
In diesem Beitrag soll ein Überblick über die verschiedenen Angebotsarten des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) gegeben und die einzelnen Angebotsarten erläutert werden.
1. Überblick über die Angebotsarten
Das WpÜG differenziert zunächst zwischen freiwilligen Angeboten und Pflichtangeboten (§ 2 Abs. 1 WpÜG). Weiter kennzeichnet das WpÜG die Unterscheidung zwischen Angeboten, die auf den Erwerb der Kontrolle über die Zielgesellschaft gerichtet sind, und Angeboten ohne Kontrollerlangung (vgl. § 29 Abs. 1 WpÜG).
Das Übernahmerecht unterscheidet demnach einfache Erwerbsangebote, Übernahmeangebote sowie Pflichtangebote.
2. (Einfaches) Erwerbsangebot
Der gesetzliche Regelfall ist ein einfaches Erwerbsangebot. Hierbei handelt es sich um ein freiwilliges Angebot zum Erwerb einer Beteiligung oder zur Aufstockung einer Beteiligung, das weder auf die Kontrollerlangung über die Zielgesellschaft gerichtet ist noch einer Pflicht des Bieters entspricht. Ein Mindestpreis ist nicht vorgeschrieben.
Hierbei werden zwei einfache Erwerbsangebote unterschieden (vgl. Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 686):
- beschränkte Einstiegsbeteiligung: das Angebot ist von vornherein auf den Erwerb von weniger als 30 Prozent der Stimmrechte beschränkt.
- Aufstockungsangebot: der Bieter hat bei Abgabe des Angebots bereits die Kontrollschwelle von 30 Prozent der Stimmrechte überschritten.
Für ein einfaches Erwerbsangebot gelten die Vorschriften der §§ 10 ff. WpÜG, insbesondere ist keine angemessene Gegenleistung wie beim Übernahmeangebot und beim Pflichtangebot erforderlich. Es bleibt insoweit den Aktionären überlassen, ob sie das (einfache) Erwerbsangebot auch bei einer unangemessen niedrigen Gegenleistung annehmen oder nicht.
3. Übernahmeangebot
Sofern das Erwerbsangebot zwar freiwillig, aber auf Kontrollerlangung über die Zielgesellschaft gerichtet ist, liegt der Sonderfall des Übernahmeangebots vor.
Von einer Kontrollerlangung wird immer dann gesprochen, wenn die Übernahme auf das Halten von mindestens 30 Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft ‑ ohne Berücksichtigung der Satzung der Zielgesellschaft ‑ gerichtet ist (§ 29 Abs. 2 WpÜG). Zwar kann ein Aktionär erst mit der einfachen Stimmenmehrheit in der Hauptversammlung (d.h. 50 Prozent der auf der Hauptversammlung anwesenden Stimmen) Beschlüsse, wie etwa die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern, allein fassen (§ 133 Abs. 1 AktG). Da in der Hauptversammlungspraxis regelmäßig nicht mehr als 60 Prozent der Aktionäre an den Hauptversammlungen teilnehmen, ist die erforderliche einfache Mehrheit bereits bei 30 Prozent der Stimmrechte erreicht, so dass der Gesetzgeber sich für diese Mehrheit für die Kontrollerlangung entschieden hat (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 681).
Wichtig ist in diesem Zusammenhang noch, dass es für die Kontrollschwelle von 30 Prozent nicht darauf ankommt, ob der Bieter im konkreten Einzelfall tatsächlich einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. So hat ein Bieter etwa mit 30 Prozent der Stimmrechte auch dann die Kontrolle i.S.v. § 29 WpÜG, wenn daneben ein anderer Aktionär mehr als 50 Prozent der Stimmrechte hält (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 681).
Die Zurechnung von Stimmrechten erfolgt dabei nach § 30 WpÜG und damit nach vergleichbaren Regeln wie bei der Beteiligungspublizität gem. §§ 33 ff. WpHG. Danach sind für das Erreichen der Kontrollschwelle des § 29 WpÜG zum einen die Stimmrechte aus dem Bieter gehörenden Aktien an der Zielgesellschaft und zum anderen Stimmrechte aus Aktien, die dem Bieter nach § 30 WpÜG zugerechnet werden, zu berücksichtigen. Eine Zurechnung findet auch bei abgestimmten Verhalten (sog. Acting-in-concert) statt (§ 30 Abs. 2 WpüG). Erforderlich ist dabei stets ein entsprechender kommunikativer Akt zwischen der Beteiligten. Erfasst werden danach auch Fälle der Drohung sowie rechtlich unverbindliche Absprachen („Gentlemen´s Agreement“).
Ein Übernahmeangebot liegt beispielsweise vor, wenn der Bieter ein unbedingtes Angebot auf eine Einstiegsbeteiligung abgibt, weil das Angebot von allen Aktionären angenommen werden könnte, so dass die Kontrollschwelle von 30 Prozent theoretisch immer überschritten wird. Um ein solches Übernahmeangebot zu vermeiden, muss der Bieter vielmehr ein bedingtes Teilangebot zum Erwerb von weniger als 30 Prozent der Stimmrechte abgeben (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 687).
Für ein Übernahmeangebot gelten neben den allgemeinen Vorschriften für ein einfaches Erwerbsangebot (§§ 10 ff. WpÜG) die speziellen Regelungen der §§ 29 ff. WpÜG (vgl. § 34 WpÜG). Den Aktionären der Zielgesellschaft ist dabei vor allem eine angemessene Gegenleistung (§ 31 WpÜG) anzubieten.
Die Angemessenheit richtet sich dabei nach den Vorerwerben von Aktien der Zielgesellschaft (sog. Gleichpreisregel) und nach dem durchschnittlichen Börsenkurs der Aktien der Zielgesellschaft (sog. Börsenpreisregel).
4. Pflichtangebot
Ein Pflichtangebot ist immer dann abzugeben, wenn jemand auf irgendeine Weise, unmittelbar oder mittelbar die Kontrolle über eine Zielgesellschaft erlangt hat, ohne dass diesem Ereignis ein Übernahmeangebot vorausgegangen ist (§ 35 WpÜG).
Die Regeln über das Pflichtangebot gelten z.B. dann, wenn jemand durch außerbörslichen rechtsgeschäftlichen Paketerwerb oder Erbgang die Kontrollschwelle von 30 v.H. der Stimmrechte an der Zielgesellschaft (sog. formaler Beherrschungsbegriff) überschritten hat. Mit dem Pflichtangebot wird dann dem Minderheitsaktionär die Möglichkeit eingeräumt, seine Anteile zu einem angemessenen Preis zu veräußern.
Für das Pflichtangebot gelten die Regelungen der §§ 10 ff. WpÜG (Pflichtangebote) und der §§ 29 ff. WpÜG (Übernahmeangebote). Allerdings gehen die speziellen Regelungen für ein Pflichtangebot (§§ 35 ff. WpÜG) vor (§ 39 WpÜG). Insbesondere ist wiederum eine angemessene Gegenleistung notwendig.
Das WpÜG sieht verschiedene Ausnahmen für die Pflicht zur Abgabe eines Pflichtangebots vor:
- § 35 Abs. 3 WpÜG: vorheriges Übernahmeangebot
- § 36 WpÜG: Erbgang, Scheidung, Rechtsformwechsel oder Konzern-umstruktuierung
- § 37 WpÜG: Befreiung aufgrund einer Ermessensentscheidung der BaFin
Dr. Ingo Janert (23. September 2024, Bild von congerdesign auf Pixabay)
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