
In diesem Beitrag wird der Ablauf eines Börsengangs (IPO) in seinen verschiedenen Phasen im Einzelnen dargestellt.
1. Motive für einen Börsengang
Die Motive für die Entscheidung eines Unternehmens für einen Börsengang können sehr verschieden sein. Durch einen Börsengang – Initial Public Offering (IPO) – kann sich ein Unternehmen z.B. am Kapitalmarkt weiteres Eigenkapital beschaffen und den Kreis seiner Gesellschafter erweitern. Für die Altgesellschafter, wie etwa die Gründer der Gesellschaft oder Private Equity-Gesellschafter, stellt ein IPO die Möglichkeit dar, gewinnbringend aus der Gesellschaft ganz oder teilweise auszusteigen (sog. Exit).
2. Unterscheidung zwischen einem unmittelbaren und mittelbaren Börsengang
Nach Inkrafttreten des sog. Zukunftsfinanzierungsgesetzes am 01. Januar 2024 ist zwischen einem unmittelbaren und einem mittelbaren Börsengang zu unterscheiden:
- Bei einem unmittelbaren Börsengang wird das Unternehmen selbst an die Börse gebracht.
- Bei einem mittelbaren Börsengang wird das Unternehmen mittelbar über eine bereits börsennotierte Mantelgesellschaft an die Börse gebracht.
Am Anfang eines jeden Börsengangs steht die Entscheidung der Gesellschaft, ob ein Börsengang durchgeführt werden soll und wenn ja, in welchem Marktsegment der Börsengang erfolgen soll. Zu diesem Zweck sollten der Vorstand und der Aufsichtsrat der Gesellschaft eine gründliche Analyse der Vor- und Nachteile einer Börsennotiz – gerade auch im Hinblick auf die mit den Zulassungsfolgepflichten verbundenen laufenden Kosten – vornehmen (vgl. zu den Vor- und Nachteilen eines Börsengangs auch Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 171).
Wenn die Entscheidung für einen Börsengang getroffen worden ist, ist zu entscheiden, auf welchem Weg der Börsengang – unmittelbar oder mittelbar – erfolgen soll.
a. Ablauf des unmittelbaren Börsengangs
Bei dem unmittelbaren IPO wird das Unternehmen selbst an die Börse gebracht. Der Börsengang vollzieht sich dabei in den nachfolgenden Phasen:
aa. Vorbereitungsphase
Oftmals stehen in der Vorbereitungsphase zunächst verschiedene gesellschaftsrechtliche Maßnahmen zur Umsetzung an. Je nach den konkreten Umständen kann es notwendig sein, den Konzern mit Blick auf einen Börsengang umzustrukturieren und ggf. Gesellschaften zu liquidieren oder Gesellschaften aufeinander zu verschmelzen. Auf der Ebene des Unternehmens sind ggf. die gesellschaftsrechtlichen Beschlüsse, wie z.B. ein entsprechender Kapitalerhöhungsbeschluss, zu fassen. Ob neben dem in der Praxis ohnehin oft notwendigen Kapitalerhöhungsbeschluss ein Hauptversammlungsbeschluss mit Blick auf die Börsennotierung notwendig ist, ist umstritten. Die wohl h.M. bejaht dies, wobei m.E. dies mangels eines sog. Mediatisierungseffekts nicht notwendig ist (vgl. zu diesem Meinungsstreit eingehend auch Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 177).
Es wird im Zusammenhang mit einer Zulassung von Wertpapieren zwischen einer sog. Fremd- und Selbstemission unterschieden. Bei der in der Praxis vorherrschenden Fremdemission beauftragt der Emittent eine Emissionsbank bzw. ein Emissionskonsortium, um den Emittenten beim Börsengang zu unterstützen. Bei der Selbstemission emittiert der Emittent die Wertpapiere selbst, was nur selten der Fall ist. Ein Beispiel für eine solche Selbstemission ist die Emission von Pfandbriefen durch eine Hypothekenbank.
Bei der – wie dargestellt in der Praxis vorherrschenden Fremdemission – beauftragt der Vorstand sodann die Partner für den Börsengang der Gesellschaft. Dies sind vor allem die den Börsengang begleitenden Emissionsbank bzw. das den Börsengang begleitende Emissionskonsortium sowie Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, die den Börsengang des Unternehmens beratend unterstützen. Das Unternehmen schließt mit den Banken bzw. dem Bankenkonsortium einen Mandatsvertrag (sog. Letter of Engagement), in dem die Einzelheiten der Emission (z.B. Prospekterstellung und Festlegung der Emissionspreises) vereinbart werden.
In diesem Zusammenhang wird zwischen dem sog. Begebungskonsortium (best-efforts underwriting) und dem sog. Übernahmekonsortium (firm-commitment underwriting) unterschieden. Beim Begebungskonsortium verkaufen die Emissionsbanken die Wertpapiere als Kommissionär (§ 383 HGB) zwar im eigenen Namen, aber auf Rechnung des Emittenten. Das bedeutet, dass der Emittent bei dieser Gestaltung das Absatzrisiko trägt. Beim Übernahmekonsortium tragen hingegen die Emissionsbanken das Absatzrisiko, weil die Emissionsbanken die Wertpapiere vom Emittenten kaufen, die Wertpapiere halten und sie später an die Anleger weiter veräußern (vgl. Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 183 f.).
In die Vorbereitungsphase fallen auch die verschiedenen Due Diligence-Prüfungen in rechtlicher, steuerrechtlicher und ggf. betriebswirtschaftlicher Hinsicht. Parallel hierzu wird bereits der Wertpapierprospekt (sog. Emissionsprospekt) erstellt.
bb. Realisierungsphase
In der sich anschließenden Realisierungsphase setzt das Unternehmen mit seinen Emissionsbegleitern das Emissionskonzept um. Allen voran sind in dieser Phase die Parameter das Marktsegment, in dem der Börsengang erfolgen soll, die Aktiengattung und das Platzierungsvolumen, der Emissionszeitpunkt und das Platzierungsvolumen zu bestimmen.
Die bereits in der Vorbereitungsphase eingeleiteten Maßnahmen, wie z.B. die notwendige Kapitalerhöhung sowie die Erstellung des Wertpapierprospekts, werden von der Gesellschaft finalisiert.
cc. Platzierungsphase
In vertrieblicher Hinsicht steht für das Unternehmen in dieser Phase nunmehr die sog. Road-Show an, in welcher der Vorstand der Gesellschaft und die Emissionsbanken das betreffende Unternehmen verschiedenen Investoren vorstellen und herausfinden, ob und ggf. zu welchem Emissionspreis die Investoren die zu emittierenden Aktien zu zeichnen bereit wären. Zentral für einen erfolgreichen Börsengang ist es, dass für die zu emittierenden Aktien ein angemessener Emissionspreis ermittelt wird. In der Praxis erfolgt die Ermittlung des Emissionspreises durch das sog. Bookbuilding-Verfahren. Hierbei geben die Investoren ihre Angebote unter Angabe von Preis und Volumen (limits) gegenüber der konsortialführenden Bank ab. Die konsortialführende Bank sammelt alle eingehenden Kaufangebote in einem elektronischen Orderbuch (bookrunner), berechnet daraus einen einheitlichen Emissionspreis (Ausgabepreis) und veröffentlicht diesen sodann in einer Preisbekanntmachung (vgl. Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 189).
In rechtlicher Hinsicht sind die Voraussetzungen für die Zulassung der Aktien zum Börsenhandel zu schaffen, indem der Börsenzulassungsantrag gestellt und die Billigung des Emissionsprospekts durch die BaFin eingeholt wird. Die Zulassung ist dabei die Voraussetzung für die spätere Börseneinführung, worunter die Aufnahme der Notierung der Wertpapiere verstanden wird (vgl. § 38 Abs. 1 BörsG). Eine Ausnahme von der Zulassungspflicht gilt gem. § 37 BörsG für staatliche Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Emittenten (z.B. Staatsanleihen des Bundes oder eines EU-Mitgliedstaates). Grund hierfür ist, dass es sich nach der gesetzlichen Wertung hierbei um besonders sichere Kapitalanlagen handelt (vgl. Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 178).
Kennzeichnend für einen Börsengang ist, dass es sich hierbei um eine Emission im sog. Primärmarkt handelt, d.h. die Investoren erwerben die Aktien des Unternehmens außerhalb der Börse von der Emissionsbank bzw. vom Emissionskonsortium. Ziel der außerbörslichen Platzierung der Wertpapiere ist es, dass möglichst alle zu emittierende Aktien des Unternehmens außerbörslich an Investoren verkauft werden. Zivilrechtlich gibt der Investor dabei durch die Zeichnung der Aktien ein entsprechendes Kaufangebot ab, das von der Emissionsbank bzw. vom Emissionskonsortium angenommen wird.
Nach der Zulassung der Aktien zum Börsenhandel durch die Börsengeschäftsführung erfolgt die erstmalige Börsennotiz. In diesem Zusammenhang ist noch erwähnenswert, dass die Börsengeschäftsführung den Börsenzulassungsantrag nur formell prüft, d.h. prüft, ob die Zulassungsvoraussetzungen des betreffenden Marktsegments vorliegen oder nicht. Eine materiell-rechtliche Prüfung erfolgt insoweit grundsätzlich nicht.
dd. Nachlaufphase
Nachdem der eigentliche Börsengang vollzogen ist, schließt sich nunmehr die Nachlaufphase an. Die inzwischen börsennotierten Aktien können nunmehr im sog. Sekundärmarkt ohne Beteiligung des Emittenten über die Börse gehandelt werden. Den Emittenten treffen nunmehr die Zulassungsfolgepflichten, deren Umfang davon abhängig sind, in welchem Marktsegment der Börsengang erfolgte.
b. Ablauf des mittelbaren Börsengangs
Zum besseren Verständnis lässt sich der mittelbare IPO eines Unternehmens nach Inkrafttreten des sog. Zukunftsfinanzierungsgesetzes in die nachfolgenden Phasen unterteilen:
aa. Vorbereitungsphase
Bei einem mittelbaren Börsengang erfolgt der Börsengang des Unternehmens, das an die Börse gebracht werden soll, mittels einer börsennotierten Mantelgesellschaft. Diese börsennotierte Mantelgesellschaft wird in Deutschland als Börsenmantelaktiengesellschaft (BMAG) und in den USA als Special Purpose Aquisitions Company (SPAC) bezeichnet.
Entsprechend dieses Zwecks ist der Gegenstand der BMAG auf die Verwaltung des eigenen Vermögens, die Vorbereitung und Durchführung des eigenen Börsengangs sowie die Vorbereitung und der Abschluss der Übernahmetransaktion, die den im Börsenzulassungsprospekt beschriebenen Kriterien entspricht und sich auf ein Unternehmen bezieht, das nicht an einer Wertpapierbörse notiert ist (§ 44 Abs. 1 BörsG). Mithin wird die BMAG gegründet, um durch einen Börsengang Kapital einzusammeln und mit diesem eingesammelten Kapital ein noch nicht börsennotiertes Unternehmen (sog. Zielunternehmen) an die Börse zu bringen.
In der Vorbereitungsphase stehen also die Planung des vereinfachten Börsengangs der BMAG und die Planung der sog. Zieltransaktion im Vordergrund. Wie auch beim unmittelbaren Börsengang werden die den Börsengang begleitenden Emissionsbank bzw. das den Börsengang begleitende Emissionskonsortium sowie Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, die den Börsengang beratend unterstützen, in dieser Phase beauftragt.
bb. Platzierungsphase
In der Platzierungsphase stehen vor allem die Gründung der BMAG und die gegenüber dem unmittelbaren Börsengang vereinfachte Börsenzulassung der BMAG an. Zu diesem Zweck ist ein sog. Börsenzulassungsprospekt für die BMAG zu erstellen.
In der Platzierungsphase stehen dann – vergleichbar wie beim unmittelbaren Börsengang – die sog. Road-Show und die Platzierung der Aktien der BMAG an. Zum Schutz der Anleger bestimmt § 45 BörsG, dass die Einlagen (und ggf. Agio) von einem Treuhänder (z.B. Notar oder Kreditinstitut) gehalten werden müssen. Die Organe der BMAG dürfen dabei keinen Zugriff auf diese Mittel haben.
cc. Investitionsphase
Der Vorstand der BMAG hat in der Investitionsphase vor Durchführung der Zieltransaktion einen Bericht zu erstellen, der die Zieltransaktion beschreibt und die Angemessenheit der Gegenleistung im Verhältnis zum Wert der Zielgesellschaft rechtlich und wirtschaftlich erläutert und begründet (sog. Zieltransaktionsbericht).
Über die Zieltransaktion (d.h. den Erwerb des nicht börsennotierten Zielunternehmens) entscheidet die Hauptversammlung der BMAG mit einem Quorum von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals der BMAG (§ 46 Abs. 3 BörsG).
Aktionäre, die der Durchführung der Zieltransaktion widersprochen haben, können innerhalb von zwei Monaten nach Beschlussfassung die Rückzahlung ihrer Einlagen (ggf. zzgl. Agio) von der BMAG verlangen (§ 47 BörsG).
dd. Nachlaufphase
Wenn eine Zieltransaktion durchgeführt wurde, wird die BMAG als ordentliche Aktiengesellschaft ausschließlich nach den Vorschriften des Aktiengesetzes fortgeführt. Wenn die Zieltransaktion nicht durchgeführt wurde, wird die BMAG aufgelöst und die Einlagen an die Aktionäre zurückgezahlt (§ 47b Abs. 1 BörsG).
Nach Abschluss des Börsengangs ist das Zielunternehmen eine Tochtergesellschaft der BMAG. Es ist dann zu entscheiden, ob diese Struktur beibehalten oder die beiden Gesellschaften miteinander verschmolzen werden.
Dr. Ingo Janert (Stand: 7. Februar 2025, Bild von skeeze auf Pixabay)