Veränderung von Stimmrechten

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach den §§ 33 ff. WpHG im Fall einer Veränderung von Stimmrechten an börsennotierten Aktiengesellschaften.

1. Einführung

Die §§ 33 ff. WpHG betreffen die nach dem WpHG einzuhaltenden Melde-, Veröffentlichungs- und Dokumentationspflichten bei Veränderung von Stimmrechten und Instrumenten bei börsennotierten Aktiengesellschaften (sog. Beteiligungspublizität). Danach müssen Erwerber bzw. Veräußerer von Aktien bzw. Aktien vertretenden Zertifikaten dem Emittenten und der BaFin mitteilen, wenn sie bestimmte Beteiligungsschwellen erreichen bzw. über- oder unterschreiten (§ 33 Abs. 1 WpHG). Der Emittent ist zur Veröffentlichung dieser Informationen verpflichtet (§ 40 WpHG).

Hiervon zu unterscheiden ist die sog. Regelpublizität gem. §§ 114 ff. WpHG. Inlandsemittenten i.S.v. § 2 Abs. 14 WpHG, die Wertpapiere begeben, sind danach verpflichtet, den Kapitalmarkt in Form von Jahresfinanzberichten (§ 114 WpHG) und Halbjahresfinanzberichten (§ 115 WpHG) regelmäßig über ihren Geschäftsverlauf zu informieren. Die Regelpublizität wird hier darstellt.

Zweck der hier zu behandelnden Beteiligungspublizität (§§ 33 ff. WpHG) ist es demgegenüber, den Kapitalmarkt über die Aktionärsstrukturen und Beherrschungsverhältnisse in den börsennotierten Aktiengesellschaften zu informieren (vgl. Poelzig, Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, München 2021, Rn. 603). Die Anleger sollen etwa erfahren, ob ein neuer Großaktionär auf der Hauptversammlung bestimmenden Einfluss nehmen und damit die strategische Grundausrichtung der Gesellschaft neu ausrichten kann. Auch soll schon frühzeitig für die Aktionäre erkennbar sein, wenn ein Aktionär z.B. seine Beteiligung im Vorfeld einer geplanten Übernahme schrittweise aufstockt (sog. Stakebuilding).

Die Mitteilungspflicht gem. § 33 WpHG unterscheidet sich von der aktienrechtlichen Meldepflicht der §§ 20 f. AktG vor allem dadurch, dass diese im persönlichen Anwendungsbereich weiter ist: Während nach der aktienrechtlichen Meldepflicht nur Aktionäre meldepflichtig sind, die ihrerseits Unternehmen sind, gilt die kapitalmarktrechtliche Meldepflicht sowohl für Unternehmen als auch für Privatpersonen (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 609).

2. Überblick über die Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten

Die §§ 33 bis 45 WpHG sehen verschiedene kapitalmarktrechtliche Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten vor.

a. Mitteilungspflicht gem. § 33 WpHG

Die Mitteilungspflichten nach den §§ 33 ff. WpHG verpflichten den Inhaber von Stimmrechten aus Aktien.

aa. Grundsatz des § 33 WpHG

§ 33 Abs. 1 WpHG setzt als Grundnorm bestimmte Schwellenwerte (3, 5, 10, 15 20, 25, 30, 50 und 75 Prozent ), bei deren Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten der Stimmrechtsinhaber der Gesellschaft sowie der BaFin die Stimmrechtsveränderung mitzuteilen hat. § 34 WpHG ist ein spezieller Zurechnungstatbestand, währenddessen § 35 WpHG Definitionen enthält.

Da Stimmrechte grundsätzlich nur durch den Eigentümer der Aktien ausgeübt werden können, stellt sich die Frage, ob unter den Begriffen „Erwerb, Veräußerung oder in sonstiger Weise“ bereits das schuldrechtliche Rechtsgeschäft (z.B. Kauf, Darlehen, Schenkung) oder erst das dingliche Verfügungsgeschäft (sog. Abstraktionsprinzip) zu fassen ist. § 33 Abs. 3 WpHG stellt klar, dass die Meldepflicht des § 33 Abs. 1 WpHG bereits mit dem Abschluss des schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts ausgelöst wird, sofern dieses unbedingt und sofort zu erfüllen ist. Dies bedeutet:

  • Aus dem Tatbestandsmerkmal „unbedingt“ folgt, dass eine Meldepflicht dann nicht besteht, wenn der Anspruch auf Übereignung eines Aktienpakets aufschiebend bedingt ist (z.B. durch eine kartellrechtliche Freigabe) (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 610).
  • Aus dem Tatbestandsmerkmal „ohne zeitliche Verzögerung“ folgt, dass alle börslichen und außerbörslichen Verpflichtungsgeschäfte erfasst werden, die in der Regel innerhalb von zwei Handelstagen zu erfüllen sind. Termingeschäfte i.S.d. § 2 Abs. 3 WpHG fallen nicht hierunter (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 610).

Durch die Formulierung „der Stimmrechte aus ihm gehörenden Aktien an einem Emittenten“ folgt, dass es auf das Aktieneigentum ankommt. Legitimationsaktionäre (z.B. Depotbank wird zur Ausübung der Stimmrechte ermächtigt) unterliegen daher keiner Mitteilungspflicht. Da es auf die Stimmrechte aus diesen Aktien geht, sind stimmrechtslose Beteiligungen am Kapital des Emittenten (z.B. stimmrechtslose Vorzugsaktien) für die Mitteilungspflicht des § 33 WpHG unbeachtlich (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 612).

bb. Zurechnung gem. § 34 WpHG

In Erweiterung des vorstehenden Grundsatzes sind auch Stimmrechte, die Dritten gehören, dem Meldepflichtigen, gem. § 34 WpHG zuzurechnen, wenn der Meldepflichtige rechtlich oder tatsächlich Einfluss auf den Dritten nehmen kann.

Der abschließende Zurechnungstatbestand des § 34 WpHG enthält folgende Unterscheidung:

  • Zurechnung nach § 34 Abs. 1 WpHG: z.B. vollständige Zurechnung der Stimmrechte, wenn die Aktien von einem Tochterunternehmen (§ 35 WpHG) des Meldepflichtigen gehalten werden (§ 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG)
  • Zurechnung nach § 34 Abs. 2 WpHG: Im Fall einer einvernehmlichen Ausübung von Stimmrechten (sog. Acting-in-concert) kommt gleichfalls eine Zurechnung in Betracht. Selbst ein bloßes sog. Gentlemen´s Agreement ist aufgrund der Formulierung „in sonstiger Weise“ nach wohl h.M. davon erfasst (vgl. Poelzig. a.a.O., Rn. 619 m.w.N.). Beispiele für ein Acting-in-concert sind etwa auch: Pressekampagnen oder Lancieren von Veröffentlichungen, durch die Vorstand und Aufsichtsrat negativ bewertet werden, um so die Unternehmenspolitik des Emittenten tiefgreifend zu verändern (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 621). Praktisch wichtig ist noch die Ausnahme, wonach Vereinbarungen in Einzelfällen nicht zur Zurechnung führen (§ 34 Abs. 2. S. 1 2. HS WpHG). Nach der herrschenden formalen Betrachtungsweise (d.h. ohne Betrachtung der materiellen Auswirkungen) ist etwa die einmalige Abstimmung über die Wahl mehrerer Aufsichtsratsmitglieder als Tagespunkt der Hauptversammlung danach kein Fall des Acting-in-concert.

b. Mitteilungspflicht gem. § 38 WpHG

Um ein unbemerktes Anschleichen durch den Einsatz derivativer Finanzinstrumente (z.B. Optionen, Equity Swaps und Differenzkontrakte) mit Blick auf die Mitteilungspflicht des § 33 WpHG zu vermeiden, sieht § 38 WpHG eine Mitteilungspflicht für bestimmte Instrumente ab einer Beteiligungsschwelle von 5 Prozent vor.

Die Instrumente des § 38 WpHG zeichnen sich dadurch aus, dass sie dem Meldepflichtigen zwar keinen Einfluss auf die Ausübung der Stimmrechte vermitteln, aber doch den relativ kurzfristigen Erwerb der Aktien ermöglichen (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 625). § 38 Abs. 2 WpHG listet nicht abschließend („insbesondere“) einige Finanzinstrumente auf, die eine Mitteilungspflicht des § 38 WpHG auslösen können.

c. Mitteilungspflicht gem. § 39 WpHG

§ 39 WpHG regelt einen Sonderfall. Danach ist auch derjenige mitteilungspflichtig, der zwar nicht die Beteiligungsschwellen der § 33 und § 33 WpHG, aber durch die Addition der Stimmrechte aus den §§ 33 ff. WpHG und der Stimmrechte aus den § 38 WpHG die Beteiligungsschwellen ab 5 Prozent erreicht, über- oder unterschreitet.

d. Mitteilungspflicht gem. § 43 WpHG

Über die Mitteilung der Beteiligungshöhe gem. §§ 33, 34 WpHG hinaus sieht § 43 WpHG eine qualifizierte Mitteilungspflicht vor, wenn ein Meldepflichtiger mindestens Stimmrechtsanteile in Höhe von 10 Prozent erreicht oder überschreitet. Der Inhaber einer solchen wesentlichen Beteiligung muss in einer Meldung über die mit dem Aktienerwerb verfolgten Ziele sowie über die Herkunft der für den Erwerb verwendeten finanziellen Mittel (d.h. über seine entsprechenden Absichten) informieren.

Mit dieser qualifizierten Mitteilungspflicht soll in Anlehnung an das amerikanische Vorbild die Transparenz für Anleger und Arbeitnehmer erhöht und politisch unerwünschte Aktivitäten von Finanzinvestoren erschwert werden (vgl. Poelzig, a.a.O., Rn. 662).

Die Stimmrechte werden dabei nach den Regeln der §§ 33 ff. WpHG berechnet. Allerdings werden nach dem Wortlaut des § 43 WpHG („Meldepflichtiger im Sinne der §§ 33 und 34“) Instrumente i.S.v. § 38 WpHG für die Berechnung des § 43 WpHG nicht berücksichtigt.

Die Frist für die qualifizierte Mitteilung beträgt 20 Handelstage (§ 43 Abs. 1 S. 1 WpHG). Der Emittent hat die erhaltene Mitteilung anschließend unverzüglich, spätestens drei Handelstage nach Zugang zu veröffentlichen und auch dem Unternehmensregister mitzuteilen.

3. Stimmrechtsmitteilungen und -veröffentlichungen

Der Meldepflichtige hat dem Emittenten und der BaFin die Schwellenberührung unverzüglich, spätestens aber innerhalb von 4 Handelstagen mitzuteilen (§ 33 Abs. 1 S. 1 WpHG). Der Inlandsemittent hat sodann die erhaltene Mitteilung des Aktionärs zu veröffentlichen (§ 40 Abs. 1 S. 1 WpHG). Die Veröffentlichung hat in deutscher und ggf. in englischer Sprache mit europaweiter Verbreitung zu erfolgen, spätestens aber 3 Tage nach Zugang der Mitteilung beim Emittenten.

Soweit neben den §§ 33 ff. WpHG auch die aktienrechtlichen Mitteilungspflichten (§§ 20 f. AktG) gelten, gehen die kapitalmarktrechtlichen Regelungen vor (§ 20 Abs. 8 AktG und § 21 Abs. 5 AktG). Das heißt, dass neben den kapitalmarktrechtlichen nicht auch noch zusätzlich die aktienrechtlichen Mitteilungspflichten von Meldepflichtigen zu erfüllen sind.

4. Sanktionen bei Verstößen gegen die §§ 33 ff. WpHG

Die Verstöße gegen die Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten ziehen nachfolgende Sanktionen nach sich:

a. Rechtsverlust gem. § 44 WpHG

Erfüllt der Meldepflichtige seine Meldepflichten gem. §§ 33 ff. WpHG nicht, so verliert er für die Zeit, für welche er die ihm obliegenden Mitteilungspflichten nicht erfüllt hat, die Rechte aus den Aktien, die ihm gehören und die im zugerechnet werden (§ 44 WpHG).

Dies bedeutet, dass der Meldepflichtige in dieser Zeit weder einen Anspruch auf Zahlung der Dividende (§ 58 Abs. 4 AktG) noch seine Stimmrechte auf der Hauptversammlung, wie etwa das Recht der Teilnahme an der HV (§ 118 Abs. 1 AktG) oder die Befugnis zur Anfechtung von HV-Beschlüssen (§ 243 AktG), ausüben kann. Wenn der Meldepflichtige ohne Vorsatz handelt und die Mitteilung nachholt, bleiben die Ansprüche auf Dividendenzahlung (§ 58 Abs. 4 AktG) und auf Verteilung des Vermögens unter den Aktionären (§ 271 AktG) ausnahmsweise bestehen (§ 44 Abs. 1 S. 2 WpHG).

Die wohl h.M. vertritt die Auffassung, dass auch die inhaltlich unvollständige oder unrichtige Mitteilung den Rechtsverlust gem. § 44 WpHG nach sich zieht (vgl. nur Poelzig, a.a.O., Rn. 649 m.w.N.). Dies wird aus dem Begriff der Erfüllung in § 44 Abs. 1 S. 1 WpHG gefolgert und ist m.E. gut vertretbar.

Auch vertritt die h.M. über den Wortlaut hinaus unter Berufung auf das allgemeine Schuldprinzip die richtige Auffassung, wonach der Mitteilungspflichtige den Rechtsverlust vorsätzlich oder fahrlässig verursacht haben muss (vgl. nur Poelzig, a.a.O., Rn. 651).

b. Ordnungswidrigkeit gem. § 120 WpHG

Darüber hinaus stellt der Verstoß gegen die Melde- und Publizitätspflichten gem. §§ 33 ff. WpHG auch eine Ordnungswidrigkeit gem. § 120 WpHG dar.

c. Schadensersatzansprüche aus Delikt

Ob die §§ 33 ff. WpHG Schutzgesetze sind und damit eine Verletzung dieser Pflichten einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB begründet, ist umstritten. M.E. ist der Anlegerschutz wiederum nur Rechtsreflex der §§ 33 ff. WpHG, so dass die §§ 33 ff. WpHG keine individualschützende Normen i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB sind. Darüber hinaus besteht angesichts der bestehenden Sanktionsmöglichkeiten – Rechtsverlust des § 44 WpHG und Ordnungswidrigkeit gem. § 120 WpHG – auch kein Bedürfnis für eine deliktische Haftung gem. § 823 Abs. 2 i.V.m. §§ 33 ff. WpHG.

Ein Anspruch aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung kommt dagegen bei Vorliegen seiner Voraussetzungen neben § 44 WpHG und § 120 WpHG zur Anwendung (vgl. auch Poelzig, a.a.O., Rn. 661).

d. Keine Sanktion bei Verletzung der Mitteilungspflicht gem. § 43 WpHG

Die Nichteinhaltung der qualifizierten Mitteilungspflicht gem. § 43 WpHG zieht indes keine Sanktionen, d.h. insbesondere auch keinen Rechtsverlust nach § 44 WpHG oder keine Ordnungswidrigkeit, nach sich. § 43 WpHG hat insoweit nur einen Appellcharakter.

Dr. Ingo Janert (Stand: 17. September 2024, Bild von Euronext Paris)