Haftung bei Zins- und Währungsswaps

BGH
bundesgerichtshof karlsruhe herrenstra§e 45a 76133 karlsruhe

Die Entscheidung des BGH vom 5. Februar 2019 (Aktenzeichen: XI ZR 335/18) betrifft die Frage der Darlegungs- und Beweislast mit Blick auf die Vorsatzvermutung im Zusammenhang mit der Haftung bei Zins- und Währungsswaps. 

1. Sachverhalt der Entscheidung

Der Kläger machte Schadensersatzansprüche aus der Verletzung von Aufklärungspflichten aus einem unentgeltlichen Beratungsvertrag gegenüber der beklagten Bank im Zusammenhang mit Zinssatz-Währungs-Swap-Verträgen geltend.

Der Kläger beabsichtigte im Jahr 2003 eine Investition in eine Sicherheits-Kompakt-Rente („Schnee-Rente“). Hierbei handelte es sich um ein aus drei Komponenten – einer Kapitallebensversicherung, einer Rentenversicherung und einem endfällig gestellten Darlehen – bestehendes Anlagemodell, dessen Ziel der Abschluss einer Rentenversicherung ohne maßgeblichen Einsatz von Eigenkapital war.

Plangemäß sollte die Darlehenssumme – ganz oder überwiegend –  die Versicherungsverträge abschließend erfüllende Einmalzahlungen abdecken. Die jährlichen Auszahlungen aus der Rentenversicherung sollten dem Anlagekonzept zufolge die Darlehenszinsen bedienen, während die Darlehenssumme selbst zum Ende der Laufzeit aus der Kapitallebensversicherung abgelöst werden sollte. Nach dem Ende der Laufzeit sowohl der Darlehensverträge als auch der Kapitallebensversicherung sollte die – nach wie vor fortbestehende – Rentenversicherung dem Kläger zur Alterssicherung verbleiben.

Zur Umsetzung dieses Anlagekonzepts gewährte die Beklagte dem Kläger ein Darlehen. Zusätzlich schlossen die Parteien einen Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte. Schließlich vereinbarten die Parteien eine Zins- und Währungsswap-Transaktion. Mit den ihm gewährten Darlehensmitteln schloss der Kläger sodann sowohl eine Kapitallebensversicherung als auch eine Rentenversicherung ab. Im Jahr 2006 kam es zum Abschluss eines den – noch nicht getilgten – ursprünglichen Darlehensvertrag ersetzenden und dessen Summe ablösenden weiteren Darlehensvertrages. Nach Ablauf der Vertragslaufzeit der ersten Swap-Transaktion vereinbarten die Parteien im Jahr 2008 später schließlich deren Verlängerung um weitere fünf Jahre.

Das vorstehende Anlagekonzept der Schnee-Rente ging nicht wie erhofft auf, weil die Ausschüttungen aus der Lebensversicherung die Darlehenszinsen unterschritten und sich die Zinssätze in Deutschland und in der Schweiz anders entwickelten, als dies bei Abschluss der Swap-Verträge der Jahr 2003 und 2008 eingeplant war.

Das LG Köln nahm in seinem Urteil vom 25. August 2015 eine Schadensersatzverpflichtung der Bank gem. § 280 Abs. 1 BGB an, weil ein unentgeltlicher Beratungsvertrag zustande gekommen sei und die Bank ihre Aufklärungsverpflichtung – hier: fehlende Aufklärung über den dem Zins- und Währungsswap immanenten negativen Marktwert (Anmerkung des Verfassers: Der anfängliche negative Marktwert ist der Wert, welcher bei sofortiger Glattstellung durch Ermittlung der voraussichtlichen zukünftigen gegenseitigen Zahlungen an die Bank zu zahlen wäre.) – verletzt habe. Ein sich für ein Swapgeschäft entscheidender Bankkunde könne nur dann die diesem innewohnenden Risiken zutreffend abschätzen und eine abgewogene Entscheidung für oder gegen dieses Instrument treffen, wenn ihm die ungleiche Verteilung der Chancen und Risiken, die das Einrechnen des negativen Marktwerts unmittelbar mit sich bringt, vor Augen steht. Da die Pflichtverletzung der Beklagten objektiv feststehe, werde das Verschulden der Bank nach Rechtsauffassung des LG Köln gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Die unterbliebene Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert des streitgegenständlichen Swap-Vertrages sei zudem kausal für den bei dem Kläger eingetretenen Vermögensschaden gewesen.

Der Schadensersatzanspruch des Klägers scheitere nach Auffassung des LG Köln auch nicht an der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede. § 37 a WpHG in der bis zum 04. August 2009 geltenden Fassung sei nicht geeignet, Ansprüche des Klägers kenntnisunabhängig verjähren zu lassen, weil die Vorschrift in der hier gegebenen Fallgestaltung nicht anwendbar sei. Der Umstand, dass es sich bei dem Abschluss des Swap-Vertrages um ein Finanztermingeschäft im Sinne von § 2 Abs. 2 a WpHG a.F. handele, rechtfertigt nach Ansicht des LG Köln keine abweichende Beurteilung.

Das OLG Köln als Berufungsinstanz verneinte in seiner Entscheidung vom 02. Mai 2018 eine Schadensersatzpflicht der Bank aus zwei Gesichtspunkten:

Das OLG Köln nahm zunächst an, dass etwaige Schadensersatzansprüche des Klägers aus einer Nichtaufklärung über einen anfänglichen negativen Marktwert nach § 37a WpHG a. F. kenntnisunabhängig verjährt sei. Bei dem streitgegenständlichen Zinssatz-Währungs-Swap-Anlageprodukt handele es sich gemäß §§ 2 Abs. 2 Nr. 1c, Abs. 2 Nr. 2 WpHG a.F. um ein Derivat. Bei der Beratung über den Erwerb eines solchen Anlageprodukts handele es sich nach Auffassung des OLG Köln daher um eine Wertpapiernebendienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 3a Nr. 3 WpHG a.F.

Nach Ansicht des OLG Köln gilt die kurze Verjährungsfrist des § 37a WpHG a.F. nicht für eine vorsätzliche Aufklärungs- und/oder Beratungspflichtverletzung. Ein – auch bedingt – vorsätzliches Verhalten der Bank in Bezug auf die unterlassene Aufklärung über den negativen Marktwert des Anlageprodukts liege jedoch nicht vor; auch ein vorsätzliches Organisationsverschulden könne insoweit nicht angenommen werden. Das Anlageprodukt,  bei dessen Abschluss von der Beklagten – spätestens auf die bewusste Einstrukturierung eines negativen Marktwertes hätte hingewiesen werden müssen – sei vom Kläger im Jahr 2003 geschlossen und im Jahr 2008 nochmals verlängert worden. Höchstrichterlich sei nach Auffassung des OLG Köln dagegen erstmals mit Urteil des BGH vom 22. März 2011 (XI ZR 33/10) eine Aufklärungspflicht der Bank über den von ihr bewusst in einen solchen Anlageprodukt einstrukturierten negativen Marktwert als Ausdruck eines schwerwiegenden Interessenkonflikts angenommen worden. Auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung finde sich vor dem 10. Februar 2009 keine Entscheidung, die eine entsprechende Aufklärungspflicht der beratenden Bank bejaht habe. Die beklagte Bank konnte daher in den Jahren 2003 und 2008 angesichts dessen davon ausgehen, über den von ihr in das streitgegenständliche Anlageprodukt einstrukturierten negativen Marktwert nicht aufklären zu müssen, so dass die beklagten Bank einem vorsatzausschließenden Rechtsirrtum unterlag.

Das OLG Köln vertrat des Weiteren die Rechtsauffassung, dass der Kläger auch eine Aufklärungspflichtverletzung der Bank nicht substantiiert dargelegt habe. Bei dem streitgegenständlichen Anlageprodukt handelte es sich nach der Einschätzung des Berufungsgerichts um ein einfach strukturiertes Anlageprodukt, bei dem wegen der Vereinbarung fester Zinssätze im Hinblick auf die wechselseitig zu leistenden Zahlungen lediglich ein Wechselkursrisiko bestand. Das Wechselkursrisiko sei dem Kläger indes bekannt gewesen.

Das OLG Köln ließ die Revision des Klägers nicht zu, wogegen sich der Kläger mit einer Nichtzulassungsbeschwerde richtete. Der BGH ließ die Nichtzulassungsbeschwerde sowie die Revision zu und hob das Berufungsurteil zum Teil auf.

2. Entscheidung des BGH

Der BGH geht in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2019 (Aktenzeichen: XI ZR 335/18) nicht auf die Anspruchsvoraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB mit Blick auf eine anleger- und objektgerechte Beratung näher ein. Der BGH widmet sich im Rahmen der Prüfung, ob etwaige Schadensersatzansprüche gegenüber der beklagten Bank nach § 37a WpHG a.F. verjährt sein könnten, der Darlegungs- und Beweislast der beklagten Bank im Zusammenhang mit den Zinssatz-Währungs-Swap-Verträgen der Jahre 2003 und 2008.

Beruft sich die beklagte Bank nach Ansicht des BGH darauf, dass ein Schadensersatzanspruch nach § 37a WpHG a.F. verjährt sei, weil die beklagte Bank nicht vorsätzlich gehandelt habe, so trägt nicht der geschädigte Anleger, der sich insoweit auf § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB berufen kann, die Darlegungs- und Beweislast für ein vorsätzliches Handeln der Bank. Vielmehr müsse die Bank darlegen und beweisen, dass sie die Pflichtverletzung nicht vorsätzlich begangen habe (Senatsbeschluss vom 5. Juni 2018 – XI ZR 388/16).

Nach Ansicht des BGH habe das OLG Köln das Nichtvorliegen der Vorsatzvermutung rechtsfehlerhaft angenommen, indem es davon ausging, dass die Bank auf der Grundlage der zum Aufklärungszeitpunkt veröffentlichten Rechtsprechung von dem Nichtbestehen einer Aufklärungspflicht über den anfänglichen negativen Marktwert ausgehen könne. Der BGH weist jedoch darauf hin, dass solch eine pauschale Behauptung nicht zur Widerlegung der Vorsatzvermutung ausreiche. Vielmehr bedürfe es einer einzelfallbezogenen Feststellung, ob Mitarbeiter oder Organe der beklagten Bank eine Aufklärungspflicht zum Zeitpunkt der Beratung noch nicht einmal für möglich gehalten haben.

Dr. Ingo Janert (Stand: 31. Oktober 2019, Fotograf: Stephan Baumann)

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