Wie eine persönliche Haftung in der Corona-Pandemie vermieden wird

Coronavirus

Vorstände von (börsennotierten) Aktiengesellschaften stehen vor dem Risiko der persönlichen Haftung, wenn nach der Überwindung der Corona-Pandemie bewertet wird, ob diese während der Pandemie ihre Pflichten verletzt haben und der Gesellschaft hierdurch ein Schaden entstanden ist. Der nachfolgende Beitrag geht darauf ein, was Manager während der Corona-Pandemie tun müssen, um eine persönliche Haftung zu vermeiden.

1. Corona-Pandemie als Herausforderung für das Management

Der Versuch, das laufende Business und in vielen Fällen die Existenz eines Unternehmens zu sichern, stellt Mitarbeiter, Vorstände und Aufsichtsräte in der aktuellen Corona-Krise und in der sich noch anschließenden Rezession vor großen Herausforderungen. Es sind etwa Entscheidungen zur Finanzierung des Unternehmens (z.B. Inanspruchnahme von Staatshilfen), zu arbeitsrechtliche Maßnahmen, zu laufenden Projekten und zu Vertragsbeziehungen zu treffen. Schließlich sind (verlängerte) Insolvenzantragspflichten und Zahlungsverbote nach Insolvenzreife zu beachten, um die persönliche Haftung zu vermeiden.

Die Krisenerfahrungen aus der Finanzkrise der Jahre 2008/2009 machen deutlich, dass zeitlich nach der Corona-Krise die während der Corona-Krise getroffenen Entscheidungen kritisch betrachtet und ggf. neu bewertet werden. Oftmals stellen sich getroffene Entscheidungen im Nachhinein als fehlerhaft dar, wodurch dem Unternehmen ein Schaden entstanden sein kann.

Wo individuelle Haftungsgefahren für den einzelnen Manager drohen, lässt sich nicht pauschal beantworten. Allerdings lassen sich bereits jetzt schon Risikofaktoren für eine künftige Managerhaftung identifizieren: Entscheidungen sind zum Teil unter hohen Zeitdruck getroffen worden, die Zusammenarbeit mit wichtigen Mitarbeitern wurde durch das Homeoffice erschwert, die Zusammenarbeit mit anderen Vorstandsmitgliedern und mit dem Aufsichtsrat verlief nicht so reibungslos wie in gewöhnlichen Zeiten und Entscheidungsprozesse wurden nicht ausreichend dokumentiert.

Wenn sich – möglicherweise begünstigt durch einen der vorgenannten Risikofaktoren – ein vom Vorstandsmitglied verursachter Schaden realisiert, kann dieser gem. § 93 Abs. 2 AktG gegenüber der Gesellschaft haften.

2. Steigerung der Klagebereitschaft in den vergangenen Jahren

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Vorstandsmitglied für einen während der Corona-Pandemie verursachten Schaden in Anspruch genommen wird, wird durch die Entwicklungen der vergangenen Jahre stark begünstigt.

So ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 1 AktG die Geschäftsführung zu überwachen und als Vertreter der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern nach § 112 AktG gegebenenfalls auch Schadensersatzansprüche gegen die Vorstandsmitglieder zu verfolgen hat (sog. ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung des BGH). Diese Rechtsprechung hat der BGH in seiner Easy-Software-Entscheidung vom 18. September 2018 noch einmal bekräftigt und die Aufsichtsratshaftung mit Blick auf die Verjährung verschärft.

Zudem haben sich in den vergangenen 20 Jahren die D&O-Versicherungen in der Praxis nahezu durchgesetzt. Da auf die D&O-Versicherung nur durch eine Inanspruchnahme des Vorstandsmitglieds zugegriffen werden kann, hat die Klagebereitschaft in den vergangenen Jahren immer mehr zugenommen. Durch die D&O-Versicherungen steht nunmehr für die Schadenskompensation nicht nur das Vorstandsvermögen, sondern auch das „deep pocket“ der D&O-Versicherung zur Verfügung.

Schließlich kommt hinzu, dass die Vorstandshaftung – gerade im Vergleich zur GmbH-Geschäftsführerhaftung – deutlich schärfer ist: Das Gesetz sieht in § 93 Abs. 2 S. 2 AktG eine Beweislastumkehr vor, die Verzichts- und Vergleichsmöglichkeiten sind nach § 93 Abs. 4 S. 3 AktG stark eingeschränkt und die Verjährung der Haftung beträgt bei börsennotierten Gesellschaften 10 Jahre (§ 93 Abs. 6 AktG).

3. Sorgfaltspflichten während der Corona-Pandemie

Auch während der Corona-Pandemie treffen die Vorstände börsennotierter Unternehmen die Verhaltensanforderungen des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG. Die aus meiner Sicht wichtigsten drei Sorgfaltspflichten mit Blick auf die Corona-Pandemie sind dabei:

  • Legalitätspflicht, d.h. Sorgfaltspflicht für ein eigenes regelkonformes Verhalten
  • Legalitätskontrollpflicht, d.h. Pflicht, auch auf unteren Unternehmensebenen der Missachtung gesetzlicher Regelungen entgegenzuwirken (sog. Compliance-Pflicht)
  • Allgemeine Sorgfaltspflicht des Vorstandsmitglieds zum Schutz des Gesellschaftsvermögens

Dass ein Vorstandsmitglied auch während der Corona-Pandemie sich selbst regelkonform verhalten muss (sog. Legalitätspflicht), bedarf keiner besonderen Erwähnung. Insbesondere ist das Vorstandsmitglied gehalten, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats einzuhalten und die kapitalmarktrechtlichen Grundpflichten (z.B. Einhaltung des Insiderhandelsverbots) zu berücksichtigen.

Die Legalitätskontrollpflicht sollte der Vorstand bereits schon vor der Corona-Pandemie erfüllt haben, indem er ein angemessenes Compliance-System etwa zur Erfüllung der kapitalmarktrechtlichen Veröffentlichungspflichten (z.B. Ad-hoc-Pflicht) im Unternehmen eingerichtet hat und dieses auch fortlaufend überwacht.

Im Mittelpunkt der Haftung während der Corona-Pandemie dürfte daher vor allem die allgemeine Sorgfaltspflicht zum Schutz des Gesellschaftsvermögens stehen. Gerade mit Blick auf die allgemeine Sorgfaltspflicht wird der Manager aber durch die Business-Judgement-Rule des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG bei unternehmerischen Entscheidungen geschützt. Nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG liegt eine Pflichtverletzung nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied eine unternehmerische Entscheidung trifft und dabei angenommen hat, auf der Basis angemessener Informationen zum Wohl der AG zu handeln und dies auch vernünftigerweise annehmen durfte. Durch diese Regelung soll gerade die Risikobereitschaft des Vorstands gefördert werden und Entscheidungssituationen Rechnung getragen werden, die von einem nicht unternehmerisch tätigem Richter in der Rückschau kaum rekonstruiert werden können (vgl. Hüffer/Koch, AktG, 14. Aufl. 2020, § 93 AktG, Rn. 8-11).

4. Vorsorgemaßnahmen in der Corona-Pandemie

Im Hinblick auf die Haftung während der Corona-Pandemie sollte ein Vorstandsmitglied vor allem die drei vorgenannten Sorgfaltspflichten immer im Blick haben und auch unter Zeitdruck die Einhaltung dieser Pflichten zumindest kurz schriftlich dokumentieren. Konkrete Beispiele hierfür sind:

  • Legalitätspflicht: Das Vorstandsmitglied sollte die erforderlichen Gremien-Zustimmungen zu anstehenden Maßnahmen einhalten und sich mit den Kollegen im Vorstand abstimmen; Geschäftsordnungen, Vertretungsbefugnisse und Ressortverteilungen sollten gerade auch in der Krise eingehalten werden.
  • Legalitätskontrollpflicht: Das Vorstandsmitglied sollte Entscheidungsprozesse und Entscheidungen jedenfalls auch per E-Mail dokumentieren und allgemein dafür Sorge tragen, dass von möglichst vielen telefonischen Abstimmungen mit Mitarbeitern, externen Beratern, Vorstandskollegen und Aufsichtsräten Notizen angefertigt werden.
  • Allgemeine Sorgfaltspflicht (Business-Judgement-Rule): Das Vorstandsmitglied sollte alle wesentlichen ökonomischen Parameter und wesentlichen Faktoren einer Entscheidung in Notizen festhalten; überdies sollte der Vorstand dokumentieren, dass er für wesentliche Entscheidungen (Rechts)-Rat eingeholt und eine eigene Plausibilitätsprüfung vorgenommen hat; allgemein sollte sich der Vorstand auch über die aktuellen gesetzlichen Regelungen zur Corona-Pandemie fortlaufend informieren. Hier gibt es einige gute Links zu Corona-Rechtsinformationen.

Dr. Ingo Janert (Stand: 09. Mai 2020, Bild von Gordon Johnson auf Pixabay)

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