
In diesem Beitrag geht es thematisch um den Rückzug von der Börse (Delisting) als Umkehrbewegung der Going-Public-Bewegung in den letzten Jahren. Vorteile des Rückzuges von der Börse sind etwa der Entfall der Kosten der regelmäßigen Publizitäts- und Mitteilungspflichten, Entfall von Investor-Relations-Kosten und eine Reduzierung der regelmäßigen Plenarsitzungen des Aufsichtsrats auf zwei Sitzungen pro Jahr.
1. Unterscheidung zwischen verschiedenen Formen des Delisting
Mit dem Börsenrückzug ist in den meisten Fällen der vollständige Rückzug vom Regulierten Markt verbunden, so dass keine Aktien mehr an der Börse notiert sind.
Allen Formen des Börsenrückzuges ist gemeinsam, dass die Wertpapiere nicht mehr an einem Regulierten Markt notiert werden. Da der Freiverkehr nur ein privatrechtlich organisierter Markt unter dem Dach des jeweiligen Freiverkehrsträgers ist, handelt es sich beim Rückzug vom Freiverkehr nach der h.M. nicht um ein Delisting, so dass § 39 BörsG in diesem Fall weder direkt noch analog zur Anwendung gelangt. Vielmehr erfolgt die Beendigung der Notierung der Wertpapiere im Freiverkehr durch Kündigung nach Maßgabe der einschlägigen Freiverkehrsrichtlinie.
Mit Blick auf das Delisting sind nachfolgende Arten zu unterscheiden:
a. Reguläres Delisting
Von einem regulären Delisting spricht man immer dann, wenn sich der Emittent aus dem Regulierten Markt an allen Bösen zurückzieht (§ 39 Abs. 1 und 2 BörsG). Dies kann zum einen durch einen Widerruf der Zulassung der Wertpapiere durch die Börsenaufsicht (z.B. Nichterfüllung der Zulassungsfolgepflichten des Emittenten trotz angemessener Fristsetzung) sowie zum anderen aufgrund des Antrages des Emittenten selbst (z.B. Entscheidung des Emittenten zum Rückzug von der Börse) erfolgen.
b. Cold Delisting
Von einem Cold Delisting wird immer dann gesprochen, wenn der Börsenrückzug durch gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen vollzogen wird. Wichtigste Maßnahmen sind etwa die Umwandlung der Gesellschaft in eine von der AG und der KGaA abweichenden Rechtsform (z.B. in eine GmbH) oder die Verschmelzung einer börsennotierten Gesellschaft auf eine Gesellschaft, deren Wertpapiere nicht an einer Börse notiert sind.
c. Downgrading
Von einem Downgrading wird immer dann gesprochen, wenn die Wertpapiere des Emittenten nicht mehr im Regulierten Markt, sondern nur noch im Freiverkehr gehandelt werden sollen. Da die Wertpapiere bei einem Downgrading nur noch im privatrechtlich organisierten Freiverkehr notiert sein sollen, finden die Bestimmungen des Delisting auch auf das Downgrading Anwendung.
2. Schutz des Anlegers beim Delisting
Der Schutz der Anleger beim Delisting erfolgt seit dem Jahr 2015 durch die nachfolgenden gesetzlichen Bestimmungen des BörsG:
- Bei Wertpapieren, die an einer Wertpapierbörse notiert sind, muss dem Delisting-Antrag des Emittenten ein Abfindungsangebot nach den Bestimmungen des WpÜG vorausgegangen sein (§ 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 BörsG, sog. Exit-Angebot) oder die Wertpapiere müssen noch an einem anderen Regulierten Markt zum Handel zugelassen bleiben (§ 39 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 BörsG, sog. Teil-Delisting).
- Bei allen Wertpapieren darf der Widerruf der Börsenzulassung nicht dem Schutz des Anlegers widersprechen (§ 39 Abs. 2 S. 2 BörsG).
Ein Hauptversammlungbeschluss der Gesellschaft ist aber für ein Delisting nicht mehr erforderlich (vgl. Frosta-Beschluss des BGH vom 08. Oktober 2013). Da es sich bei dem Delisting nicht um eine Strukturentscheidung bezüglich der Gesellschaft handelt, liegt insoweit kein Fall einer ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz vor.
Angesichts der Stärkung des Anlegerschutzes nach den vorstehend genannten Bestimmungen des BörsG ist auch für die Annahme, dass der einzelne Anleger gegen den Widerrufsbescheid Widerspruch bzw. Klage erheben kann, weil § 39 BörsG als drittschützend zu qualifizieren sei, der Boden entzogen (h.M.).
Dr. Ingo Janert (Stand: 14. Oktober 2021, Bild von Pexels auf Pixabay)
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