b BGB) vor:

  • Aktienrecht: Die aktienrechtlichen Mitteilungspflichten nach den §§ 20 und 21 AktG, die bislang in Schriftform zu erfüllen waren, können zukünftig in Textform erfüllt werden.
  • Depotrecht: Verschiedene Erklärungen im Depotgesetz, die bisher eine Schriftform voraussetzen, können zukünftig auch in Textform vorgenommen werden. Dies betrifft die Erklärungen nach § 4 Abs. 2, § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 2, § 10 Abs. 1, § 12 Abs. 1, § 12a Abs. 1, § 13 Abs. 1, § 15 Abs. 2, § 19 Abs. 2, § 20 Abs. 2 und 3, § 21 Abs. 1, § 22 Abs. 2 sowie § 24 Abs. 1 DepotG.
  • Anleihenrecht: Eine Gläubigerversammlung soll einzuberufen sein, wenn Gläubiger, deren Schuldverschreibungen zusammen 5 Prozent der ausstehenden Schuldverschreibungen erreichen, dies in Textform verlangen (§ 9 Abs. 1 SchVG-Entwurf). Eine weitere Erleichterung sieht § 15 Abs. 1 SchVG-Entwurf vor: In der Gläubigerversammlung soll das Verzeichnis der erschienenen oder durch Bevollmächtigten vertretenen Gläubiger nur noch in Textform aufzustellen sein. Das Verzeichnis muss nicht mehr vom Vorsitzenden der Versammlung unterschrieben werden, sondern es reicht aus, wenn das Verzeichnis allen Gläubigern unverzüglich zugänglich gemacht wird.

b. Rechtliche Einordnung der Textform (§ 126b BGB)

Wenn nun in verschiedenen Gesetzesbestimmungen die Textform an die Stelle der Schriftform treten soll, soll nachfolgend kurz erläutert werden, was unter der Textform i.S.v. § 126b BGB konkret zu verstehen ist.

§ 126b Abs. 1 S. 1 BGB bestimmt was folgt: Ist durch ein Gesetz die Textform vorgeschrieben, so muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Hierunter ist im Einzelnen was folgt zu verstehen:

  • lesbare Erklärung“: Die Erklärung muss beim Empfänger in Schriftzeichen lesbar wiedergegeben werden können. Nicht erforderlich ist, dass die Erklärung auch in Schriftzeichen gespeichert ist. Die Speicherung in Form von Binärdaten reicht aus, wie dies bei elektronische Medien der Fall ist (vgl. BeckOK BGB/Wendtland, 68. Ed. 1.11.2023, BGB, § 126b, Rn. 4).
  • in der die Person des Erklärenden genannt ist“: Die Erklärung muss die Angabe ihres Verfassers enthalten, damit der Empfänger zuordnen kann, von wem er das Dokument erhalten hat. Ausreichend ist, dass eine zweifelsfreie Identifikation möglich ist. Weiter ist erforderlich, dass das Textende kenntlich gemacht wird, sodass deutlich wird, dass das Dokument vollständig ist (z.B. durch den Hinweis „dieses Schreiben wurde maschinell erstellt und bedarf keiner Unterschrift“ oder durch eine Grußformel) (vgl. BeckOK BGB/Wendtland, 68. Ed. 1.11.2023, BGB, § 126b, Rn. 6 und 7).
  • auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben“: Die Erklärung muss für den Empfänger dauerhaft speicherbar sein (sog. Speicherbarkeit). Die Erklärung muss weiter für den Empfänger unveränderbar aufbewahrt und wiedergegeben werden können (sog. Unveränderlichkeit), so dass die Information auf einer jederzeit veränderbaren Webseite nicht der Textform genügt. Die Erklärung muss ferner dem Empfänger persönlich zugehen (§ 130 BGB) und von diesem aufbewahrt und gespeichert werden können (sog. persönlicher Zugang). Schließlich muss die Erklärung eine angemessene Zeit für den Empfänger zur Kenntnis genommen werden können (sog. dauerhafte Verfügbarkeit), sodass dem Empfänger regelmäßig bis zur vollständigen Abwicklung des betreffenden Rechtsgeschäfts die Kenntnismöglichkeit eingeräumt werden muss (vgl. BeckOK BGB/Wendtland, 68. Ed. 1.11.2023, BGB, § 126b, Rn. 8 bis 12 m.w.N.).

Praktische Beispiele für Erklärungen, die der Textform i.S.v. § 126b BGB im Regelfall genügen, sind daher Erklärungen, die

  • per E-Mail
  • per SMS
  • per Computerfax oder
  • per persönlicher Nachricht via soziale Netzwerke

abgegeben werden.

3. Fazit

Der BEG IV-Entwurf enthält zumindest für das Kapitalmarktrecht keinen nennenswerten Fortschritt im Hinblick auf einen Bürokratieabbau. Bereits das Zukunftsfinanzierungsgesetz der Ampelregierung war insoweit kein großer Wurf.

Allerdings muss der Fairness halber auch darauf hingewiesen werden, dass viele gesetzliche Erfüllungspflichten für die Privatwirtschaft durch europäisches Recht vorgegeben sind, was die Ampelregierung allein auf nationaler Ebene nicht verändern kann. Es bleibt insoweit zu hoffen, dass die Regierung auch auf europäischer Ebene auf einen weiteren Bürokratieabbau hinwirkt.

Dr. Ingo Janert (Stand: 25. Januar 2024, Pressebild des BMJ)