Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts

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In diesem Beitrag werden die Rechtsquellen des Kapitalmarktrechts in Deutschland dargestellt. In Deutschland gibt es kein einheitliches Gesetz, indem das gesamte Kapitalmarktrecht kodifiziert ist, sondern das Kapitalmarktrecht ist in verschiedenen europäischen Rechtsakten (z.B. MAR-Verordnung) und Gesetzen (z.B. WpHG oder KAGB) geregelt, was die Rechtsfindung etwas erschwert (wie hier auch Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 3).

1. Die wichtigsten Gesetzesbestimmungen

Die wichtigsten Gesetzesbestimmungen des deutschen Kapitalmarktrechts sind:

EU-Marktmissbrauchsverordnung (MAR) und Wertpapierhandelsgesetz (WpHG):  Die MAR (VO (EU) 596/2014) und das WpHG bilden die Grundregeln des Kapitalmarktrechts ab.

Börsengesetz (BörsG): Das BörsG enthält die Grundregeln der Organisation deutscher Börsen. Es enthält außerdem Publizitäts-, Verhaltens- und Schadensersatzpflichten, die für den regulierten Markt sowie teilweise auch für den Freiverkehr gelten. Zum Regelwerk des Börsengesetzes gehören auch die Börsenordnungen und Satzungen der jeweiligen Börsen.

Die Europäische Finanzmarktverordnung (Markets in Financial Instruments Regulation, sog. MiFIR) gibt weiter den europäisch einheitlichen Rechtsrahmen zur Regulierung der einzelnen Handelssysteme am Finanzmarkt vor.

Wertpapierprospektverordnung 2017/1129 vom 14. Juni 2017, Delegierte Verordnung 2019/979 vom 14. März 2019 und Wertpapierprospektgesetz (WpPG): Die europäische Wertpapierrecht und das deutsche Wertpapierrecht regeln die gesetzlichen Mindestangaben für einen Wertpapierprospekt (bzw. ein Wertpapier-Informationsblatt) im Fall einer Wertpapieremission oder einer Zulassung von neuen Wertpapieren zum Börsenhandel. Die §§ 8 ff. WpPG normieren die Prospekthaftung für Wertpapiere.

Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB): Das im Sommer 2013 in Kraft getretene KAGB setzt den Regelungsrahmen für Beteiligungen an einem Investmentvermögen.

Vermögensanlagengesetz (VermAnlG): Das VermAnlG regelt die Prospektpflicht sowie das Prüfungs-, Hinterlegungs- sowie Veröffentlichungsverfahren für Vermögensanlagen.

Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG): Das im Jahr 2002 in Kraft getretene WpÜG regelt öffentliche Angebote zum Erwerb von Aktien oder vergleichbaren Papieren einer börsennotierten Kapitalgesellschaft.

Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG): Das seit dem Jahr 2005 in Kraft getretene Gesetz ermöglicht Musterverfahren wegen fehlerhafter Kapitalmarktinformation.

Die im Januar 2021 in Kraft getretene KMU-Wachstumsmärkte-VO (VO (EU) 2019/2115) soll durch eine Änderung in der MAR, der WertpapierprospektVO und der MiFID II kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) die Tätigkeit am Kapitalmarkt erleichtern und die Nutzung von KMU-Wachstumsmärkten fördern.

2. Nicht gesetzliche Rechtsquellen  

Untergesetzliches Recht: Die kapitalmarktrechtlichen Gesetze, wie etwa das WpHG, werden durch zahlreiche Verordnungen konkretisiert bzw. ergänzt. Darüberhinaus gibt es norminterpretierende Verwaltungsvorschriften, wie z.B. der Emittenleitfaden der BaFin oder die Rundschreiben der BaFin. Diese norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften stellen selbst keine Rechtsnormen dar und binden insoweit nur die BaFin, nicht aber auch die Gerichte.

Richterrecht: Vor allem zum Schutz der Anleger hat die Rechtsprechung u.a das gesellschaftsrechtliche Sonderrecht für Publikumspersonengesellschaften (z.B. Kommanditgesellschaft) sowie verschiedene Grundsätze zur Schadensersatzpflicht der Emittenten bei kapitalmarktrechtlichen Falschinformationen geschaffen.

Gemeinschaftsrecht: Grundlage der kapitalmarktrechtlichen Entwicklung der vergangenen Jahre ist vor allem das europäische Gemeinschaftsrecht gewesen. Wichtige kapitalmarktrechtliche Regelungen finden sich heute nicht mehr in nationalen Gesetzen, sondern in europäischen Verordnungen (z.B. MAR-Verordnung oder Wertpapierprospektverordnung), die in allen Mitgliedstaaten der EU unmittelbar anwendbares Recht darstellen.

Dr. Ingo Janert (Stand: 14. Oktober 2021, Bild von Free-Photos auf Pixabay)