Regelpublizität – Jahresfinanzbericht und Halbjahresfinanzbericht

In diesem Beitrag soll die sog. Regelpublizität gemäß §§ 114 f. WpHG – d. h. der Jahresfinanzbericht (§ 114 WpHG) sowie der Halbjahresfinanzbericht (§ 115 WpHG) – im Einzelnen erläutert werden.

1. Einführung

Inlandsemittenten i.S.v. § 2 Abs. 14 WpHG, deren Wertpapiere zum Regulierten Markt zugelassen sind, sind verpflichtet, die Anleger im Rahmen der sog. Regelpublizität (§§ 114 f. WpHG) regelmäßig über den Geschäftsverlauf im vergangenen Zeitraum zu informieren.

Über diese gesetzliche Regelpublizität hinaus sehen einige Börsenordnungen etwa auch vor, diese vorstehend genannten Finanzberichte auch in englischer Sprache zu veröffentlichen und darüber hinaus auch noch Quartalsmitteilungen zu veröffentlichen. So besteht z.B. im Prime Standard der FWB die Pflicht zur Quartalsberichterstattung. Eine Erläuterung der gesetzlichen Marktstruktur finden Sie hier.

2. Jahresfinanzbericht (§ 114 WpHG)

Im Jahresfinanzbericht soll die Anleger über die Beurteilung der Geschäftstätigkeit des Emittenten im vergangenen Geschäftsjahr informiert werden.

§ 114 Abs. 1 S. 1 a.E. WpHG bestimmt die sog. Subsidiarität der kapitalmarktrechtlichen Regelpublizität. Um den Emittenten vor Doppelbelastungen zu schützen, ist ein Jahresfinanzbericht nur dann aufzustellen, sofern nicht bereits eine handelsrechtliche Rechnungslegungsvorschrift greift. In der Praxis bedeutet dies, dass zur handelsrechtlichen Rechnungslegung regelmäßig nicht noch zusätzlich ein separater Jahresfinanzbericht zu veröffentlichen ist.

a. Inhalt des Jahresfinanzberichts

Nach § 114 Abs. 2 WpHG besteht der Jahresfinanzbericht aus Folgendem:

  • ein nach dem Recht des Sitzstaates des Emittenten erstellter und geprüfter (Konzern-) Jahresabschluss: Der Jahresabschluss hat ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten zu vermitteln und muss mit einem Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers (§ 322 HGB) versehen sein
  • ein nach dem Recht des Sitzstaates des Emittenten erstellter und geprüfter (Konzern-) Lagebericht: In dem Lagebericht muss die Lage des Emittenten zum Zeitpunkt der Berichterstattung verdeutlicht werden; der Lagebericht muss mit einem Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers versehen sein
  • ein sog. Bilanzeid: Die gesetzlichen Vertreter börsennotierter Kapitalgesellschaften haben nach bestem Wissen zu versichern, dass die Vorschriften für den (Konzern-) Jahresabschluss und den (Konzern) Lagebericht eingehalten worden sind
  • ggf. eine Bescheinigung der Wirtschaftsprüferkammer über die Eintragung des Abschlussprüfers oder eine Bestätigung der Wirtschaftsprüferkammer über die Befreiung von der Eintragungspflicht.

Der Jahresfinanzbericht ist indes nicht mit dem Geschäftsbericht zu verwechseln. Geschäftsberichte enthalten regelmäßig neben dem vollständigen Jahresfinanzbericht noch weitere Bestandteile wie z.B. den Bericht des Aufsichtsrats, einen Brief an die Aktionäre und Vergleichbares.

b. Veröffentlichung des Jahresfinanzberichts

Der Jahresfinanzberichts ist innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres des Emittenten zu veröffentlichen (§ 114 Abs. 1 S. 1 WpHG).

3. Halbjahresfinanzbericht (§ 115 WpHG)

Im Halbjahresfinanzbericht sollen die Anleger über die Geschäftsentwicklung der ersten sechs Monate eines Geschäftsjahres des Emittenten informiert werden.

Anders als Jahresfinanzbericht (§ 114 WpHG) trifft die Pflicht zur Erstellung und Veröffentlichung eines Halbjahresbilanzberichts nur Inlandsemittenten, die Aktien oder Schuldtitel im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 WpHG begeben. Emittenten, die z.B. nur Optionsrechte emittieren, sind hierzu nicht verpflichtet.

a. Inhalt des Halbjahresfinanzberichts

Der Halbjahresfinanzbericht besteht gem. § 115 Abs. 2 WpHG aus Folgendem:

  • ein verkürzter Abschluss des Emittenten: Der verkürzte Abschluss muss nach denselben Rechnungslegungsgrundsätzen aufgestellt werden wie der Jahresabschluss; der verkürzte Abschluss muss aber nicht durch einen Abschlussprüfer geprüft sein; ausreichend ist auch eine prüferische Durchsicht durch einen Abschlussprüfer (§ 115 Abs. 5 S. 5 WpHG)
  • ein Zwischenlagebericht
  • ein sog. Bilanzeid

b. Veröffentlichung des Halbjahresfinanzberichts

Der Halbjahresfinanzbericht ist unverzüglich und spätestens innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des Berichtszeitraum zu veröffentlichen (§ 115 Abs. 1 S. 1 WpHG).

4. Sanktionen bei Verstößen gegen die Regelpublizität

Verstöße gegen die sich aus §§ 114 und 115 WpHG ergebenden Pflichten werden als Ordnungswidrigkeiten nach § 120 Abs. 2 Nr. 2 lit. k) bis n), Nr. 4 lit. e) bis g), Abs. 12 Nr. 5 WpHG gehandelt. Für den Fall, dass der Jahres- oder Halbjahresfinanzbericht nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt wird, kann dies gemäß § 120 Abs. 12 Nr. 5 WpHG mit einer Geldbuße bis zu Euro 2 Millionen gehandelt werden (§ 120 Abs. 17 WpHG).

Eine gesetzliche Schadensersatzhaftung des Emittenten – wie etwa für Verstöße gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht in §§ 97 ff. WpHG – sieht das Gesetz nicht vor (vgl. Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., München 2021, Rn. 600).

Eine Schadensersatzhaftung des Emittenten gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 114 f. WpHG kommt nach der zutreffenden h.M. nicht in Betracht, da die §§ 114 f. WpHG nicht als Schutzgesetze zu qualifizieren sind. Die Regelpublizität dient insoweit der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts, währenddessen der Schutz des einzelnen Anlegers ein bloßer Rechtsreflex hiervon ist.

Dr. Ingo Janert (Stand: 23. August 2024, Bild von Gerd Altmann auf Pixabay)