Schadensersatzhaftung wegen verspäteter und falscher Ad-hoc-Mitteilung

In diesem Beitrag soll die Schadensersatzhaftung wegen verspäteter und falscher Ad-hoc-Mitteilung i.S.v. Art. 17 MAR dargestellt werden. Während § 97 WpHG die Emittentenhaftung für eine unterlassene Ad-hoc-Mitteilung regelt, begründet § 98 WpHG die Haftung des Emittenten für die Veröffentlichung von falschen Insiderinformationen in einer Ad-hoc-Mitteilung.

Nach überzeugender Auffassung handelt es sich bei der Schadensersatzhaftung wegen einer verspäteten und falschen Ad-hoc-Mitteilung i.S.v. Art. 17 MAR um eine sonderdeliktsrechtliche Haftung (vgl. nur vgl. Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 531). Hierfür spricht m.E. die Begründung des ausschließlichen Gerichtsstands gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KapMuG für Klagen, die auf die Emittentenhaftung gem. §§ 97 f. WpHG gestützt werden.

1. Haftung für eine nicht rechtzeitige Ad-hoc-Mitteilung

§ 97 WpHG begründet eine Schadensersatzhaftung des Emittenten eines Finanzinstruments, wenn dieser eine Insiderinformation, die ihn unmittelbar betrifft, nicht unverzüglich nach Art. 17 MAR veröffentlicht hat. Die Voraussetzungen dieser Schadensersatznorm sind:

a. Aktivlegitimation

Aktivlegitimiert (d. h. derjenige, der anspruchsberechtigt ist) ist derjenige

  • Anleger, der die Finanzinstrumente nach der Unterlassung erwirbt und bei Bekanntwerden der Insiderinformation noch Inhaber dieser Finanzinstrumente ist (§ 97 Abs. 1 Nr. 1 WpHG)
  • sowie derjenige Anleger, der die Finanzinstrumente vor Entstehen der Insiderinformation erworben und nach der Unterlassung veräußert hat (§ 97 Abs. 1 Nr. 2 WpHG).

Nach allgemeiner Meinung ist hierfür bereits ausreichend, dass der Anleger das Verpflichtungsgeschäft (z.B. einen Kaufvertrag über Aktien) abgeschlossen hat (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 534).

b. Passivlegitimation

Passivlegitimiert (d. h. derjenige, der anspruchsverpflichtet ist) ist der Emittent von am Kapitalmarkt notierten Finanzinstrumenten.

Was unter einem Finanzinstrument im Sinne von § 97 Abs. 1 WpHG zu verstehen ist, wird hier im Einzelnen erläutert.

Da die Schadensersatzhaftung nach § 97 WpHG an die Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß Art. 17 MAR anknüpft, entspricht der Kreis der Schadensersatzverpflichteten den nach Art. 17 MAR verpflichteten Emittenten. Hier wird der sachliche Anwendungsbereich von Art. 17 MAR erläutert.

c. Unterlassen der unverzüglichen Veröffentlichung einer Insiderinformation

Haftungsvoraussetzung für § 97 WpHG ist das Unterlassen der unverzüglichen Veröffentlichung einer Insiderinformation.

aa. Vorliegen einer Insiderinformation

Voraussetzung ist zunächst, dass eine Insiderinformation i.S.v. Art. 7 MAR vorliegt.

Eine Insiderinformation ist nach dem Grundfall des Art. 7 Abs. 1 lit. a) MAR eine nicht öffentlich bekannte präzise Information, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen. Was im Einzelnen unter einer Insiderinformation zu verstehen ist, wird hier erläutert.

bb. Keine unverzügliche Veröffentlichung der Insiderinformation

Die Insiderinformation, die den Emittenten unmittelbar betrifft, müsste ferner entgegen Art. 17 MAR nicht unverzüglich veröffentlicht worden seien. Der Emittent muss – mit anderen Worten –  gegen seine Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität verstoßen haben. Wann dies der Fall ist, wird hier erläutert.

d. Kausalität

Weiterhin muss das Unterlassen der unverzüglichen Veröffentlichung der Insiderinformation kausal für die Anlageentscheidung des Anlegers gewesen sein (vgl. zum Meinungsstreit nur Poelzig, a.a.O., Rn. 538 m.w.N.).

e. Verschulden

Der Emittent haftet nicht, wenn er nachweist, dass das Unterlassen der unverzüglichen Veröffentlichung der Insiderinformation nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht (§ 97 Abs. 2 WpHG).

Es kommt also darauf an, dass der Emittent die Ad-hoc- Veröffentlichungspflicht gemäß Art. 17 MAR vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat. § 97 Abs. 2 WpHG enthält eine Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast, sodass der Emittent darlegen und beweisen muss, dass ihn kein Verschulden im vorstehenden Sinne trifft.

f. Haftungsausschluss (§ 97 Abs. 3 WpHG)

Der Schadensersatzanspruch besteht nach § 97 Abs. 3 WpHG nicht, wenn der Anleger die Insiderinformation bei Erwerb bzw. Veräußerung kannte.

Nach richtiger Ansicht handelt es sich bei § 97 Abs. 3 WpHG um eine spezielle und damit abschließende Regelung zur Berücksichtigung des Mitverschuldens des Anlegers, sodass eine Kürzung des Schadensersatzanspruchs gemäß § 254 BGB (z.B. im Fall der fahrlässigen Unkenntnis des Anlegers) nicht in Betracht kommt (vgl. hierzu auch Poelzig, a.a.O., Rn. 548).

g. Rechtsfolge

Sind die Voraussetzungen der Schadensersatznorm des § 97 WpHG erfüllt, ist der Emittent dem Anleger zum Schadensersatz gemäß §§ 249 ff. BGB verpflichtet.

Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Anleger seinen Schaden auf zwei verschiedene Arten berechnen:

aa. Vertragsabschlussschaden

Da der Schadensersatzanspruch auf die Rückgängigmachung der Anlageentscheidung gerichtet ist, liegt der Schaden bereits in dem Vertragsschluss als solchen. Da der schadensersatzpflichtige Emittent regelmäßig nicht der Vertragspartner ist, kann der Anleger vom Emittenten nicht die Aufhebung des Kaufvertrages, sondern nur verlangen, dass er so gestellt wird, als habe er den Vertrag nicht abgeschlossen.

Der Anleger kann daher die Erstattung des Entgelts für den Erwerb Zug um Zug gegen Übertragung der Finanzinstrumente bzw. im Fall der Veräußerung die Differenz zwischen dem Wert der veräußerten Finanzinstrumente und dem Verkaufspreis verlangen (§ 251 Abs. 2 S. 1 BGB) (vgl. nur BGHZ 192, 90 (111)).

bb. Kursdifferenzschaden

In der Praxis ist es für den Anleger regelmäßig schwer, zu beweisen, dass die unterlassene Ad-hoc-Mitteilung ursächlich für die Anlageentscheidung war. Bei der Schadensberechnung auf der Grundlage des Kursdifferenzschadens muss der Anleger nur beweisen, dass die Verletzung der Ad-hoc-Publizität auf den Kurspreis Einfluss genommen hat (vgl. nur BGHZ 192, 90 (117 f.)).

Der Kursdifferenzschaden ist dabei der Unterschiedsbetrag zwischen dem Preis, zu dem der Anleger tatsächlich erworben bzw. veräußert hat, und demjenigen, zu dem er im Fall einer pflichtgemäßen Ad-hoc-Veröffentlichung der Insiderinformation erworben bzw. veräußert hätte (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 545).

Wenn es sich bei dem Emittenten um eine Aktiengesellschaft handelt, können die Aktionäre nach h.M. ihre Aktien gem. § 97 WpHG an die Gesellschaft Zug um Zug gegen Rückgewähr der Einlage zurückgeben. Der Normkonflikt zwischen dem kapitalmarktrechtlichen Schadensersatzanspruch (§ 97 WpHG) einerseits und der aktienrechtlichen Kapitalerhaltungsvorschriften (§§ 57, 71 AktG) andererseits wird zugunsten der kapitalmarktrechtlichen Haftung gelöst, da es bei dem Schadensersatzanspruch nach § 97 WpHG nicht um eine Zahlung handelt, die im Hinblick auf die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs gewährt wird, sondern die aufgrund der Verletzung von anlegerschützenden Vorschriften erfolgt und damit schon die Tatbestände der Kapitalerhaltungsvorschriften nicht erfasst (vgl. hierzu im Einzelnen Poelzig, a.a.O., Rn. 549).

h. Sperrwirkung

Nach § 26 Abs. 3 S. 1 WpHG haftet der Emittent für Verstöße gegen Art. 17 MAR nur auf der Grundlage des § 97 WpHG. Nach § 97 Abs. 4 WpHG bleiben aber weitergehende Ansprüche nach den Vorschriften des BGB aufgrund von Verträgen oder vorsätzlichen unerlaubten Handlungen von der Sperrwirkung unberührt. In Betracht kommen insoweit vor allem Schadensersatzansprüche gem. § 823 Abs. 2 BGB oder gem. § 826 BGB (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 552).

2. Haftung für eine falsche Ad-hoc-Mitteilung

§ 98 WpHG begründet eine Schadensersatzhaftung des Emittenten eines Finanzinstruments, wenn dieser eine Insiderinformation, die ihn unmittelbar betrifft, veröffentlicht und die veröffentlichte Insiderinformation unrichtig ist. Die Voraussetzungen dieser Schadensersatznorm sind:

a. Aktivlegitimation

Aktivlegitimiert (d. h. derjenige, der anspruchsberechtigt ist)

  • Anleger, der die Finanzinstrumente nach der Veröffentlichung der unwahren Insiderinformation erwirbt und bei Bekanntwerden der Unrichtigkeit der Insiderinformation noch Inhaber dieser Finanzinstrumente ist (§ 98 Abs. 1 Nr. 1 WpHG)
  • sowie derjenige Anleger, der die Finanzinstrumente vor Bekanntwerden der Unrichtigkeit der Insiderinformation erworben und vor dem Bekanntwerden der Unrichtigkeit der Insiderinformation veräußert hat (§ 98 Abs. 1 Nr. 2 WpHG).

Nach allgemeiner Meinung ist hierfür bereits ausreichend, dass der Anleger das Verpflichtungsgeschäft (z.B. einen Kaufvertrag über Aktien) abgeschlossen hat (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 534).

b. Passivlegitimation

Passivlegitimiert (d. h. derjenige, der anspruchsverpflichtet ist) ist der Emittent von am Kapitalmarkt notierten Finanzinstrumenten.

Was unter einem Finanzinstrument im Sinne von § 97 Abs. 1 WpHG zu verstehen ist, wird hier im Einzelnen erläutert.

Da die Schadensersatzhaftung nach § 97 WpHG an die Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß Art. 17 MAR anknüpft, entspricht der Kreis der Schadensersatzverpflichteten den nach Art. 17 MAR verpflichteten Emittenten. Hier wird der sachliche Anwendungsbereich von Art. 17 MAR erläutert.

c. Veröffentlichung einer unwahren Insiderinformation

Haftungsvoraussetzung für § 98 WpHG ist die Veröffentlichung einer unwahren Insiderinformation durch den Emittenten.

aa. Vorliegen einer Insiderinformation

Voraussetzung ist zunächst, dass eine Insiderinformation i.S.v. Art. 7 MAR vorliegt. Eine Insiderinformation ist nach dem Grundfall des Art. 7 Abs. 1 lit. a) MAR eine nicht öffentlich bekannte präzise Information, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen. Was im Einzelnen unter einer Insiderinformation zu verstehen ist, wird hier erläutert.

bb. Unwahre Insiderinformation

Unwahr ist eine Insiderinformation, wenn ihr Inhalt im Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht den Tatsachen entspricht oder Werturteile oder Prognosen auf falsche Tatsachen gestützt werden bzw. kaufmännisch unvertretbar sind (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 533).

Maßgeblich dafür, ob eine Insiderinformation unwahr ist oder nicht, ist, wie ein durchschnittlich verständiger Anleger die Information verstehen würde. Eine auch nur unvollständige Information kann daher auch eine unwahre Insiderinformation sein (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 533).

Im Zusammenhang mit einer Schadensersatzhaftung wegen verspäteter und falscher Ad-hoc-Mitteilung ist zudem noch zu berücksichtigen, dass diese Haftungsnorm nur eine Schadensersatzpflicht für eine falsche Ad-hoc-Mitteilung i.S.v. Art. 17 MAR begründet. Alle anderen Fälle einer fehlerhaften Kapitalmarktinformation (z.B. durch eine fehlerhafte Pressemitteilung) begründen keine Schadensersatzpflicht gemäß § 98 WpHG. Da der Gesetzgeber bewusst nur die Ad-hoc- Publizität durch eine Schadensersatzpflicht sanktionieren wollte (vgl. BGHZ 192, 90 (96 f.)), scheidet eine analoge Anwendung von § 98 WpHG auf andere fehlerhafte Kapitalmarktinformationen nach richtiger h.M. aus, weil es insoweit schon an einer Regelungslücke fehlt.

d. Kausalität

Weiterhin muss die Veröffentlichung der falschen Insiderinformation kausal für die Anlageentscheidung des Anlegers gewesen sein (vgl. zum Meinungsstreit nur Poelzig, a.a.O., Rn. 538 m.w.N.).

e. Verschulden

Der Emittent haftet nicht, wenn er nachweist, dass er die Unrichtigkeit der Insiderinformation nicht gekannt hat und die Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht (§ 98 Abs. 2 WpHG).

f. Haftungsausschluss (§ 98 Abs. 3 WpHG)

Der Schadensersatzanspruch besteht nach § 98 Abs. 3 WpHG nicht, wenn der Anleger die Unrichtigkeit der Insiderinformation bei Erwerb bzw. Veräußerung kannte.

Nach richtiger Ansicht handelt es sich bei § 98 Abs. 3 WpHG um eine spezielle und damit abschließende Regelung zur Berücksichtigung des Mitverschuldens des Anlegers, sodass eine Kürzung des Schadensersatzanspruchs gemäß § 254 BGB (z.B. im Fall der fahrlässigen Unkenntnis des Anlegers) nicht in Betracht kommt (vgl. hierzu auch Poelzig, a.a.O., Rn. 548).

g. Rechtsfolge

Sind die Voraussetzungen der Schadensersatznorm des § 98 WpHG erfüllt, ist der Emittent dem Anleger zum Schadensersatz gemäß §§ 249 ff. BGB verpflichtet.

Der Anleger kann nach der Rechtsprechung des BGH seinen Schaden auf der Grundlage des nach dem sog. Vertragsabschlussschaden oder nach dem Kursdifferenzschaden berechnen. Auf die entsprechenden obigen Ausführungen zu diesen beiden Berechnungsmethoden bei der Schadensersatzhaftung wegen verspäteter und falscher Ad-hoc-Mitteilung wird verwiesen.

h. Sperrwirkung

Nach § 26 Abs. 3 S. 1 WpHG haftet der Emittent für Verstöße gegen Art. 17 MAR nur auf der Grundlage des § 98 WpHG. Nach § 98 Abs. 4 WpHG bleiben aber weitergehende Ansprüche nach den Vorschriften des BGB aufgrund von Verträgen oder vorsätzlichen unerlaubten Handlungen von der Sperrwirkung unberührt. In Betracht kommen insoweit vor allem Schadensersatzansprüche gem. § 823 Abs. 2 BGB oder gem. § 826 BGB (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 552).

Dr. Ingo Janert (Stand: 12. August 2024, Bild von Euronext Paris)