Begriff des Kapitalmarktrechts

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In diesem Beitrag wird auf den Begriff des Kapitalmarktrechts eingegangen und der Kapitalmarkt von anderen Märkten, wie z.B. vom Geld- und Devisenmarkt, abgegrenzt.

1. Begriff des Kapitalmarkts

a. Keine einheitliche Begriffsdefinition

In den Wirtschaftswissenschaften gibt es keine einheitliche Definition des Kapitalmarkts. In der Rechtswissenschaft wird versucht, dem Begriff des Kapitalmarkts durch eine Systematisierung des Markts näher zu kommen.

b. Unterscheidung nach Primär- und Sekundärmarkt

Es kann zunächst zwischen Primär- und Sekundärmarkt unterschieden werden:

  • Primärmarkt: Markt, auf dem ein neuer Kapitalmarkttitel (z.B. Aktien) erstmalig außerbörslich platziert werden (sog. Emissionsmarkt). Die Platzierung erfolgt im Wege der sog. Emission des Wertpapiers (Selbst- und Fremdemission). Die Anleger haben im Primärmarkt ein starkes Interesse an Informationen über das neue Wertpapier und den Emittenten dieses Wertpapiers. Diesem Interesse trägt das Kapitalmarktrecht etwa durch die Prospektpflicht bei einer Wertpapieremission Rechnung.
  • Sekundärmarkt: Von einem Sekundärmarkt wird immer dann gesprochen, wenn ein Wertpapier bereits platziert und nunmehr gehandelt wird. Der bekannteste Sekundärmarkt ist die Börse. Im Sekundärmarkt benötigen die Anleger die Informationen über ein Wertpapier und über den Emittenten dieses Wertpapiers, um zu entscheiden, ob sie das Wertpapier kaufen oder verkaufen wollen. Diesem Interesse trägt das Kapitalmarktrecht etwa durch die kapitalmarktrechtlichen Folgepflichten (z.B. ad-hoc-Pflicht) Rechnung.

c. Unterscheidung nach dem Organisationsgrad

Börslich organisierte Märkte (z.B. Frankfurter Wertpapierbörse) weisen den bei weitem höchsten Organisationsgrad eines Kapitalmarkts auf. Außerbörslich organisierte Märkte (z.B. Interbankenhandel) weisen einen geringeren Organisationsgrad auf.

2. Abgrenzung des Kapitalmarkts von anderen Märkten

Der Kapitalmarkt ist dabei von anderen Märkten, wie z.B. vom Geldmarkt und vom Devisenmarkt, abzugrenzen.

a. Geldmarkt

Der Geldmarkt dient im Unterschied zum Kapitalmarkt nicht der Transformation von Geld in Sachinvestitionen, sondern dem Liquiditätsausgleich zwischen den Marktteilnehmern. Der Geldmarkt ist dabei auf einge finanzstarke Teilnehmer mit erstklassiger Bonität beschränkt (z.B. Banken, Zentralbanken und Unternehmen bester Bonität), so dass der Zugang zu diesem Markt den meisten Unternehmen und Privatleuten verschlossen ist.

b. Devisenmarkt

Auf dem Devisenmarkt werden Devisen gehandelt. Unter Devisen werden die auf ausländische Währung bei einer ausländischen Bank lautende Fremdwährungsguthaben einer Bank oder einer Nicht-Bank sowie auf fremde Währung lautende Schecks oder Wechsel verstanden.

Devisen sind immer dann notwendig, wenn Wirtschaftsgüter über die Ländergrenzen hinweg gehandelt werden. In solchen Fällen zahlen grenzüberschreitend tätige Unternehmen an ihre ausländischen Partner in Fremdwährung oder sie erhalten von ihren ausländischen Partnern einen in Fremdwährung bestehenden Rechnungsbetrag. Der jeweilige Wechsel der Währung findet sodann über die Kreditinstitute statt, sodass der Devisenhandel ein Interbankenhandel ist.        

Der Devisenmarkt setzt sich in Deutschland aus den fünf Devisenbörsen in Frankfurt a.M., Hamburg, Düsseldorf, München und Berlin zusammen. Charakterisierend für den Devisenmarkt sind nachfolgende Geschäfte:

  • Devisenkassageschäfte: Geschäfte, in denen eine Währung in eine andere getauscht wird und das Geschäft innerhalb von zwei Börsenarbeitstagen zu erfüllen ist.
  • Termingeschäfte: Termingeschäfte unterscheiden sich von den Devisenkassageschäften dadurch, dass diese erst in einem Zeitpunkt in der Zukunft zu erfüllen sind, wobei der zum Erfüllungszeitpunkt abzurechnende Kurs der Währungen bereits bei Abschluss des Geschäfts vereinbart wird.
  • Swapgeschäfte: Swapgeschäfte kennzeichnen sich dadurch, dass ein Währungsbetrag gekauft und zu einem künftigen Zeitpunkt zurückgekauft wird. Die zu zahlenden Swapsätze werden aus dem Unterschied zwischen dem Kassa- und dem vereinbarten Terminkurs errechnet.

c. Termin- und Derivatemarkt

Einer der größten Terminmärkte weltweit ist die Eurex Frankfurt AG. Kennzeichnend für den Termin- und Derivatemarkt, der ein Teilmarkt des Kapitalmarkts ist, sind nachfolgende Geschäfte:

  • Future: Das Futuregeschäft zeichnet sich dadurch aus, dass ein Kaufvertrag etwa über Aktien abgeschlossen wird, bei dem der Verkäufer zu einem künftigen Zeitpunkt die vertraglich vereinbarten Kapitalmarkttitel zu einem bereits bei Vertragsschluss bestimmten Preis liefert.
  • Option: Bei einem Optionsgeschäft wird nur einer Vertragspartei (= Optionsberechtigter) das Recht eingeräumt, einen Kapitalmarkttitel zu einem bestimmten zukünftigen Zeitpunkt oder innerhalb Zeitraums zu einem vertraglich bestimmten Kaufpreis, entweder zu erwerben (= Kaufoption oder Call) oder zu veräußern (= Verkaufsoption oder Put). Der andere Vertragsteil (= Optionsverpflichteter oder Stillhalter) erhält hingegen für das von ihm zu tragende Kursrisiko einen vertraglich vereinbarten Geldbetrag (= Optionsprämie).

Die Termingeschäfte (Future und Option) beziehen sich dabei auf Aktien, festverzinsliche Wertpapiere oder Devisen als Basiswert. Da diese Termingeschäfte mithin von einem Basiswert abgeleitet werden, werden sie als Derivate bezeichnet.

Termingeschäfte dienen dazu, sich entweder vor Verlusten aus Schwankungen der Marktkurse zu schützen (sog. Hedging) oder Differenzgewinne aus Kursschwankungen zu erzielen (sog. Spekulation) (vgl. Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 12).

3. Regelungsziele des Kapitalmarktrechts

Das Kapitalmarktrecht versucht, durch (europäische) Verordnungen und Gesetze verschiedene Regelungsziele umzusetzen, wobei gerade auch unter dem Eindruck der Finanzmarktkrise seit dem Jahr 2009 zunehmend auch das Regelungsziel der Stabilität des Kapitalmarkts im gesetzgeberischen Interesse steht. Es können nachfolgende Regelungsziele des Kapitalmarktrechts unterschieden werden:

a. Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts

Bereits seit den Anfängen des Kapitalmarktrechts verfolgt der Gesetzgeber nachfolgende drei Regelungsziele zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (vgl. hierzu auch eingehend Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 25 ff.).

aa. Allokative Funktionsfähigkeit

Das Kapitalmarktrecht will zunächst sicherstellen, dass das anlagefähige Kapital immer dorthin fließt, wo jeweils der dringendste Bedarf bei genügender Sicherheit der Kapitalanlage die höchste Rendite verspricht. Die Allokationsfähigkeit wird z.B. durch die sog. Ad-hoc-Publizität (Art. 17 MAR) sichergestellt.

bb. Institutionelle Funktionsfähigkeit

Unter der institutionellen Funktionsfähigkeit wird verstanden, dass die Grundvoraussetzungen für einen funktionierenden Markt geschafft werden. Dieses Regelungsziel wird z.B. durch die gesetzlichen Marktsegmente und die damit verbundenen Anforderungen z.B. an dem Betrieb einer Börse sichergestellt.

cc. Operationale Funktionsfähigkeit

Unter der operationalen Funktionsfähigkeit wird die Minimierung der den Marktteilnehmern anfallenden Transaktionskosten verstanden. Dieses Regelungsziel wird durch die gesetzlich vorgeschriebene Publizität verwirklicht, die die Kosten für die private Informationsbeschaffung reduziert (z.B. Prospektpflichten oder Ad-hoc-Publizität).

b. Schutz des Anlegers im Kapitalmarkt

Das Kapitalmarktrecht dient des Weiteren auch dem Schutz des Anlegers, indem es z.B. verlangt, dass der Emission eines Kapitalmarkttitels (z.B. die Emission von Aktien im Rahmen eines Börsengangs) grundsätzlich ein Prospekt zugrunde zu liegen hat, für dessen Vollständigkeit und Richtigkeit der Emittent dem Anleger zivilrechtlich haftet (sog. Prospekthaftung, z.B. §§ 8 ff. WpPG).

c. Stabilität des Kapitalmarkts als System

Gerade auch unter dem Eindruck der Finanzmarktkrise ab dem Jahr 2008 wurden die Befugnisse der BaFin zur Sicherung der Finanzmarktstabilität erweitert, so dass die Finanzmarktstabilität nun auch als ein Regelungsziel des Kapitalmarktrechts qualifiziert werden kann. So sieht etwa § 14 WpHG vor, dass die BaFin vorübergehende aufsichtsrechtliche Maßnahmen (z.B. Untersagung des Handels mit einzelnen oder mehreren Finanzinstrumenten) im Fall der Gefährdung der Finanzmarktstabilität anordnen kann.

4. Begriff des Kapitalmarktrechts

Der Rechtswissenschaft ist es bislang noch nicht gelungen, den Begriff des Kapitalmarktrechts abschließend zu definieren. Grund für die Schwierigkeit ist vor allem, dass viele Vorschriften, die auch dem Schutz des Kapitalanlegers dienen, rechtssystematisch anderen Rechtsgebieten zuzuordnen sind.

Das Kapitalmarktrecht kann vereinfachend als die Summe aller Regeln definiert werden, die der Herstellung und Sicherung eines funktionsfähigen Kapitalmarkts, dem Anlegerschutz und der Stabilität des Kapitalmarkts als System dienen (weitergehend Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 5).

Dr. Ingo Janert (Stand: 14. Oktober 2021, Bild von Free-Photos auf Pixabay)