Die kapitalmarktrechtliche Regulierung im 1. Halbjahr 2022

BaFin- Regulierung

Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über die kapitalmarktrechtliche Regulierung im ersten Halbjahr des Jahres 2022.

1.         Börsenrecht

a.         Produktintervention bezüglich Futures ab 01. Januar 2023

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat am 30. September 2022 gem. Art. 42  Abs. 1 der Europäische Finanzmarktverordnung (Markets in Financial Instruments Regulation, sog. MiFIR) eine Allgemeinverfügung zur Produktintervention bezüglich Futures erlassen, die ab dem 1. Januar 2023 gilt. Den Text der Allgemeinverfügung der BaFin finden Sie hier.

Nach dieser Allgemeinverfügung ist es Wertpapierfirmen ab dem 1. Januar 2023 grundsätzlich nicht mehr erlaubt, gegenüber Kleinanlegern mit Sitz in Deutschland Futures zu vermarkten, zu vertreiben oder zu verkaufen. Dieses Verbot gilt nicht in den zwei nachfolgend genannten Fällen:

  • die Nachschusspflicht für Kleinanleger wird vertraglich ausgeschlossen und der Verlust auf die von diesen für den Future-Handel hinterlegten Mittel (Margin) beschränkt oder
  • der Kleinanleger bestätigt für jedes Future-Geschäft gegenüber der Wertpapierfirma vor Abschluss des Geschäfts, dass er den Future bzw. den Future-Kontrakt ausschließlich zur Absicherungszwecken (sog. Hedging) erwirbt.

Kleinanleger können Futures (d.h. unbedingte, börsengehandelte Termingeschäfte) nicht unmittelbar über die Terminbörse (z.B. EUREX Frankfurt AG (EUREX) oder European Energy Exchange AG (EEX)) handeln, sondern nur über einen zwischengeschalteten Intermediär (Wertpapierfirma) im Rahmen eines Finanzkommissionsgeschäfts. Die Kleinanleger müssen gegenüber dem Intermediär Sicherheiten in Form von Kapitaleinschüssen („Margin“) hinterlegen, sodass etwaige Handelsverluste durch die gestellten Sicherheiten der Höhe nach abgedeckt sind. Wird der durch die Glattstellung eines Future-Kontrakts entstandene Verlust nicht durch die Margin gedeckt, kann der Intermediär den Kleinanleger zur Zahlung eines Nachschusses, d. h. zum Ausgleich des Verlustes durch weitere finanzielle Mittel, verpflichten. Bei besonderen Marktereignissen (sog. Back-Swan-Ereignissen) und den damit einhergehenden erheblichen Kursschwankungen besteht für Kleinanleger, die insbesondere zu Spekulationszwecken mit Futures handeln, das Risiko, dass diese durch den Verlustausgleich in existenzielle Probleme geraten. Zum Schutz vor diesen Risiken hat die BaFin den Future-Handel gegenüber Kleinanlegern verboten.

Persönlich halte ich die Allgemeinverfügung der BaFin vom 30. September 2022 für nicht verhältnismäßig. Es gibt verschiedene mildere Mittel, die einen vergleichbaren Schutz der Kleinanleger sichergestellt hätte, wie dies bereits im Anhörungsverfahren vorgebracht wurde. Die Intermediäre könnten etwa verpflichtet werden, in ihren AGB vorzusehen, dass angemessene Margin-Anforderungen implementiert werden. Ferner könnten die Intermediäre etwa auch verpflichtet werden, einen Neukunden über die mit dem Future-Handel zu Spekulationszwecken verbundenen Risiken aufzuklären und ein Test- oder Prüfverfahren als Voraussetzung für den Future-Handel vorzusehen. Die BaFin übersieht m.E., dass es sich bei dieser Kundengruppe um erfahrene Privatanleger handelt, die nicht von allen Kapriolen des Kapitalmarkts geschützt werden müssen.

b.     Änderung der WpDVerOV und der WpÜG-Angebotsverordnung

Um die europäischen Vorgaben zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren in die Produktüberwachungspflichten zu erfüllen, hat das Bundesfinanzministerium Anfang August 2022 einen Entwurf zur Konsultation vorgelegt, der die Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und -Organisationsverordnung (WpDVerOV) ändert. Ferner schlägt das Ministerium vor, einen veralteten Verweis in der WpÜG-Angebotsverordnung zu aktualisieren. Den Verordnungsentwurf finden Sie hier.

Die neuen Produktüberwachungspflichten werden in der Praxis zur Folge haben, dass betroffene Unternehmen ihre Finanzinstrumente daraufhin überprüfen müssen, ob die neuen gesetzlichen Vorgaben für nachhaltige Finanzinstrumente Anwendung finden. So dann müssen diese für die identifizierten Finanzinstrumente die geforderte Folgebewertung vornehmen.

c.         Technische Durchführungsverordnung betreffend Insiderlisten

Im August 2022 ist die Durchführungsverordnung (EU) 2022/1210 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für die Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 im Hinblick auf das Format der Insiderlisten und deren Aktualisierungen vom 13. Juli 2022 in Kraft getreten.

In praktischer Sicht gibt die EU-Verordnung gesetzliche Muster für Insiderlisten vor. Den Text der Verordnung finden Sie hier.

d.         Technische Durchführungsverordnung für die Offenlegung der Anlagestrategie

Im Frühjahr 2022 ist die Delegierte Verordnung (EU) 2022/1159 zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2019/2033 im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für die Offenlegung der Anlagestrategie durch Wertpapierfirmen vom 11. März 2022 in Kraft getreten.

In praktischer Sicht gibt diese EU-Verordnung Muster für Meldebögen und Tabellen vor. Den Text der Verordnung finden Sie hier.

2.         Investmentrecht

a.         PRIIPs-Basisinformationsblatt ab dem 01. Januar 2023

Versteckt in Art. 8 des Vierten Corona-Steuerhilfegesetzes vom 19. Juni 2022 gibt es mit dem Jahreswechsel einen kleinen Epochenwechsel im Investmentrecht. Den Text des Gesetzes finden Sie hier.

Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2023 (vgl. Art. 9 Abs. 5 des Vierten Corona-Steuerhilfegesetzes) müssen Kapitalverwaltungsgesellschaften für ein Publikumsinvestmentvermögen, das an Privatanleger und semiprofessionelle Anleger vertrieben wird, ein Basisinformationsblatt für Packaged Retail and Insurance-Based Investment Products (verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und von Versicherungsanlageprodukten) („PRIIPs-Basisinformationsblatt“) erstellen und dem Publikum jeweils aktuellen Fassungen auf der Internetseite der Kapitalverwaltungsgesellschaft zugänglich machen (§ 164 Abs. 1 KAGB n.F.). Eine Erleichterung sieht § 164 Abs. 1a KAGB n.F. indes vor: Wenn ein PRIIPs-Basisinformationsblatt abfasst, bereitstellt, überarbeitet und übersetzt wird, müssen nicht zusätzlich die wesentlichen Anlegerinformationen erstellen werden.

Wenn Anteile oder Aktien eines OGAW an professionelle Anleger vertrieben werden, hat die KVG die Wahl, entweder die wesentlichen Anlegerinformationen oder das PRIIPs-Basisinformationsblatt zur Verfügung zu stellen. Soweit Anteile oder Aktien eines Publikums-AIF (Alternativer Investmentfonds) an professionelle Anleger vertrieben werden, wird ab dem 1. Januar 2023 die Pflicht zur Erstellung von wesentlichen Anlegerinformationen entfallen.

b.         Q&A der BaFin zum Vertrieb von Investmentvermögen

Für die Praxis beim Vertrieb von Investmentvermögen hat die BaFin am 5. Juli 2022 häufige Fragen zum Vertrieb und Erwerb von Investmentvermögen nach dem KAGB veröffentlicht. Die Q&A finden Sie bitte hier.

c.         KAVerOV: Verordnungsentwurf zur Konsultation

Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt die kapitalmarktrechtliche Regulierung weiter. So hat die BaFin Ende Mai 2022 einen Verordnungsentwurf zur Änderung der Kapitalanlage-Verhaltens- und -Organisationsverordnung (KAVerOV) zur öffentlichen Konsultation gestellt. Den Verordnungsentwurf finden Sie hier.

Durch die Verordnung zur Änderung der KAVerOV haben Kapitalverwaltungsgesellschaften von Publikumsinvestmentvermögen in ihrer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation und in ihrem Risikomanagement Nachhaltigkeitsrisiken zu berücksichtigen. Sie haben hierfür über die notwendigen Ressourcen und Fachkenntnisse zu verfügen.

C.        Vermögensanlagenrecht

Blindpools: Erweitertes Merkblatt der BaFin

Vermögensanlagen, bei denen das Anlageobjekt nicht konkret bestimmt ist (sog. Blindpools), dürfen seit dem 17. August 2021 gemäß § 5b Abs. 2 VermAnlG nicht mehr öffentlich angeboten werden. Am 30. Juni 2022 hat die BaFin eine erweiterte Fassung ihres Merkblatts zum Verbot von Blindpools im Segment der Vermögensanlagen veröffentlicht. Das Merkblatt finden Sie hier.

In diesem Merkblatt werden die Mindestangaben für die jeweilige Anlagekategorie angegeben, um sicherzustellen, dass es sich bei der angebotenen Vermögensanlage nicht um einen verbotenen Blindpool handelt. Dieses 14-seitige Merkblatt ist vor allem bei der Konzeption und Prospektierung von Vermögensanlagen notwendig, um eine Abgrenzung zu verbotenen Blindpools vornehmen zu können.

Dr. Ingo Janert (Stand: 26. Oktober 2022, Bild von © Kai Hartmann Photography / BaFin)