BGH erweitert die Beraterhaftung

BGH
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Der BGH erweitert in seiner Entscheidung vom 21. November 2019 (Aktenzeichen: III ZR 422/18) die Beraterhaftung. Nach Ansicht des BGH kommt es für die Haftung von Beratern und Anlagevermittlern für zeitlich spätere Anlageentscheidungen, die auf der Grundlage der fehlerhaften Beratung erfolgten, entscheidend darauf an, ob der Kunde um einen Rat für eine einmalige Geldanlage oder für eine wiederholte Anlage noch unbestimmter Geldbeträge nachfragt hat.

1. Sachverhalt der Entscheidung

Der Kunde machte Schadensersatzansprüche aufgrund fehlerhafter Vermögensanlageberatung geltend.

Die Beklagte (nachfolgend auch nur „Berater“ genannt) , insbesondere ihr Mitarbeiter M., berieten den Kunden über 20 Jahre vor allem in Versicherungsangelegenheiten. Im Jahr 2005 war der Kunde auf der Suche nach einer Altersversorgung, woraufhin ihm der Mitarbeiter M. einige Renten- oder Lebensversicherungsprodukte vorstellte, welche allerdings nicht die Erwartungen des Kunden erfüllten. Daraufhin wies der Berater im Jahr 2006 auf eine Anlagemöglichkeit bei einem Rechtsanwalt hin, der neben seiner anwaltlichen Tätigkeit auch kurzfristige Kapitalanlagen zu guten und individuell auszuhandelnden Festzinsen anbot. Über die Einzelheiten der Anlage fanden keine weiteren Gespräche mehr statt.

Im Jahr 2007 überwies der Kunde die erstmalige Zahlung an den Rechtsanwalt und tätigte in den Folgejahren bis zum Jahr 2014 Überweisungen in Gesamthöhe von Euro 210.000,00, bis der Rechtsanwalt im Jahr 2014 verstarb. Daraufhin wurde das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet, wobei der Insolvenzmasse von Euro 400.000,00 Forderungen in Höhe von Euro 8 Millionen gegenüberstanden.

Der Kunde nahm daraufhin seinen Berater auf Schadensersatz in Anspruch, weil ihm die Anlagemöglichkeit beim Rechtsanwalt als absolut sicher, geeignet für seine Bedürfnisse, vertrauenswürdig und seriös empfohlen und eine Rendite von 8 Prozent p.a. in Aussicht gestellt wurde.

Das OLG Celle lehnte eine Schadensersatzverpflichtung des Beraters ab. Zwar nahm das Berufungsgericht den Abschluss eines Beratungsvertrages und eines entsprechenden Beratungsfehlers an. Das OLG Celle verneinte aber einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Beratungsfehler im Jahr 2007 und den zeitlich später getätigten Zahlungen an den Rechtsanwalt, weil vor den späteren Zahlungen ab dem Jahr 2008 eine erneute Beratung hätte stattfinden müssen, damit ein Zurechnungszusammenhang angenommen werden könne.

2. Entscheidung des BGH

Der 3. Senat des BGH widerspricht einigen Ausführungen des Berufungsgerichts, hob das angefochtene Urteil auf und verweis den Rechtsstreit zurück an das Berufungsgericht.

a. Abschluss des Beratungsvertrages

Der BGH weist in seiner Entscheidung zunächst darauf hin, dass

  • ein Angebot des Kunden darin erblickt werden könne, dass dieser auf eine (bestimmte) Anlageentscheidung bezogen die besonderen Kenntnisse und Verbindungen einer Person, die geschäftlich Beratungs- und Auskunftstätigkeit in Bezug auf Geldanlagen anbietet, in Anspruch nehmen wolle und
  • die Annahme dieses Angebots durch den Dienstleister zumindest stillschweigend darin erblickt werden kann, dass der Dienstleister die gewünschte Tätigkeit beginnt.

Der BGH wies ergänzend darauf hin, dass die fehlende Entgeltlichkeit und die bereits beendete Beratung die Annahme eines solchen Beratungsvertrages nicht hindere.

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechungsgrundsätze nahm das OLG Celle nach Ansicht des BGH zutreffend den Abschluss eines (unentgeltlichen) Beratungsvertrages an.

b. Verletzung der Beratungspflicht

Der BGH nahm des Weiteren auch an, dass der Berater seine Beratungspflicht verletzt habe.

Ein solcher Beratungsvertrag verpflichtete den Berater jedenfalls dazu, die Plausibilität der Anlage zu untersuchen und dem Kläger ihre diesbezüglichen Erkenntnisse mitzuteilen. Ob der Vertrag als Anlageberatung oder lediglich eine Anlagevermittlung zum Gegenstand hatte, musste nach Ansicht des BGH nicht entschieden werden, da in beiden Fällen der Dienstleister jedenfalls zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände verpflichtet sei, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind. Hierzu muss sich der Dienstleister grundsätzlich vorab hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Kapitalanlage und der Bonität des Kapitalsuchenden informieren.

Nach Ansicht des BGH habe der Berater diese Auskunftspflichten verletzt, indem dieser nicht die Wirtschaftlichkeit und Plausibilität der Kapitalanlage beim Rechtsanwalt geprüft und den Kunden auch nicht über die unterlassene Prüfung hingewiesen habe.

c. Vorliegen des Ursachenzusammenhangs?

Der BGH führte mit Blick auf eine etwaige Unterbrechung des Ursachenzusammenhangs zwischen der Verletzung der Beratungspflicht und den späteren Zahlungen an den Rechtsanwalt ab dem Jahr 2008 aus, dass der hierfür erforderliche Zurechnungszusammenhang dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit des Haftungsrisikos des Beraters dient.

Nach Auffassung des BGH ist der Schutzzweck einer Auskunfts- oder Beratungspflicht nicht stets auf den ersten Erwerb einer Anlage nach dem Gespräch, in dem die Empfehlung ausgesprochen worden ist, begrenzt. Vielmehr ist der Schutzzweck anhand des konkreten Vertrags im Wege der Auslegung im Einzelfall zu ermitteln.

Im Normalfall bezieht sich nach Auffassung des BGH die Beratung auf die Anlage eines (bestimmten) Geldbetrages, so dass bei zeitlich späteren Anlageentscheidungen der Ursachensachenzusammenhang nicht mehr anzunehmen sei. Es ist nach Auffassung des BGH aber auch denkbar, dass die Beratung nicht auf die Anlage eines (bestimmten) Geldbetrages beschränkt ist und daher die fehlerhafte Beratung auf spätere Anlageentscheidungen fortwirke.

Danach kommt es nach Ansicht des BGH entscheidend darauf an, ob der Kunde um einen Rat für eine einmalige Geldanlage oder um einen Rat für eine wiederholte Anlage noch unbestimmter Geldbeträge nachfragt. Um die hierfür erforderlichen Feststellungen zu treffen, verwies der BGH die Sache zurück an das OLG Celle.

Weitere praktisch wichtige Entscheidungen zum Kapitalmarktrecht finden Sie bitte hier.

Dr. Ingo Janert (05. Dezember 2019, BGH-Kontrollgebäude, Fotograf: Nikolay Kazakov)

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