In diesem Beitrag soll ein kurzer Überblick über wesentliche Entwicklungen des Kapitalmarktrechts für den Zeitraum von September 2020 bis Anfang Dezember 2020 gegeben werden. Frühere Entwicklungen finden Sie bitte hier.
1. Veröffentlichung der Strategie für ein digitales Finanzwesen in der EU
Die EU-Kommission hat am 24. September 2020 ihre Strategie für ein europäisches digitales Finanzwesen veröffentlicht. Danach sollen die EU-Maßnahmen zur Förderung des digitalen Wandels bis 2024 von den nachfolgenden vier Prioritäten geleitet werden:
- Beseitigung der Fragmentierung des digitalen Binnenmarkts: Bis 2024 soll die EU einen Rechtsrahmen schaffen, der in Bezug auf die Nutzung digitaler Identitäten interoperable Lösungen ermöglicht, sodass neue Kunden rasch und problemlos grenzüberschreitend auf Finanzdienstleistungen zugreifen können und problemlos mit an Bord genommen werden (sog. Onboarding); des Weiteren sollen für digitale Finanzdienstleistungen die Prinzipien des „Europäische Passes“ und der Lizenzvergabe „aus einer Hand“ gelten.
- Anpassung des EU-Rechtsrahmens zur Erleichterung digitaler Innovationen: Die Kommission schlägt einen neuen EU-Rechtsrahmen für Kryptowerte vor, der auch an Vermögenswerte geknüpfte Tokens (sog. Stablecoins) und Utility-Tokens erfasst. Die Kommission will durch regelmäßige Überprüfungen sicherstellen, dass regulatorische Innovationshindernisse beseitigt werden.
- Förderung datengestützter Innovationen im Finanzwesen durch Schaffung eines gemeinsamen Finanzdatenraums: Die Kommission will durch eine Änderung der EU-Rechtsvorschriften sicherstellen, dass offengelegte Informationen in standardisierten, maschinenlesbaren Formaten verfügbar sind, und eine EU-finanzierte Infrastruktur für Offenlegungen einrichten. Weiter will sie bis 2021 eine Strategie für aufsichtliche Daten vorlegen. Schließlich will sie bis Mitte 2022 einen Legislativvorschlag für einen neuen Rahmen für ein offenes Finanzwesen vorlegen.
- Bewältigung der mit dem digitalen Wandel verbundenen Herausforderungen und Risiken: Die Kommission will bis Mitte 2022 die aus Sicht des Verbraucherschutzes und der Aufsichtsvorschriften erforderlichen Anpassungen des bestehenden Rechtsrahmens für Finanzdienstleistungen vorschlagen, um die Endnutzer des digitalen Finanzwesens zu schützen, die Finanzstabilität zu wahren, die Integrität des EU-Finanzsektors zu schützen und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten.
2. Veröffentlichung der EU-Verordnung über Europäische Schwarmfinanzierer
Die Verordnung (EU) 2020/1503 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Oktober 2020 über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister für Unternehmen wurde im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Ebenfalls wurde die thematisch dazugehörige Richtlinie (EU) 2020/1504 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Oktober 2020 zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente veröffentlicht.
3. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG)
In Reaktion auf den Wirecard-Skandal hat das Bundesministerium der Finanzen am 26. Oktober 2020 den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) veröffentlicht.
Nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums haben die Vorkommnisse rund um den Wirecard-Skandal gezeigt, dass insbesondere die Bilanzkontrolle gestärkt und die Abschlussprüfung weiter reguliert werden müssen, um die Richtigkeit der Rechnungslegungsunterlagen von Unternehmen sicherzustellen. Zudem hat das Ministerium auch bei den Aufsichtsstrukturen und den Befugnissen der BaFin bei der Prüfung von Auslagerungen seitens der Finanzdienstleistungsunternehmen Optimierungsbedarf ausgemacht.
4. Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Covered-Bonds-Richtlinie
Am 02. Oktober 2020 hat das Bundesfinanzministerium den Gesetzentwurf zur Umsetzung der Covered-Bonds-Richtlinie 2019/2162 veröffentlicht.
Das deutsche Pfandbriefgesetz erfüllt bereits weitestgehend die Anforderungen der Covered-Bonds-Richtlinie. Mit der Richtlinie sollen die unterschiedlichen Regelungen in der EU mindestharmonisiert werden. Durch die Mindestharmonisierung wird die europäische Kapitalmarktunion gestärkt werden. Die Umsetzungsfrist für die Richtlinie ist der 8. Juli 2021.
Gesetzliche Änderungen sind nur in wenigen Punkten vorgesehen und betreffen insbesondere den Schutz der Bezeichnungen „European Covered Bond“ und „European Covered Bond (Premium)“, die durch die Covered-Bonds-Richtlinie geschaffen wurden. Diese Begriffe sollen künftig zusätzlich zum Begriff „Pfandbrief“ verwendet werden können.
5. Berichte und Konsultationen der BaFin
a. Die BaFin hat am 1. September 2020 Leitlinien zur Allgemeinverfügung vom 23. Juli 2019 im Hinblick auf finanzielle Differenzkontrakte (sog. Contracts for Difference – CFD) veröffentlicht.
Die BaFin hat mit Blick auf den Anlegerschutz die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von CFD mit ihrer Allgemeinverfügung vom 23. Juli 2019 beschränkt. Hierbei handelte es sich um eine Maßnahme der Produktintervention. Um sicherzustellen, dass die Anbieter von CFD im Einklang mit der Allgemeinverfügung handeln, hat die BaFin im September 2020 diese Leitlinien veröffentlicht. Kernpunkte dieser Leitlinien sind:
- die Vorgaben der Allgemeinverfügung sind rechtlich eindeutig in den Geschäfts- und Vertragsbedingungen der CFD-Anbieter umzusetzen,
- das Erfordernis von Risikowarnungen erstreckt sich auch auf Smartphone-Apps, Videos und Social-Media-Mitteilungen und diese Risikowarnungen haben für den Kleinanleger prominent sichtbar zu erfolgen,
- die verpflichtende Angabe einer Risikowarnung gilt auch für Werbe- und Marketingpartner von CFD-Anbietern (z.B. Affiliate-Partner und Introducing-Broker); CFD-Anbieter haben sicherzustellen, dass auch diese die Vorgaben der Allgemeinverfügung einhalten.
b. Die BaFin hat am 04. November ihr Rundschreiben 05/2020 (WA) „Aufgaben und Pflichten der Verwahrstelle nach Kapitel 1 Abschnitt 3 des Kapitalanlagegesetzbuches“ veröffentlicht.
6. Berichte und Konsultationen der ESMA
a. Mit Blick auf die MAR hat die ESMA ihren umfangreichen Bericht (über 200 Seiten) „MAR Review report“ am 23. September 2020 veröffentlicht.
b. Die ESMA hat am 24. September 2020 das Konsultationspapier „MiFIR review report on the obligations to report transactions and reference data“ veröffentlicht.
c. Am 25. September 2020 hat die ESMA weiter den umfangreichen Bericht „MiFID II/ MiFIR review report on the transparency regime for non-equity instruments and the trading obligation for derivatives“ veröffentlicht.
d. Am 28. September 2020 hat die ESMA ferner den Abschlussbericht „Draft technical standards on the provision of investment services and activities in the Union by third-country firms under MiFID II and MiFIR“ veröffentlicht.
e. Anfang November hat die ESMA verschiedene kapitalmarktrechtliche Konsultationen gestartet:
- „Draft advice to European Commission under Article 8 of the Taxonomy Regulation“ (05. November 2020),
- „Guidelines on the MiFID II/ MiFIR obligations on market data“ (06. November 2020),
- „Guidelines on marketing communications under the Regulation on cross-border distribution of funds“ (09. November 2020).
f. Die ESMA hat am 23. November 2020 ihren Abschlussbericht „EMIR RTS on various amendments to the bilateral margin requirements in view of the international framework as well as on novations from UK to EU counterparties“ veröffentlicht. Ebenfalls hat sie ihren abschließenden Bericht „EMIR RTS on the clearing obligation regarding intragroup transactions as well as on novations from UK to EU counterpartiest“ am gleichen Tage veröffentlicht.
Dr. Ingo Janert (Stand: 08. Dezember 2020, Bild von Johannes Plenio auf Pixabay)