Prospektpflicht (Wertpapiere)

In diesem Beitrag soll auf die Prospektpflicht von Wertpapieren, die öffentlich angeboten werden sollen, und die Ausnahmen hiervon eingegangen werden. Sodann sollen die gesetzlichen Anforderungen an einen Wertpapierprospekt darstellt werden.

1. Grundsatz der Prospektpflicht

Seit dem 21. Juli 2019 gilt mit Blick auf Wertpapiere, die öffentlich angeboten werden sollen, die Prospektpflicht des Art. 3 ProspektVO. Danach dürfen Wertpapiere in der Europäischen Union nur nach vorheriger Veröffentlichung eines Prospekts öffentlich angeboten werden.

Die ProspektVO ersetzt dabei als unmittelbar geltendes europäisches Recht weitgehend das deutsche Wertpapierprospektgesetz (WpPG). Während die ProspektVO die Anforderungen an die Erstellung, Billigung und Verbreitung eines Wertpapierprospekts nunmehr einheitlich in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union regelt, enthält das WpPG nur noch ergänzende Regelungen, wie z.B. die Prospekthaftung sowie die Haftung für ein fehlerhaftes bzw. fehlendes Wertpapier-Informationsblatt (WIB) gem. §§ 8 ff. WpPG. Durch die in Europa einheitlich geltende ProspektVO soll die sog. Kapitalmarktunion vorangetrieben werden (vgl. Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 231).

Die ProspektVO sieht aber auch Erleichterungen für die Erstellung eines Prospekts vor. So sieht Art. 15 ProspektVO für KMU die Möglichkeit eines vereinfachten Prospekts (sog. EU-Wachstumsprospekt) vor.

Nach Art. 3 ProspektVO gilt die Prospektpflicht für Wertpapiere, die öffentlich angeboten (Abs. 1) oder zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen werden sollen (Abs. 3).

a. Begriff der Wertpapiere

Die Prospektpflicht gilt für Wertpapiere. Was hierunter zu verstehen ist, bestimmt Art. 2 lit. a) ProspektVO. „Wertpapiere“ sind danach übertragbare Wertpapiere mit Ausnahme von Geldmarktinstrumenten mit einer Laufzeit von weniger als 12 Monaten i.S.d. Finanzmarktrichtlinie.

Im Ergebnis sind danach Wertpapiere i.S.v. § 2 Abs. 1 WpHG erfasst (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 232). Nach § 2 Abs. 1 WpHG sind Wertpapiere vor allem Aktien, Aktienzertifikate, Schuldverschreibungen, Genussscheine und Optionsscheine sowie andere Wertpapiere, die mit Aktien und Schuldverschreibungen vergleichbar sind.

Im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit der ProspektVO nimmt Art. 1 Abs. 2 und 3 ProspektVO bestimmte Wertpapiere von der Prospektpflicht aus. So sind etwa Anteile an den Zentralbanken der EU-Staaten oder Staatsanleihen ausgenommen (Art. 1 Abs. 2 ProspektVO). Ein Prospekt ist auch dann nicht aufzustellen, wenn die Wertpapiere die Emissionsschwelle von Euro 1 Million über einen Zeitraum von 12 Monaten unterschreiten (Art. 1 Abs. 3 ProspektVO).

b. Öffentliches Angebot der Wertpapiere

Die Prospektpflicht knüpft nach Art. 3 Abs. 1 ProspektVO an ein öffentliches Angebot an.

Unter einem öffentlichen Angebot wird nach Art. 2 lit. d) ProspektVO eine Mitteilung an die Öffentlichkeit in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise verstanden, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung jener Wertpapiere zu entscheiden. Aufgrund der Weite des Angebotsbegriffs werden daher nicht nur rechtsverbindliche Verkaufs- oder Tauschangebote, sondern bereits schon die sog. invitatio ad offerendum erfasst (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 234 m.w.N.).

Des Weiteren muss sich das Angebot der Wertpapiere an die Öffentlichkeit richten. In Abgrenzung zum sog. Private Placement ist ein Angebot öffentlich, wenn sich das Angebot an eine unbestimmte und nicht zu bestimmende Zahl von Personen richtet (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 235 m.w.N.).

c. Zulassung der Wertpapiere zum geregelten Markt

Unabhängig davon, ob die Wertpapiere öffentlich angeboten werden, entsteht eine Prospektpflicht immer dann, wenn die Wertpapiere zum geregelten Markt zugelassen werden sollen (Art. 3 Abs. 3 ProspektVO).

Danach besteht eine Prospektpflicht für Wertpapiere, die in einem Regulierten Markt (§§ 32 ff. BörsG) gehandelt werden sollen, da es sich beim Regulierten Markt um einen „geregelten Markt“ i.S.v. Art. 3 Abs. 3 ProspektVO i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 Finanzmarktrichtlinie handelt. Die Prospektpflicht nach Art. 3 Abs. 3 ProspektVO gilt also abhängig davon, auf welchem Handelsplatz die Wertpapiere gehandelt werden sollen. Eine Übersicht hierzu finden Sie hier.

2. Ausnahmen von der Prospektpflicht

Von der grundsätzlichen Prospektpflicht des Art. 3 ProspektVO gibt es aber verschiedene Ausnahmen. In den nachfolgend genannten Fällen ist eine Wertpapieremission prospektfrei zulässig, wobei ein Emittent einen Prospekt immer auch auf freiwilliger Basis erstellen kann (vgl. Art. 4 ProspektVO).

a. Ausnahme gem. Art. 1 Abs. 3 ProspektVO

Die ProspektVO findet gemäß Art. 1 Abs. 3 ProspektVO keine Anwendung auf ein öffentliches Wertpapierangebot bei einem Gesamtgegenwert der Emission in der EU von weniger als Euro 1 Million (Zeitraum: 12 Monate).

b. Ausnahmen gemäß Art. 1 Abs. 4 und Abs. 5 ProspektVO

Die praktisch wichtigsten Ausnahmen von der Prospektpflicht gemäß Art. 1 Abs. 4 und Abs. 5 ProspektVO sind:

  • das Wertpapierangebot richtet sich ausschließlich an qualifizierte Anleger,
  • das Wertpapierangebot richtet sich an weniger als 150 Anleger pro Mitgliedstaat,
  • das Wertpapierangebot sieht eine Mindeststückelung der Wertpapiere von Euro 100.000,00 vor,
  • das Wertpapierangebot beinhaltet einen Aktientausch für bereits emittierte Aktien, ohne dass eine Kapitalerhöhung des Emittenten notwendig ist.

c. Ausnahmen gemäß § 3 WpPG i.V.m. Art. 3 Abs. 2 ProspektVO

Im Hinblick auf sog. Kleinemmissionen sieht § 3 WpPG die Prospektfreiheit schließlich weiter vor, wenn

  • ein Kreditinstitut oder ein Emittent, deren Aktien bereits zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, eine Emission im EWR mit einem Gesamtgegenwert von nicht mehr als Euro 8 Millionen (Zeitraum: 12 Monate) plant oder
  • unabhängig von einer Börsennotiz der Aktien der Gesamtgegenwert für die zu emittierenden Wertpapiere im EWR nicht mehr als Euro 8 Millionen (Zeitraum: 12 Monate) beträgt.

Das WpPG sieht allerdings auch bei einer solchen Kleinemission vor, dass die Erstellung, Hinterlegung und Veröffentlichung eines Wertpapier-Informationsblatts (WIB) erforderlich ist.

3. Anforderungen an einen Wertpapierprospekt

a. Inhalt und Form des Prospekts

Der Prospekt muss alle wesentlichen Informationen enthalten, damit der Anleger sich ein fundiertes Urteil unter anderem über die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, Gewinne und Verluste, die Finanzlage sowie die Aussichten des Emittenten machen kann (vgl. Art. 6 ProspektVO). Der Prospekt muss weiterhin eine Prospektzusammenfassung enthalten, die nicht mehr als 7 DIN-A4-Seiten umfassen darf (vgl. Art. 7 ProspektVO).

Die Mindestangaben und die Gestaltung des Prospekts sind in Art. 13 ProspektVO vorgegeben. Art. 14 der Verordnung sieht einen vereinfachten Prospekt bei Sekundäremissionen vor.

Der Prospektinhalt wird gem. Art. 13 ProspektVO durch die DelVO (EU) 2019/980 konkretisiert. Weiter sind die Verlautbarungen der ESMA zu berrücksichtigen (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 250).

Die BaFin kann nach der Einreichung des Prospekts zusätzliche Angaben verlangen, wenn dies zum Schutz der Anleger notwendig erscheint (§ 18 Abs. 1 WpPG).

b. Billigung und Veröffentlichung des Prospekts

Ein Wertpapierprospekt muss von der BaFin gebilligt werden (Art. 20 Abs. 1 ProspektVO). Die BaFin prüft den Prospekt dabei auf Vollständigkeit, Kohärenz (d.h. mangelnde innere Widersprüchlichkeit) und Verständlichkeit. Die BaFin prüft indes nicht die inhaltliche Richtigkeit des Prospekts und auch nicht die Bonität des Emittenten. Wenn der Prospekt den gesetzlichen Anforderungen entspricht, hat der Emittent einen Anspruch auf Billigung des Prospekts (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 251).

Ein Prospekt darf erst veröffentlicht werden, wenn die BaFin den Prospekt zuvor gebilligt hat (vgl. Art. 20 ProspektVO). Bei erstmaliger Emission beträgt die Frist für die Prüfung durch die BaFin 20 Arbeitstage, ansonsten nur 10 Arbeitstage. Bleibt die BaFin bis zum Ablauf der Billigungsfrist untätig, wird allerdings die Billigung nicht fingiert (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 251).

Billigt die BaFin den Prospekt, ist dieser bei der BaFin zu hinterlegen und unverzüglich zu veröffentlichen (Art. 21 Abs. 1 ProspektVO). Nach Art. 21 Abs. 2 ProspektVO kann der Prospekt auf der Webseite des Emittenten, eines Finanzintermediärs oder des geregelten Marktes bzw. des MTF in elektronischer Form veröffentlicht werden.

Der Wertpapierprospekt ist – abgesehen von ggf. vorgenommenen Nachträgen i.S.v. Art. 23 ProspektVO – nach seiner Billigung 12 Monate gültig (Art. 12 ProspektVO) und kann für nachfolgende öffentliche Angebote bzw. Zulassungen von Wertpapieren derselben Gattung verwendet werden. Nach Ablauf eines Jahres ist ein neuer Prospekt zu erstellen.

c. Aktualisierung des Prospekts

Zwischen dem Zeitpunkt der Billigung des Prospekts durch die BaFin und dem endgültigen Schluss des öffentlichen Angebots bzw. – falls später – der Aufnahme der Notierung können einige Monaten liegen, in denen wichtige Umstände eintreten können, wie etwa der Wegfall eines Hauptlieferanten des Emittenten. Zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts begründet Art. 23 ProspektVO eine Nachtrags- bzw. Aktualisierungspflicht des Prospekts.

Der Nachtrag muss wiederum durch die BaFin gebilligt werden. Der Nachtrag ist innerhalb von höchstens fünf Arbeitstagen zu billigen und nach denselben Regeln zu veröffentlichen, wie sie für die Veröffentlichung des ursprünglichen Prospekts galten.

4. Sanktionen der BaFin

Die BaFin kann das öffentliche Angebot der Wertpapiere gem. § 18 Abs. 4 WpPG untersagen, wenn der Wertpapierverkaufsprospekt bzw. der Börsenzulassungsprospekt in wesentlichen Punkten unrichtig oder unvollständig ist (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 258). Fehlt der Börsenzulassungsprospekt, können die Wertpapiere nicht zum Börsenhandel zugelassen werden (§ 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG).

Zudem kann das Fehlen oder die Fehlerhaftigkeit eines Wertpapierverkaufsprospekts eine Ordnungswidrigkeit begründen (§ 24 Abs. 3 Nr. 1 WpPG).

Dr. Ingo Janert (Stand: 09. August 2023, Bild von StockSnap auf Pixabay)