In diesem Beitrag wird der Ablauf eines Börsengangs (IPO) in seinen verschiedenen Phasen im Einzelnen dargestellt.
1. Motive für einen Börsengang
Die Motive für die Entscheidung eines Unternehmens für einen Börsengang können sehr verschieden sein. Durch einen Börsengang – Initial Public Offering (IPO) – kann sich ein Unternehmen z.B. am Kapitalmarkt weiteres Eigenkapital beschaffen und den Kreis seiner Gesellschafter erweitern. Für die Altgesellschafter, wie etwa die Gründer der Gesellschaft oder Private Equity-Gesellschafter, stellt ein IPO die Möglichkeit dar, gewinnbringend aus der Gesellschaft ganz oder teilweise auszusteigen (sog. Exit).
2. Einteilung des Börsengangs in verschiedenen Phasen
Zum besseren Verständnis lässt sich der Börsengang in verschiedenen Phasen einteilen:
a. Vorbereitungsphase
Am Anfang eines Börsengangs steht immer die Entscheidung der Gesellschaft, ob ein Börsengang durchgeführt werden soll und wenn ja, in welchem Marktsegment der Börsengang erfolgen soll. Zu diesem Zweck sollten der Vorstand und der Aufsichtsrat der Gesellschaft eine gründliche Analyse der Vor- und Nachteile einer Börsennotiz – gerade auch im Hinblick auf die mit den Zulassungsfolgepflichten verbundenen laufenden Kosten – vornehmen (vgl. zu den Vor- und Nachteilen eines Börsengangs auch Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 171).
Wenn die Entscheidung für einen Börsengang getroffen worden ist, dann stehen oftmals verschiedene gesellschaftsrechtliche Maßnahmen zur Umsetzung an. Je nach den konkreten Umständen kann es notwendig sein, den Konzern mit Blick auf einen Börsengang umzustrukturieren und ggf. Gesellschaften zu liquidieren oder Gesellschaften aufeinander zu verschmelzen. Auf der Ebene der emittierenden Gesellschaft sind ggf. die gesellschaftsrechtlichen Beschlüsse, wie z.B. ein entsprechender Kapitalerhöhungsbeschluss, zu fassen. Ob neben dem in der Praxis ohnehin oft notwendigen Kapitalerhöhungsbeschluss ein Hauptversammlungsbeschluss mit Blick auf die Börsennotierung notwendig ist, ist umstritten. Die wohl h.M. bejaht dies, wobei m.E. dies mangels eines sog. Mediatisierungseffekts nicht notwendig ist (vgl. zu diesem Meinungsstreit eingehend auch Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 177).
Es wird im Zusammenhang mit einer Zulassung von Wertpapieren zwischen einer sog. Fremd- und Selbstemission unterschieden. Bei der in der Praxis vorherrschenden Fremdemission beauftragt der Emittent eine Emissionsbank bzw. ein Emissionskonsortium, um den Emittenten beim Börsengang zu unterstützen. Bei der Selbstemission emittiert der Emittent die Wertpapiere selbst, was nur selten der Fall ist. Ein Beispiel für eine solche Selbstemission ist die Emission von Pfandbriefe durch eine Hypothekenbank.
Bei der – wie dargestellt in der Praxis vorherrschenden Fremdemission – beauftragt der Vorstand sodann die Partner für den Börsengang der Gesellschaft. Dies sind vor allem die den Börsengang begleitenden Emissionsbank bzw. das den Börsengang begleitende Emissionskonsortium sowie Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, die den Börsengang des Unternehmens beratend unterstützen. Das Unternehmen schließt mit den Banken bzw. dem Bankenkonsortium einen Mandatsvertrag (sog. Letter of Engagement), in dem die Einzelheiten der Emission (z.B. Prospekterstellung und Festlegung der Emissionspreises) vereinbart werden.
In diesem Zusammenhang wird zwischen dem sog. Begebungskonsortium (best-efforts underwriting) und dem sog. Übernahmekonsortium (firm-commitment underwriting) unterschieden. Beim Begebungskonsortium verkaufen die Emissionsbanken die Wertpapiere als Kommissionär (§ 383 HGB) zwar im eigenen Namen, aber auf Rechnung des Emittenten. Das bedeutet, dass der Emittent bei dieser Gestaltung das Absatzrisiko trägt. Beim Übernahmekonsortium tragen hingegen die Emissionsbanken das Absatzrisiko, weil die Emissionsbanken die Wertpapiere vom Emittenten kaufen, die Wertpapiere halten und sie später an die Anleger weiter veräußern (vgl. Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 183 f.).
In die Vorbereitungsphase fallen auch die verschiedenen Due Diligence-Prüfungen in rechtlicher, steuerrechtlicher und ggf. betriebswirtschaftlicher Hinsicht. Parallel hierzu wird bereits der Wertpapierprospekt (sog. Emissionsprospekt) erstellt.
b. Realisierungsphase
In der sich anschließenden Realisierungsphase setzt das Unternehmen mit seinen Emissionsbegleitern das Emissionskonzept um. Allen voran sind in dieser Phase die Parameter für den IPO festzulegen:
- Bestimmung des Marktsegments, in dem der Börsengang erfolgen soll,
- Bestimmung der Aktiengattung und des Platzierungsvolumens,
- Festlegung des Emissionszeitpunkts,
- Festlegung des Platzierungsverfahrens.
Die bereits in der Vorbereitungsphase eingeleiteten Maßnahmen, wie z.B. die Erstellung des Wertpapierprospekts, werden vom Vorstand der Gesellschaft weiter vorangetrieben.
c. Platzierungsphase
In vertrieblicher Hinsicht steht für das Unternehmen in dieser Phase nunmehr die sog. Road-Show an, in welcher der Vorstand der Gesellschaft und die Emissionsbanken das betreffende Unternehmen verschiedenen Investoren vorstellen und herausfinden, ob und ggf. zu welchem Emissionspreis die Investoren die zu emittierenden Aktien zu zeichnen bereit wären. Zentral für einen erfolgreichen Börsengang ist es, dass für die zu emittierenden Aktien ein angemessener Emissionspreis ermittelt wird. In der Praxis erfolgt die Ermittlung des Emissionspreises durch das sog. Bookbuilding-Verfahren. Hierbei geben die Investoren ihre Angebote unter Angabe von Preis und Volumen (limits) gegenüber der konsortialführenden Bank ab. Die konsortialführende Bank sammelt alle eingehenden Kaufangebote in einem elektronischen Orderbuch (bookrunner), berechnet daraus einen einheitlichen Emissionspreis (Ausgabepreis) und veröffentlicht diesen sodann in einer Preisbekanntmachung (vgl. Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 189).
In rechtlicher Hinsicht sind die Voraussetzungen für die Zulassung der Aktien zum Börsenhandel zu schaffen, indem der Börsenzulassungsantrag gestellt und die Billigung des Emissionsprospekts durch die BaFin eingeholt wird. Die Zulassung ist dabei die Voraussetzung für die spätere Börseneinführung, worunter die Aufnahme der Notierung der Wertpapiere verstanden wird (vgl. § 38 Abs. 1 BörsG). Eine Ausnahme von der Zulassungspflicht gilt gem. § 37 BörsG für staatliche Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Emittenten (z.B. Staatsanleihen des Bundes oder eines EU-Mitgliedstaates). Grund hierfür ist, dass es sich nach der gesetzlichen Wertung hierbei um besonders sichere Kapitalanlagen handelt (vgl. Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 178).
Kennzeichnend für einen Börsengang ist, dass es sich hierbei um eine Emission im sog. Primärmarkt handelt, d.h. die Investoren erwerben die Aktien des Unternehmens außerhalb der Börse von der Emissionsbank bzw. vom Emissionskonsortium. Ziel der außerbörslichen Platzierung der Wertpapiere ist es, dass möglichst alle zu emittierende Aktien des Unternehmens außerbörslich an Investoren verkauft werden. Zivilrechtlich gibt der Investor dabei durch die Zeichnung der Aktien ein entsprechendes Kaufangebot ab, das von der Emissionsbank bzw. vom Emissionskonsortium angenommen wird.
Nach der Zulassung der Aktien zum Börsenhandel durch die Börsengeschäftsführung erfolgt die erstmalige Börsennotiz. In diesem Zusammenhang ist noch erwähnenswert, dass die Börsengeschäftsführung den Börsenzulassungsantrag nur formell prüft, d.h. prüft, ob die Zulassungsvoraussetzungen des betreffenden Marktsegments vorliegen oder nicht. Eine materiell-rechtliche Prüfung erfolgt insoweit grundsätzlich nicht.
d. Nachlaufphase
Nachdem der eigentliche Börsengang vollzogen ist, schließt sich nunmehr die Nachlaufphase an. Die inzwischen börsennotierten Aktien können nunmehr im sog. Sekundärmarkt ohne Beteiligung des Emittenten über die Börse gehandelt werden. Den Emittenten treffen nunmehr die Zulassungsfolgepflichten, deren Umfang davon abhängig sind, in welchem Marktsegment der Börsengang erfolgte.
Dr. Ingo Janert (Stand: 08. August 2023, Bild von skeeze auf Pixabay)