Rechtsanwalt Peter Mattil über die geplante Aufsicht über Finanzanlagenvermittler

Peter Mattil

Kapitalmarktrecht.Online führt mit dem langjährig im Kapitalmarktrecht tätigen und als Sachverständiger in verschiedenen Gesetzgebungsprozessen der Öffentlichkeit bekannten Rechtsanwalt Peter Mattil aus München ein Interview über die Vor- und Nachteile einer zentralen BaFin-Aufsicht über Finanzanlagenvermittler.

Weitergehende Informationen zum Gesetzgebungsverfahren (Stand: 01. Juli 2020) finden Sie bitte hier. Um das Gesetzgebungsverfahren ist es etwas ruhiger geworden, nachdem der Bundestag die weitere Beratung über den Gesetzentwurf Mitte Juni 2020 abgesetzt und der Wirecard-Skandal das politische Berlin erreicht hat.

Da die Entscheidung, ob die Aufsicht über Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater entweder zentral durch die BaFin oder dezentral durch die Industrie-  und Handelskammern/Gewerbeämter nach wie vor offen ist, soll die Diskussion hierüber fortgesetzt werden.

Sie haben als Sachverständiger die Position der Bundesregierung unterstützt. Was spricht aus Ihrer Sicht für die Bündelung der vertrieblichen Aufsicht bei der BaFin?

Für die zentrale Aufsicht der BaFin über die Finanzanlagenvermittler sprechen verschiedene Argumente.

Zunächst einmal ist die BaFin die zentrale Anlaufstelle für den Kapitalmarkt, dort werden z.B. Prospekte genehmigt und auch die Produktinterventionen durchgeführt. Die Maßnahmen der BaFin wirken sich auch immer auf die Finanzanlagenvermittler aus. Alle Fragen, die direkt mit dem Vertrieb zusammenhängen, haben bei den Gewerbebehörden und den Industrie- und Handelskammern thematisch nichts zu suchen, weil diese Stellen mit diesen Fragen inhaltlich nichts zu tun haben. Das zu vertreibenden Produkt wird immer durch die BaFin reguliert.

Zweitens spricht auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit für eine Zuständigkeit der BaFin. Wenn ein Finanzanlagenvermittler z.B. ein Finanzprodukt nach Frankreich verkaufen will und dieser damit zusammenhängenden Fragen hat, müssen die Gewerbeämter wohl passen und würden ihn an die BaFin verweisen.

Weiterhin ist die BaFin auch die Aufsichtsbehörde über das Versicherungswesen, das Kreditwesen und den Wertpapierhandel. Wenn man jetzt Finanzanlagenvermittler, die ja auch Investmentfonds verkaufen dürfen, ausgegliedert auf die Gewerbebehörden, ergibt dies nicht so viel Sinn.

Auch alle sonstigen Befugnisse im Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Finanzanlagenvermittlers, wie z.B. ein Einschreiten gegen einen Finanzanlagenvermittler, der ein Finanzprodukt ohne Prospekt vertreibt, sind bei der BaFin gebündelt. Die Gewerbeämter können hier mangels eigener Befugnisse nicht gegen den Finanzanlagenvermittler einschreiten. Diese Befugnisse liegen alle bei der BaFin.

Ein weiteres Argument ist, dass es in allen europäischen Ländern – mit Ausnahme Österreichs bei Veranlagungen – eine zentrale Finanzmarktaufsicht gibt. In Frankreich, England und Spanien und in allen Ländern, in denen wir uns erkundigt haben, gibt es nur eine zentrale Finanzmarktaufsicht, die jeweils für alle Bereiche des Produktgebers und des Vertriebs zuständig ist.

Darüber hinaus haben die Gewerbeämter in diesem Bereich keine Fachkompetenz, etwa bei Spezialfragen. Die Frage, ob z.B. eine belgische Genossenschaft, die grenzüberschreitend verkauft, prospektpflichtig ist oder nicht ist, kann nur die BaFin, nicht aber die Gewerbeämter zuverlässig beantworten. Ein Mitarbeiter im Gewerbeamt, der diese Frage zu beantworten hätte, würde selbst bei der BaFin anrufen und es sich erklären lassen.

Von Kritikern des Gesetzgebungsvorhabens wird befürchtet, dass sich die Zentralisierung der Aufsicht nachteilig für die Finanzanlagenvermittler auswirken könnte. Teilen Sie diese Befürchtungen?

Ein Finanzanlagenvermittler muss heute verschiedene Nachweise erbringen, wenn er seine Erlaubnis haben möchte. Wenn zukünftig die BaFin auch für die Finanzanlagenvermittler zuständig ist, muss ein Finanzanlagenvermittler nicht mehr Nachweise beibringen als in der Vergangenheit. Mit der zentralen BaFin-Aufsicht ist für die Finanzanlagenvermittler keine weitere Prüfung oder die Notwendigkeit verbunden, mehr Nachweise beizubringen. Es verändert sich insoweit nichts für die Finanzanlagenvermittler.

Im Gegenteil ist im Gesetz eine entscheidende Verbesserung für gebundene Vermittler vorgesehen. Diese können zukünftig unter einem Haftungsdach tätig werden und haften nicht mehr persönlich. Mit dem neuen Gesetz könnte es – im Unterschied zu dem häufig vorgetragenen Argument, wonach 40.000 Finanzanlagenvermittler aufgeben könnten – vielmehr zu einer „neuen Konjunktur“ kommen, d. h., wir könnten zukünftig noch mehr Finanzanlagenvermittler in Deutschland haben, die unter einem Haftungsdach tätig sein wollen.

Auch im Hinblick auf die Provisionen ändert sich für die Finanzanlagenvermittler unter dem neuen Gesetz nichts. Die Provisionen werden nicht gekappt oder in sonstiger Weise beschränkt, was ja immer mal wieder diskutiert wurde.

Weiterhin wird von Kritikern des Gesetzgebungsvorhabens eingewandt, dass es zu einer Kostenexplosion kommen könnte. Halten Sie dieses Argument für überzeugend?

Das Argument einer Kostenexplosion ist inzwischen widerlegt worden. Es wurde ausgerechnet, dass die Mehrbelastung etwa Euro 50 im Monat beträgt. Es entfällt ja z.B. die bisherige jährliche Prüfung durch einen Wirtschaftsprüfer. Bei dieser Mehrbelastung kann man nicht von einer Kostenexplosion sprechen.

Das Gesetzesvorhaben hat aus Ihrer Sicht also deutliche Vorteile für die Finanzanlagenvermittler (z.B. Möglichkeit eines Haftungsdachs und nur geringfügig höhere Kosten). Warum wenden sich die Kritiker dennoch so vehement gegen eine zentrale BaFin-Aufsicht?

Ich habe erst vor kurzem mit einem Bänker über die Praxis der BaFin-Aufsicht gesprochen. Bei Banken ist es tatsächlich so, dass die BaFin bei den Banken schon regelmäßig vor Ort ist. Ich vermute, dass die Kritiker des Gesetzgebungsvorhabens eine solche BaFin-Kontrolle nach Möglichkeit vermeiden und einfach ihre Ruhe haben wollen. Dass darf aber kein Argument sein, da eine solche Kontrolle aus Anlegerschutz ja gewünscht ist.

Im derzeitigen Wirecard-Skandal wird auch öffentlich Kritik an der BaFin geübt. Glauben Sie, dass der Wirecard-Skandal den Gegnern des Gesetzgebungsvorhabens in die Hände spielen könnte, weil diese z.B. einwenden könnten, dass die BaFin bereits mit ihrer derzeitigen Aufsicht organisatorisch und/oder personell überfordert sei?

Langsam setzt sich die Erkenntnis nach der ersten medialen Aufregung durch, dass es eine Wirecard Bank und eine Wirecard AG gibt. Die Vorgänge um die Wirecard AG haben nicht so viel mit der Bankenaufsicht zu tun. Daher kann man die BaFin nicht einfach als „Vollpfosten“ oder „Totalerversager“ darstellen.

Es sehr wahrscheinlich, dass es bald einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Wirecard-Skandal geben wird. Lässt sich zum derzeitigen Zeitpunkt abschätzen, ob ein solcher Untersuchungsausschuss das Gesetzgebungsverfahren zur Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler zeitlich verzögern kann?

Die Verzögerung ist ja schon eingetreten. Das Gesetzgebungsvorhaben wurde im Juni wegen Wirecard von der Tagesordnung genommen. Der für das Inkrafttreten des Gesetzes geplante 1. Januar wird jedenfalls nicht mehr zu halten sein.

Wir danken Ihnen recht herzlich für das Interview.

Dr. Ingo Janert (Stand: 15. September 2020, Bild von Herrn Peter Mattil)

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