Coronavirus: Wie sind Anleger zu informieren?

Kapitalmarktorientierte Unternehmen treffen im Zuge der Coronakrise gegenüber ihren Anlegern verschiedene gesetzliche Informationspflichten. Dieser Beitrag beleuchtet, wie die Aktionäre börsennotierter Unternehmen im Zusammenhang mit der Verbreitung des Coronavirus zu informieren sind.

1. Auswirkungen des Coronavirus auf die Realwirtschaft

Im Zuge der Ausbreitung des Coronavirus sind am vergangenen Montag, den 9. März 2020, weltweit die Börsenkurse eingebrochen. Auch wenn sich die Börsenkurse teilweise wieder erholt haben, steht zu erwarten, dass der weitere Verlauf der Verbreitung des Coronavirus in den kommenden Monaten nicht nur die Börsen weltweit, sondern auch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland wesentlich beeinflussen wird.

Deutsche kapitalmarktorientierte Unternehmen können in verschiedener Art und Weise von der Coronakrise betroffen sein. So können Unternehmen, die in Risikoländern (z.B. in China oder in Italien) ganz oder teilweise produzieren lassen, etwa von der Unterbrechung ihrer Lieferketten betroffen sein, oder durch die Verbreitung des Coronavirus kommt es in den jeweiligen Absatzmärkten zu erheblichen Umsatzeinbußen.

Welche Informationspflichten von der Coronakrise betroffene Unternehmen jetzt treffen, soll nachfolgend dargestellt werden.

2. Informationspflicht im Rahmen der Ad-hoc-Mitteilungspflicht

Eine sofort (ad hoc) zu erfüllende Informationspflicht kapitalmarktorientierter Unternehmen gegenüber ihren Anlegern kann sich aus dem Gesichtspunkt der Ad hoc-Mitteilungspflicht des Art. 17 MAR ergeben.

Alle Unternehmen, deren Finanzinstrumente (z.B. Aktien oder Anleihen) an einem regulierten Markt (z.B. Börse), an einem multilateralen Handelssystem (z.B. Freiverkehr) oder an einem organisierten Handelssystem (OTF) notiert sind oder bei denen die Zulassung zum Handel (nicht: Beantragung zum OTF) beantragt worden ist, trifft die Ad hoc-Pflicht des Art. 17 MAR. Diese Emittenten sind verpflichtet, Insiderinformationen, die den Emittenten unmittelbar betreffen, unverzüglich (d.h. ad hoc) der Öffentlichkeit bekannt zu machen.

Eine Insiderinformation i.S.d. Art. 7 MAR liegt vereinfacht immer dann vor, wenn eine nicht öffentlich bekannte präzise Information einen Emittenten- oder Wertpapierbezug hat und ihr weiter auch Kursrelevanz zukommt.

a. Nicht öffentlich bekannte präzise Information

Die Ad hoc-Mitteilungspflicht knüpft an eine nicht öffentlich bekannte präzise Information an.

Allein aus dem Umstand, dass die Medien derzeit intensiv über die Coronakrise und die Auswirkungen auf einzelne Branchen der Wirtschaft berichten, darf nicht der (falsche) Schluss gezogen werden, dass die Anleger bereits hinreichend über die Auswirkungen des Coronavirus auf den Emittenten informiert sind. Es kommt vielmehr für die kapitalmarktrechtliche Berichterstattung darauf an, welche konkrete Auswirkung die Coronakrise beim jeweiligen Emittenten hat bzw. noch haben wird.

Die Ad hoc-Mitteilungspflicht verlangt, dass für die Auswirkung der Coronakrise auf den Emittenten eine gewisse Eintrittswahrscheinlichkeit besteht. Erst dann, wenn die Auswirkung des Coronavirus etwa auf die Umsatzentwicklung des Emittenten überwiegend wahrscheinlich ist (50 % + x), müssen die Anleger hierüber informiert werden. Ist zum jetzigen Zeitpunkt eine derartige Umsatzeinbuße noch nicht absehbar, so bleibt das Unternehmen gleichwohl gehalten, die Entwicklung sorgfältig im Blick zu behalten.

b. Wertpapier- oder Emittentenbezug

Die Ad hoc-Mitteilungspflicht muss weiter einen Bezug entweder zum Wertpapier (z.B. die Aktien oder Anleihen des Unternehmens) oder zum Unternehmen haben. Im Zuge der Coronakrise dürfte es wohl eher darauf ankommen, ob die Coronakrise eine Auswirkung auf das Unternehmen des Emittenten hat.

Ein solcher sog. Emittentenbezug ist anzunehmen, wenn sich die Information auf die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage oder auf die (personelle) Organisation des Emittenten auswirken kann. Als praktische Beispiele für einen solchen Emittentenbezug sind im Zusammenhang mit der Coronakrise anzuführen:

  • Ausfall von wesentlichen in- und ausländischen Zulieferern des Emittenten (z.B. aus Risikoländern wie China oder Italien)
  • (Teil-) Schließung des Geschäftsbetriebes oder (Teil-) Einstellung der Produktion z.B. wegen Coronafällen in der Belegschaft
  • Umsatzrückgang in Absatzmärkten des Emittenten durch geändertes Kundenverhalten im In- oder Ausland, das im Zusammenhang mit der Coronakrise steht (z.B. Verzicht auf Investitionen oder Konsumzurückhaltung)
  • Inanspruchnahme von öffentlichen Hilfen im Zusammenhang mit der Coronakrise (z.B. Liquiditätshilfen der Bundesregierung)
  • Nicht nur vorübergehende Erkrankung von Führungskräften des Emittenten (z.B. Vorstandsmitglieder, zentrale Mitarbeiter etwa für Produktion, Einkauf oder Vertrieb)

c. Kursrelevanz der Information

Schließlich ist jeweils noch zu prüfen, ob ein sog. verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde, d. h. ob der Information eine Kursrelevanz zukommt.

Der weltweite Börseneinbruch am 9. März 2020 ist m.E. Ausdruck dafür, dass die Anleger sehr sensibel auf die Auswirkungen der Coronakrise auf die Unternehmen reagieren, so dass eine Kursrelevanz oftmals anzunehmen sein dürfte.

3. Informationspflicht im Rahmen der Regelpublizität

Unabhängig von der vorstehend dargestellten Ad hoc-Mitteilungspflicht sind die Emittenten weiter verpflichtet, im Lagebericht etwa zum Halbjahresfinanzbericht oder zum Jahresbericht auch Angaben über wesentliche Chancen und Risiken für die künftige Geschäftsentwicklung des Emittenten zu machen.

Im Rahmen der sog. Risikoberichterstattung sind die Unternehmen gehalten, Angaben darüber zu machen, welche Auswirkungen die Verbreitung des Coronavirus auf die künftige Geschäftsentwicklung des Unternehmens hat. Im Rahmen der sog. Prognoseberichterstattung muss der Vorstand weiter seine Einschätzung über die voraussichtliche Entwicklung und Ereignisse im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus erläutern und darstellen.

4. Grenzen der Kapitalmarktinformation

Im Zusammenhang mit der Coronakrise sollen schließlich noch zwei wichtige Grenzen der Kapitalmarktinformation dargestellt werden:

  • Bewertung der Ausbreitung des Coronavirus nur auf der Grundlage offizieller Empfehlungen staatlicher Institutionen (z.B. Robert-Koch-Institut), um eine Korrektur einer Mitteilungspflicht zu vermeiden und nicht Gefahr zu laufen, in den Bereich der (strafbaren) Marktmanipulation zu gelangen
  • Gleichbehandlung aller Anleger bei sonstigen Kapitalmarktinformationen gegenüber Anlegern, um nicht Gefahr zu laufen, große institutionelle Anleger gegenüber Kleinaktionären besser zu behandeln.

Dr. Ingo Janert (Stand: 11. März 2020, Bild von Alexandra Koch auf Pixabay)

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