Hauptaufgaben der Börse

In diesem Beitrag werden die Hauptaufgaben der Börse dargestellt. Die Zulassung von Wertpapieren zum börslichen Handel ist eine der wichtigsten Aufgaben einer Börse. Eine weitere Hauptaufgabe besteht darin, die Liquidität eines Markts sicherzustellen. Schließlich ist die Feststellung und Veröffentlichung der Börsenpreise eine weitere Aufgabe der Börse.

1. Zulassung von Wertpapieren zum börslichen Handel

Wertpapiere eines Emittenten müssen, damit sie an der Börse gehandelt werden dürfen, zum Börsenhandel zuglassen werden. Die Zulassung der Wertpapiere zum Handel erfolgt durch die Börsengeschäftsführung (§ 32 BörsG). Die Zulassungsvoraussetzungen sind im Hinblick auf die gesetzlichen Marktsegmente (Regulierter Markt oder Freiverkehr) und die von der jeweiligen Börse geschaffenen Marktsegmente (bei FWB: Prime und General Standard, Open Market) unterschiedlich hoch.

a. Zulassungsvoraussetzungen für die gesetzlichen Marktsegmente

aa. Zulassung und Einbeziehung zum regulierten Markt

Die höchsten Zulassungsvoraussetzungen hat der Emittent zu erfüllen, wenn das Wertpapier zum regulierten Markt zugelassen bzw. einbezogen werden soll (§§ 32 ff. BörsG i.V.m. §§ 1 ff. BörsZulV). Die wichtigsten Zulassungskriterien bei Aktien sind:

  • Der Emittent (AG oder KGaA) muss als Unternehmen seit mindestens 3 Jahren bestanden haben.
  • Der voraussichtliche Kurswert der zugelassenen Aktien oder – falls Schätzung nicht möglich – das EK des Unternehmens muss mindestens Euro 1,25 Mio. betragen.
  • Mindestanzahl der Aktien beträgt bei Stückaktien 10.000.
  • Streubesitzanteil beträgt mindestens 25 Prozent.
  • Veröffentlichung eines Wertpapierprospekts.

Neben der Zulassung zum regulierten Markt gibt es auch noch die Einbeziehung zum regulierten Markt. Die Einbeziehung ist auf Antrag oder von Amts wegen möglich, wenn die Wertpapiere bereits an einer anderen inländischen Börse oder innerhalb der EU zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) und b) BörsG) (vgl. hierzu auch Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 186)

bb. Einbeziehung in den Freiverkehr

Die Einbeziehung in den Freiverkehr ist rechtlich deutlich einfacher und bestimmt sich nach der jeweiligen Freiverkehrsrichtlinie (vgl. § 48 BörsG). Der Freiverkehr ist dabei ein multilaterale Handelssystem i.S.v. § 2 Abs. 8 Nr. 8 WpHG und – anders als die Börse – kein organisierter Markt i.S.v. § 2 Abs. 11 WpHG (vgl. Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 156).

b. Zulassungsvoraussetzungen für die Marktsegmente der FWB

Exemplarisch am Beispiel der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) sollen die Zulassungsvoraussetzungen für die einzelnen Marktsegmente dargestellt werden.

aa. Zulassung zum Prime Standard und zum General Standard

Die Aufnahme in den General Standard der FWB erfolgt automatisch mit der Zulassung der Wertpapiere zum regulierten Markt.

Die Zulassung zum Prime Standard setzt zunächst die Zulassung der Wertpapiere zum regulierten Markt voraus. Die Zulassung zum Prime Standard erfolgt auf Antrag des Emittenten, über den die Geschäftsführung der FWB entscheidet.

bb. Einbeziehung in den Open Market

Die Einbeziehung in den Open Market als Marktsegment des Freiverkehrs bei der FWB richtet sich nach den jeweils gültigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Börse AG. Da es sich bei dem Open Market um einen privatrechtlich organisierten Handel unter dem Dach der Deutsche Börse AG handelt, bestimmt die Deutsche Börse AG als Betreiber dieses Marktsegments die Voraussetzungen der Einbeziehung in diesen Freiverkehr.

Neben einem Einbeziehungsantrag wird insoweit etwa verlangt, dass die Wertpapiere frei handelbar sind, über eine ISIN (International Securities Identification Number) verfügen und ggf. einen sog. Designated Sponsor haben.

2. Sicherstellung der Liquidität eines Markts

Eine weitere wichtige Aufgabe der Börse besteht darin, die notwendige Liquidität auch in umsatzschwachen Wertpapieren zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang ist eine Börse verpflichtet, Market-Making-Systeme vorzusehen (§ 26c Abs. 2 BörsG) und die Details hierzu in ihrer jeweiligen Börsenordnung zu regeln (§ 26c Abs. 1 und 3 BörsG).

Market Maker bzw. Designated Sponsors stellen dabei regelmäßig limitierte Order auf Angebots- und Nachfrageseite in das Handelssystem ein, und verpflichten sich, Geschäfte über die von ihnen betrauten Wertpapiere auf der Basis laufend gestellter Geld- und Briefkurse abzuschließen (vgl. Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 166).

3. Feststellung und Veröffentlichung der Börsenpreise

Die zweite wesentliche Funktion der Börse ist die Ermittlung und die Veröffentlichung der festgestellten Börsenpreise, die mit der Auftragsdurchführung untrennbar verbunden ist, da sich der Börsenpreis durch die Zusammenführung von Angebot und Nachfrage nach einem bestimmten Wertpapier bildet.

Die Ermittlung der Börsenpreise erfolgt vor allem im Präsenzhandel noch durch sog. Skontroführer (§ 27 BörsG). Jedes Wertpapier wird dabei ausschließlich durch einen Skontroführer betreut, der Ankauf- und Verkaufsordner des jeweiligen Wertpapiers zusammenführt (vgl. Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 167). Im elektronischen Wertpapierhandel (z.B. XETRA der FWB) bedarf es indes keines Skontroführers mehr, das das elektronische Handelssystem die Aufträge ausführt und die Preise bildet.

Die Feststellung des Preises eines Wertpapiers enthält dabei aber keine Aussage über die Qualität des Wertpapiers als Anlageprojekt oder über die Bonität des Emittenten (sog. formale Kurswahrheit). Die Preisfeststellung im elektronischen Handel ist derjenigen im Präsenzhandel nachgebildet. Im Präsenzhandel gibt es zwei Arten der Preisfeststellung, nämlich das Einheitskursverfahren und die fortlaufende Notierung.

a. Einheitskursverfahren

Das Einheitskursverfahren dient der Preisfestsetzung bei Wertpapieren mit geringen Umsätzen.

Der Einheitskurs (Kassakurs) bestimmt sich nach dem Meistausführungsprinzip. Das heißt, dass derjenige Preis als Börsenpreis festzustellen ist, zu dem die meisten Aufträge bei minimalen Überhang ausgeführt werden können. Überhang meint dabei die Differenz zwischen den zu einem Kurs ausführbaren Kauf- und Verkaufsaufträge.

Können nach dem Meistausführungsprinzip mehrere Börsenkurse ermittelt werden, ist der Kurs festzustellen, der dem zuletzt ermittelten Börsenkurs am nächsten liegt (sog. Grundsatz der Preiskontinuität).

Der Einheitspreis wird regelmäßig nur einmal am Börsentag zu einer von der Börsengeschäftsführung bestimmten Zeit festgesetzt.

b. Fortlaufende Notierung

Im Handel mit fortlaufender Notierung werden umsatzstärkere Papiere gehandelt. In der Praxis stellt der Handel in fortlaufender Notierung den Regelfall dar.

Bei der fortlaufenden Notierung werden die Aufträge ausgeführt, wenn die Aufträge ein Ein- oder Mehrfaches des für den laufenden Handel festgesetzten Mindestbetrages (Stückzahl oder Nennbetrag) decken. Ein durch den Mindestbetrag nicht teilbarer Rest ist zum Einheitskurs auszuführen.

Zu Beginn des Präsenzhandels wird für den laufenden Handel der sog. Eröffnungskurs festgestellt. Der Eröffnungskurs wird im Prinzip wie der Einheitskurs ermittelt. Er bildet die Kursorientierung für den anschließenden Handel in fortlaufender Notierung. Im Verlauf des Börsentages bilden sich oft stark abweichende Kurse für ein Wertpapier, weil sich der Kurs mit jeder Auftragsausführung ändern kann. Dadurch entstehen die Kurscharts für ein Wertpapier. Am Ende des Handelstages wird schließlich der sog. Schlusskurs gebildet. Der Schlusskurs dient z.B. häufig als Grundlage zur Bewertung von Depots.

c. Xetra-Handel „Fortlaufender Handel mit Auktionen“ der FWB

Bei der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) erfolgt die Preisermittlung mit Hilfe des Xetra-Handelsmodells „Fortlaufender Handel mit Auktionen“, das insoweit kurz dargestellt werden soll.

Zu Beginn eines Handelstages erfolgt eine sog. Eröffnungsauktion, in welcher der Eröffnungskurs unter Berücksichtigung möglichst vieler Orders ermittelt wird. Der Eröffnungsauktion schließt sich der fortlaufende Handel an. Im fortlaufenden Handel werden alle Order unmittelbar zu marktgerechten Preisen ausgeführt.

Etwa zur Mittagszeit unterbricht die sog. untertägige Auktion den fortlaufenden Handel. Mit Hilfe der untertägigen Auktion soll die Liquidität zur Mitte des Handelstages gebündelt werden. Im Anschluss daran wird der fortlaufende Handel wieder fortgesetzt.

Um ein sog. gekreuztes Orderbuch – eine preisliche Überschneidung des Geld- und Briefangebots – zu verhindern, werden in der Eröffnungsauktion zu Beginn des Handelstages und in der untertägigen Auktion zur Mittagszeit alle ausführbaren Orders ausgeführt. Alle insoweit nicht ausgeführten oder nur teilweise ausgeführten Market Orders und Limit Orders werden entsprechend ihrer Handelsbeschränkung in den fortlaufenden Handel übernommen.

Am Ende des Handelstages wird der sog. Schlusskurs festgestellt, indem die Liquidität gebündelt wird.

Dr. Ingo Janert (Stand: 09. November 2022, Bild von Ahmad Ardity auf Pixabay)