Verlegung oder Abhaltung der Hauptversammlung 2020?

Coronavirus

In diesem Beitrag soll auf die Frage eingegangen werden, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine Verlegung oder Abhaltung der Hauptversammlung 2020 in Betracht kommt.

Die Stand Anfang April 2020 geltenden Kontaktverbote zur Ausbreitung der Corona-Pandemie in Deutschland werfen auch die Frage auf, ob die Hauptversammlung 2020 börsennotierter Unternehmen verlegt oder abgehalten werden soll.

Der Bundesgesetzgeber hat mit dem Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID 19-Pandemie vom 27. März 2020 (nachfolgend auch nur „Maßnahmegesetz“ genannt) auf diese Frage reagiert. Das Maßnahmegesetz ermöglicht einerseits die Verlegung der ordentlichen Hauptversammlung 2020 sowie andererseits auch die Abhaltung der ordentlichen Hauptversammlung als vereinfachte virtuelle Hauptversammlung.

1. Verlegung der Hauptversammlung 2020

Nach dem Aktienrecht hat die ordentliche Hauptversammlung in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahrs der Gesellschaft stattzufinden. Nach § 1 Abs. 5 des Maßnahmengesetzes kann der Vorstand abweichend von § 175 Abs. 1 S. 2 AktG entscheiden, ob die ordentliche Hauptversammlung 2020 innerhalb der 8-Monatsfrist stattfinden soll oder nicht.

Die Entscheidung des Vorstands bedarf der Zustimmung des Aufsichtsrats (§ 1 Abs. 6 S. 1 des Maßnahmegesetzes). Der Beschluss des Aufsichtsrats kann dabei schriftlich, fernmündlich oder in sonstiger Weise ohne physische Anwesenheit der Aufsichtsratsmitglieder gefasst werden (§ 1 Abs. 6 S. 2 des Maßnahmegesetzes).

Die Entscheidung des Vorstands, ob die Hauptversammlung gleichwohl innerhalb der 8-Monatsfrist abgehalten werden soll, beurteilt sich vor allem auch danach, ob die Gesellschaft in der Lage ist, eine virtuelle Hauptversammlung entsprechend den Erfordernissen des § 1 Abs. 1 bis 5 des Maßnahmegesetzes abzuhalten.

2. Abhaltung als vereinfachte virtuelle Hauptversammlung 2020

Das Maßnahmegesetz sieht in § 1 Abs. 1 bis 5 des Maßnahmegesetzes nachfolgende Regelungen der Abhaltung der ordentlichen Hauptversammlung als vereinfachte virtuelle Hauptversammlung vor:

a. Vereinfachte Einberufung der Hauptversammlung

Zur Vereinfachung der Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung für das Jahr 2020 sieht das Maßnahmegesetz von den aktienrechtlichen oder satzungsrechtlichen Bestimmungen abweichende Regelungen vor:

  • die Einberufungsfrist kann auf 21 Tage verkürzt werden,
  • die Frist zum Nachweis des Anteilsbesitzes wird auf den Beginn des 12. Tages der Hauptversammlung verkürzt und muss bei Inhaberaktien der Gesellschaft unter der in der Einberufung hierfür mitgeteilten Adresse mindestens 4 Tage vor der Hauptversammlung zugehen, soweit der Vorstand keine kürzere Frist für den Zugang des Nachweises in der Einberufung vorsieht,
  • die Mitteilungsfristen der § 125 Abs. 1 und Abs. 2 AktG werden jeweils entsprechend auf zwölf Tage verkürzt,
  • Ergänzungsverlangen nach § 122 Abs. 2 AktG müssen nur noch innerhalb einer Frist von 14 Tagen vor der Hauptversammlung der Gesellschaft zugehen.

Die vereinfachte Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung nach § 1 Abs. 3 des Maßnahmegesetzes bedarf wiederum der Zustimmung des Aufsichtsrats (§ 1 Abs. 6 Satz 1 des Maßnahmengesetzes).

b. Virtuelle Abhaltung der Hauptversammlung

Die ordentliche Hauptversammlung 2020 kann als virtuelle Hauptversammlung aufgrund einer Entscheidung des Vorstands, der gemäß § 1 Abs. 6 S. 1 des Maßnahmegesetzes wiederum der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf, abgehalten werden, wenn nachfolgende Erfordernisse seitens der Gesellschaft eingehalten werden können:

  • die Bild- und Tonübertragung der gesamten Hauptversammlung ist gewährleistet,
  • die Stimmrechtsausübung der Aktionäre über elektronische Kommunikation (Briefwahl oder elektronische Kommunikation) sowie Vollmachtserteilung ist möglich,
  • den Aktionären wird die Fragemöglichkeit im Wege der elektronischen Kommunikation eingeräumt,
  • den Aktionären wird die Möglichkeit eingeräumt, auch ohne Erscheinen in der Hauptversammlung Widerspruch zu einem Beschluss der Hauptversammlung zu erheben,
  • der Vorstand kann nach pflichtgemäßem freiem Ermessen entscheiden, welche Frage er wie beantwortet; der Vorstand kann auch bestimmen, dass Fragen bis spätestens zwei Tage vor der Hauptversammlung im Wege der elektronischen Kommunikation einzureichen sind.

Das Maßnahmegesetz sieht darüber hinaus zwei weitere Erleichterungen im Hinblick auf die Abhaltung der Hauptversammlung 2020 vor:

  • der Vorstand kann mit Zustimmung des Aufsichtsrats abweichend von den gesetzlichen oder satzungsrechtlichen Bestimmungen bestimmen, dass nur ein Abschlag auf den Bilanzgewinn an die Aktionäre gezahlt wird (§ 1 Abs. 4 des Maßnahmegesetzes),
  • die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen wird vor allem mit Blick auf die Einberufung zur Hauptversammlung eingeschränkt (§ 1 Abs. 7 des Maßnahmegesetzes).

Die vorstehenden Ausführungen gelten unmittelbar für die Abhaltung der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft. § 1 Abs. 8 des Maßnahmegesetzes bestimmt, dass die vorstehenden Regeln über die Verlegung oder Abhaltung der Hauptversammlung 2020 als vereinfachte virtuelle Hauptversammlung grundsätzlich auch für die Versammlungen der Kommanditgesellschaft auf Aktien sowie für die Europäische Gesellschaft (SE) gelten.

Dr. Ingo Janert (Stand: 05. April 2020, Bild von Daniel Roberts auf Pixabay )

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