In diesem Beitrag soll die Ad-hoc-Publizität im Vermögensanlagenrecht (§ 11a VermAnlG) dargestellt werden.
1. Einführung
Art. 17 MAR begründet eine Ad-hoc-Publizitätspflicht für Emittenten, deren Finanzinstrumente an einem regulierten Markt (§§ 32 ff. BörsG), an einem multilateralen Handelssystem (MTF) oder an einem organisierten Handelssystem (OTF) notiert sind bzw. bei denen die Zulassung zum Handel zumindest beantragt worden ist. Die Ad-hoc-Publizität gem. Art. 17 MAR wird hier dargestellt.
Für Vermögensanlagen i.S.v. § 1 VermAnlG begründet demgegenüber § 11a VermAnlG eine eigene Ad-hoc-Publizitätspflicht für Emittenten von Vermögensanlagen, auf die nachfolgend näher eingegangen wird.
2. Voraussetzungen der Ad-hoc-Publizität
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ad-hoc-Publizitätspflicht im Vermögensanlagenrecht (§ 11a VermAnlG) sind nachfolgend:
a. Sachlicher Anwendungsbereich
Nach § 11a Abs. 1 VermAnlG ist der Emittent einer Vermögensanlage verpflichtet. Im Unterschied zur Ad-hoc-Publizität gem. Art. 17 MAR gilt die Ad-hoc-Publizität gem. § 11a VermAnlG nur für eine Vermögensanlage. Was unter einer Vermögensanlage zu verstehen ist, wird hier erläutert.
b. Persönlicher Anwendungsbereich
Verpflichtet ist der Emittent einer Vermögensanlage. Emittent ist dabei nach § 1 Abs. 3 VermAnlG die Person oder Gesellschaft, deren Anteile, Genussrechte, Namensschuldverschreibungen und sonstige Vermögensanlagen aufgrund eines öffentlichen Angebots im Inland ausgegeben werden.
Beispiele für Emittenten sind (vgl. nur Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 567):
- eine Aktiengesellschaft, deren Genussrechte durch eine Bank öffentlich angeboten werden,
- eine KG, die ein Nachrangdarlehen selbst öffentlich anbietet.
Den Emittenten der Vermögensanlage trifft die Ad-hoc-Publizitätspflicht im Zeitraum zwischen der Beendigung des öffentlichen Angebots bis zur vollständigen Tilgung der Vermögensanlage (§ 11a Abs. 1 S. 3 VermAnlG), d. h., wenn alle Haupt- und Nebenforderungen aus der Vermögensanlage erfüllt sind.
c. Veröffentlichungspflichtige Tatsache
Veröffentlichungspflichtig ist gem. § 11a VermAnlG jede Tatsache, die sich auf den Emittenten oder auf die von ihm emittierte Vermögensanlage unmittelbar bezieht, die nicht öffentlich bekannt ist und die geeignet ist, die Tätigkeit des Emittenten zur Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber dem Anleger erheblich zu beeinträchtigen. Im Einzelnen ist hierunter zu verstehen:
- Tatsache: Unter Tatsachen werden Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt oder des menschlichen Innenlebens verstanden, die überprüfbar und somit dem Beweis zugänglich sind. Bei Werturteilen, Prognosen, Ansichten, Meinungen, Empfehlungen, Ratschlägen oder Gerüchten kommt es darauf an, ob diese einen hinreichend konkretisierten Tatsachenkern beinhalten (vgl. Siering/Izzo-Wagner/Range, VermAnlG, Kommentar, 2. Auflage, Berlin 2023, § 11a VermAnlG, Rn. 10). In § 11a Abs. 1 S. 2 VermAnlG werden beispielhaft relevante Tatsachen gesetzlich definiert, wie etwa die drohende Zahlungsunfähigkeit des Emittenten.
- Unmittelbarkeitserfordernis: Die Tatsache muss sich auf den Emittenten oder die von ihm emittierte Vermögensanlage unmittelbar beziehen.
- Keine öffentliche Bekanntheit: Die Tatsache ist nur dann zu veröffentlichen, wenn sie nicht bereits öffentlich bekannt ist. Ausreichend hierfür ist, wenn das breite Anlegerpublikum die Möglichkeit hat, von der Information Kenntnis zu erlangen (vgl. Siering/Izzo-Wagner/Range, a.a.O., Rn, 24 f.).
- Eignung der Tatsache zur erheblichen Beeinträchtigung der anlegerbezogenen Verpflichtungen: Erfasst werden ausschließlich sog. nachteilige Tatsachen, die sich nachteilig auf die Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber dem Anleger auswirken können (vgl. Siering/Izzo-Wagner/Range, a.a.O., Rn. 27).
3. Rechtsfolgen der Ad-hoc-Publizität
Liegen die Voraussetzungen der Ad-hoc-Publizität vor, ist der Emittent der Vermögensanlage verpflichtet, unverzüglich (d. h. ohne schuldhaftes Zögern) die veröffentlichungspflichtige Tatsache zu veröffentlichen.
Der Emittent hat die Tatsache vor der Veröffentlichung der BaFin mitzuteilen (§ 11a Abs. 2 VermAnlG). Danach hat der Emittent die Tatsache zu veröffentlichen und die BaFin hierüber zu unterrichten (§ 11a Abs. 3 VermAnlG).
Der Inhalt der Veröffentlichung ergibt sich aus § 11a Abs. 4 VermAnlG i.V.m. § 2 VermVerMiV.
4. Sanktionen bei Verstößen gegen die Ad-hoc-Publizität
Das VermAnlG sieht keine eigene Haftungsregelung für eine fehlerhafte oder nicht durchgeführte Veröffentlichung nach § 11a VermAnlG vor (vgl. Siering/Izzo-Wagner/Range, a.a.O., Rn. 60). Hierdurch unterscheidet sich die Ad-hoc-Publizität im Vermögensanlagenrecht von der Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 MAR, bei die §§ 97, 98 WpHG eine eigene gesetzliche Schadensersatzhaftung wegen verspäteter und falscher Ad-hoc-Mitteilung i.S.v. Art. 17 MAR begründen. Die Schadensersatzhaftung gem. §§ 97, 98 WpHG wird hier dargestellt.
Zudem stellt § 11a VermAnlG – vergleichbar wie Art. 17 MAR – kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar, weil der Schutz des einzelnen Anlegers eine typische reflexartige Folge der durch § 11a VermAnlG intendierten Transparenz darstellt (wie hier auch Siering/Izzo-Wagner/Range, a.a.O., Rn. 60).
In Einzelfällen kann sich allerdings eine Schadensersatzverpflichtung des Anlegers wegen einer fehlerhaften oder nicht durchgeführten Veröffentlichung nach § 11a VermAnlG aus dem Gesichtspunkt der schuldhaften Verletzung einer Informationspflicht gegenüber dem Anleger aus dem zugrunde liegenden Vertragsverhältnis (§ 280 BGB) oder aus dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) ergeben.
Dr. Ingo Janert (Stand: 19. August 2024, Bild von Thomas Ulrich auf Pixabay)