Zur geplanten Reform des Vermögensanlagenrechts

Reform des Vermögensanlagerechts

Die Bundesregierung hat am 22. Dezember 2020 einen Entwurf zur weiteren Stärkung des Anlegerschutzes vor allem bei Vermögensanlagen veröffentlicht. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die geplante Reform des Vermögensanlagenrechts.

Update: Das Gesetz zur weiteren Stärkung des Anlegerschutzes vom 09. Juli 2021 ist teilweise bereits in Kraft getreten. Die Informationen zum Gesetzgebungsprozess und das verkündete Gesetz finden Sie hier.

1. Kurzübersicht über das Gesetzesvorhaben

Mittels Vermögensanlagen können Anleger z.B. in Sachgüter investieren. Die Vermögensanlagen stellen neben den Wertpapieren und dem Investmentvermögen die dritte Kategorie von Anlagevehikeln dar und sind umfassend im Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) geregelt.

Die Bundesregierung beabsichtigt, das Vermögenanlagenrecht wie folgt zu reformieren:

  • Verbot von Blindpool-Vermögensanlagen
  • Verbot des Eigenvertriebs von Vermögensanlagen
  • Einführung einer Mittelverwendungskontrolle bei Sachinvestments
  • Konkretisierung der Ad-hoc-Pflichten bei Vermögensanlagen

2. Die geplanten Änderungen im Einzelüberblick

Der Referentenentwurf des Bundesfinanzministerium vom 22. Dezember 2020 beinhaltet nachfolgende Änderungen:

a.  Verbot von Blindpool-Vermögensanlagen

Nach § 5b Abs. 2 VermAnlG-RefE sollen Vermögensanlagen, bei denen das Anlageobjekt zum Zeitpunkt der Erstellung des Verkaufsprospekts oder in Fällen des § 2a VermAnlG zum Zeitpunkt der Erstellung des Vermögensanlagen-Informationsblatts nicht konkret bestimmt ist, zum öffentlichen Angebot im Inland nicht zugelassen sein.

Bei Blindpool-Konstruktionen, die einen hohen Anteil bei Vermögensanlagen ausmachen, ist das Anlageobjekt weniger konkret beschrieben und die Angabentiefe im Verkaufsprospekt deutlich geringer als sonst. Daher sollen Vermögensanlagen künftig nicht mehr für Privatanleger zum öffentlichen Angebot zugelassen werden (vgl. S. 19 Referentenentwurf).

Verboten sollen zukünftig nicht nur reine Blindpools sein, bei denen weder ein konkretes Anlageobjekt festgelegt ist, noch eine Branche, in die investiert werden soll. Verboten werden vor allem auch die in der Praxis relevanteren sog. Semi-Blindpool-Konstruktionen. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass zwar die Branche, in die investiert werden soll, feststeht, nicht aber das konkrete Anlageobjekt (vgl. S. 19 Referentenentwurf).

Nach dem Referentenentwurf ist bei sog. Mehrebenenstrukturen, in denen die Anlegergelder über zwischengeschaltete Projekt- oder Betreibergesellschaften investiert werden, ein verbotener Semi-Blindpool anzunehmen, wenn die Projekt- oder Betreibergesellschaft über die in eine bestimmte Branche bzw. ein bestimmtes Anlageobjekt investiert werden soll, noch nicht feststeht, als auch dann, wenn die zwischengeschalteten Gesellschaften zwar bekannt sind, diese aber noch nicht wissen, in welche konkreten Anlageobjekte sie investieren (vgl. S. 19 Referentenentwurf).

Das Verbot von Blindpool-Anlagen soll gemäß § 5b Abs. 4 VermAnlG-RefE nicht gelten, sofern sich das Angebot der Vermögensanlagen ausschließlich an eine Kapitalgesellschaft oder GmbH & Co. KG richtet, deren Kommanditisten gleichzeitig Gesellschafter der GmbH sind oder an der Entscheidungsfindung der GmbH beteiligt sind, sofern die GmbH & Co. KG kein Investmentvermögen und keine Verwaltungsgesellschaft nach dem KAGB ist.

b. Verbot des Eigenvertriebs von Vermögensanlagen

Gerade im Fall des Eigenvertriebs durch den Anbieter der Vermögensanlage fehlt es regelmäßig an einer Geeignetheitsprüfung der Vermögensanlage für den Anleger. Da der Anbieter zudem ein starkes Interesse an einer erfolgreichen Platzierung seiner Vermögensanlage hat, verbietet § 5b Abs. 2 VermAnlG-RefE im Ergebnis den Eigenvertrieb von Vermögensanlagen, indem nur solche Vermögensanlagen zukünftig zugelassen werden dürfen, die im Wege der Anlageberatung oder Anlagevermittlung durch ein Finanzdienstleistungsinstitut oder einen Finanzanlagenvermittler vertrieben werden.

Nach Ansicht des Bundesfinanzministeriums soll dadurch sichergestellt werden, dass künftig in jedem Fall zumindest eine Angemessenheitsprüfung durchzuführen ist. Ein Vertrieb von Vermögensanlagen als reines Ausführungsgeschäft („execution only“) nach § 63 Absatz 11 WpHG scheidet aufgrund der Komplexität dieser Finanzinstrumente nach Sicht des Ministeriums aus (vgl. S. 21 Referentenentwurf).

Den Fall, dass eine Personenidentität zwischen dem Anlagevermittler/-berater und dem Anbieter besteht, hält des Bundesfinanzministerium indes nicht für kritisch. Grund hierfür ist, dass bereits durch die Aufsicht über die Finanzdienstleistungsinstitute und Finanzanlagenvermittler ein hinreichender Schutz für die Anleger gewährleistet sei (vgl. S. 19 Referentenentwurf).

Von dem Verbot des Eigenvertriebs macht wiederum § 5b Abs. 4 VermAnlG-RefE eine entsprechende Ausnahme.

c.  Einführung einer Mittelverwendungskontrolle bei Sachinvestments

Als Konsequenz aus der P&R- Insolvenz verlangt § 5c VermAnlG-RefE zukünftig beim Vertrieb von Sachinvestments (z.B. Container) die Einschaltung eines unabhängigen Mittelverwendungskontrolleurs. Das Bundesfinanzministerium führt als Beispiele für solche geeigneten und unabhängigen Mittelverwendungskontrolleure Rechtanwälte und Wirtschaftsprüfer an (vgl. S. 20 Referentenentwurf).

Aufgabe des Mittelverwendungskontrolleurs soll es künftig sein, die tatsächliche Verwendung der Anlegergelder nach Beginn des öffentlichen Angebots der Vermögensanlage zu kontrollieren und sogar bereits im Vorfeld die eingesammelten Anlegergelder erst dann freizugeben, wenn bestimmte, in einem Vertrag über die Mittelverwendungskontrolle festgelegte Kriterien durch den Anbieter erfüllt sind. Im Ergebnis geht es der Bundesregierung mit Blick auf den P&R-Skandal vor allem darum, sicherzustellen, dass es die Sachgüter, in die die Anleger investieren, überhaupt tatsächlich gibt.

In inhaltlicher Sicht versteht das Bundesfinanzministerium den Begriff des Sachgutes weit, so dass sowohl körperliche Gegenstände, wie z.B. Container, aber auch Tiere nach § 90a BGB und Grundstücke samt der mit ihnen verbundenen Gegenstände wie z.B. Gebäude, Immobilien im weiten Sinne und Bäume als Anlageobjekte erfasst sein sollen (vgl. S. 20 Referentenentwurf).

Nach Ansicht des Ministeriums soll § 5c des VermAnlG-RefE nicht nur Sachinvestments erfassen, die unmittelbar den Erwerb eines Sachgutes oder eines Rechts an einem Sachgut oder die Pacht von Sachgütern wie z.B. Container oder Bäume zum Gegenstand haben (sog. unmittelbare Sachinvestments, § 1 Abs. 7 VermAnlG). Unter die Neuregelung sollen auch die Fälle fallen, in denen Anlegergelder von dem Emittenten einer entsprechenden Vermögensanlage an andere Gesellschaften (z.B. an eine Zweckgesellschaft) weitergereicht werden, die dann erst auf einer weiteren Ebene konkrete Anlageobjekte oder Rechte daran erwerben oder diese Sachgüter pachten (sog. mittelbare Sachinvestments, § 1 Abs. 3 bis 6 VermAnlG) (vgl. S. 20 Referentenentwurf).

Der Mittelverwendungskontrolleur hat dabei eine laufende (d.h. spätestens sechs Monate nach Beginn des öffentlichen Angebots und fortlaufend mindestens alle sechs Monate bis zur ordnungsgemäßen Verwendung aller Anlegergelder) und eine abschließende Mittelverwendungskontrolle (d.h. Prüfung, ob die Anlegergelder vollständig investiert wurden) vorzunehmen. Er hat hierüber einen im Bundesanzeiger zu veröffentlichen Bericht nebst Bestätigungsvermerk oder einem Vermerk über die Versagung der Bestätigung, ob die Mittelverwendung ordnungsgemäß erfolgte oder nicht, zu verfassen. Das Ergebnis der Mittelverwendungskontrolle ist dabei ggf. nach den §§ 11, 11a VermAnlG ad-hoc-pflichtig.

Von dem Gebot der Einschaltung eines Mittelverwendungskontrolleurs macht wiederum § 5c Abs. 4 VermAnlG-RefE eine Ausnahme, die der Ausnahme des § 5b Abs. 4 VermAnlG-RefE nachgebildet ist.

Im Zusammenhang mit der Einführung eines Mittelverwendungskontrolleurs ist darüber hinaus die ergänzende Neuregelung in § 18 Abs. 1 Nummer 1 VermAnlG-RefE zu sehen: Der BaFin steht ein Untersagungsrecht zu, wenn das Ergebnis der Mittelverwendungskontrolle eine erheblich abweichende Verwendung der freigegebenen Mittel feststellt.

d. Konkretisierung der Ad-hoc-Pflichten bei Vermögensanlagen

§ 11a Abs. 1 S. 1 VermAnlG bestimmt, dass der Emittent einer Vermögensanlage nach der Beendigung des öffentlichen Angebots verpflichtet ist, jede Tatsache, die sich auf ihn oder die von ihm emittierte Vermögensanlage unmittelbar bezieht und nicht öffentlich bekannt ist, unverzüglich zu veröffentlichen, wenn sie geeignet ist, die Fähigkeit des Emittenten zur Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber dem Anleger erheblich zu beeinträchtigen (sog. ad-hoc-Pflicht).

Als neue – für die Praxis sehr bedeutsame – Regelbeispiele für ad-hoc-pflichtige Tatsachen führt § 11a Abs. 1 S. 2 VermAnlG-RefE nunmehr an:

  • die drohende Zahlungsunfähigkeit des Emittenten,
  • ein Zahlungsverzug des Emittenten gegenüber Anlegern von Vermögensanlagen,
  • die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen von Gesellschaften, gegenüber denen der Emittent erhebliche Zahlungsforderungen hat oder deren Insolvenz zu einer Zahlungsunfähigkeit des Emittenten führen kann,
  • die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Konzernmitglieds des Emittenten, sofern dies zu einem Zahlungsverzug des Emittenten gegenüber den Anlegern oder einer Zahlungsunfähigkeit des Emittenten führen kann sowie
  • der Ausfall von wesentlichen Vertragspartnern des Emittenten.

Die Frage, wie mit vom Mittelverwendungskontrolleur festgestellten Abweichungen von der prospektierten planmäßigen Verwendung der Anlegergelder umzugehen ist, beurteilt das Ministerium wie folgt: § 11a Abs. 1 S.1 VermAnlG hat als lex generalis eine eigenständige Bedeutung, so dass unwesentliche Abweichungen nicht ad-hoc-pflichtig seien (vgl. S. 23 Referentenentwurf).

Dr. Ingo Janert (Stand: 19. Oktober 2021, Bild von Alexander Kliem auf Pixabay)