Am 1. August 2020 tritt die FinVermV in der neuen Fassung in Kraft. Dieser Beitrag stellt im Überblick dar, was die Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater mit Erlaubnis gemäß § 34 f und § 34 h Gewerbeordnung (GewO) in der verbleibenden Zeit noch tun müssen.
1. Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten
Zukünftig sind auch Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater verpflichtet, Interessenkonflikte zu vermeiden (§ 11a FinVermV n.F.). Im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Vermeidung von Interessenkonflikten bestehen nachfolgende Einzelpflichten:
- Interne Grundsätze zur Identifikation und Vermeidung von relevanten Interessenkonflikten,
- Offenlegung der Interessenkonflikte gegenüber dem Anleger rechtzeitig vor Abschluss des Geschäfts (in eindeutiger und ausführlicher Weise und auf einem dauerhaften Datenträger) sowie
- Änderung der Anstellungsverträge von Mitarbeitern im Hinblick auf die Vergütung oder die Bewertung der Arbeitsleistung des Mitarbeiters dergestalt, dass die Mitarbeiter ihre Beratung ausschließlich an den Bedürfnissen des Anlegers ausrichten (Stichwort: interne Vergütungspolitk)
Im Hinblick auf die Erfüllung der nach § 11a FinVermV n.F. besteht eine Aufzeichnungspflicht nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 b) bis d) FinVermV n.F. und eine Aufbewahrungspflicht gem. § 23 FinVermV n.F. In praktischer Hinsicht sind die zu treffenden Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten zu dokumentieren (z.B. im Organisationshandbuch) und ggf. die Anstellungsverträge von Mitarbeitern anzupassen.
2. Information des Anlegers über Risiken, Kosten und Nebenkosten
§ 13 FinVermV n.F. sieht zum einen neue Informationspflichten vor, die vor dem Abschluss des Geschäfts mit dem Anleger zu erfüllen sind (sog. ex ante-Kosteninformation, § 13 Abs. 1 bis 4 FinVermV n.F.). Zum anderen bestimmt § 13 FinVermV n.F. auch eine Informationspflicht, die nach Abschluss des Geschäfts mindestens einmal jährlich gegenüber dem Anleger zu erfüllen ist (sog. ex post-Kosteninformation, § 13 Abs. 5 FinVermV n.F.).
a. Ex-ante-Kosteninformationspflicht
Die zum 1. August 2020 in Kraft getretene Aufsichtsregelung sieht verschiedene Informationspflichten vor, die rechtzeitig vor Abschluss des Geschäfts dem Anleger mitzuteilen sind. Die Informationen können dabei in standardisierter Form erfolgen, aber müssen nachfolgende Angaben zwingend enthalten:
aa. Informationen über die Finanzanlage auf der Grundlage der Zielmarktbestimmung (§ 80 Abs. 5 WpHG)
Mit Blick auf die Finanzanlage sind nachfolgende Informationen dem Anleger zur Verfügung zu stellen:
- Leitlinien zur Anlage
- Warnhinweise zu den Risiken, die mit der Art der Finanzanlage und der Anlagestrategie verbunden sind
- Informationen, ob die Finanzanlage für Privatkunden oder für professionelle Anleger bestimmt ist
bb. Informationen über die Risiken der Finanzanlage
Vor Abschluss des Geschäfts ist der Anleger über die Risiken der Finanzanlage konkret so aufzuklären:
- Informationen über die mit der Art der Finanzanlage verbundenen Risiken (einschließlich Hebelwirkung und Totalverlust)
- Informationen über die Volatilität der Finanzanlage und der Handelbarkeit der Finanzanlage
- Informationen über die mit der Finanzanlage verbundenen Verpflichtungen (einschließlich Eventualverbindlichkeiten)
- Informationen über Einschusspflichten und vergleichbare Verpflichtungen
cc. Informationen über die Kosten und Nebenkosten
Schließlich sind die Anleger vor der Vermittlung bzw. Empfehlung der Finanzanlage verpflichtet, die Anleger über die (ggf. geschätzten) Kosten und Nebenkosten der Finanzanlage zu informieren (sog. Ex-ante-Informationspflicht):
- Informationen über die Kosten und Nebenkosten der Anlagevermittlung und Anlagenberatung
- Informationen über die Kosten der Finanzanlage, die vermittelt oder empfohlen wird
- Informationen über die Zahlungsmöglichkeiten des Anlegers
Um die Finanzanlagenvermittler zu entlasten, sieht § 13 Abs. 3 FinVermV n.F. vor, dass die Finanzanlagenvermittler die (standardisierten) Informationen, die sie vom Wertpapierdienstleistungsunternehmen, vom Emittent oder vom depotverwaltenden Institut für die Finanzanlage zur Verfügung gestellt bekommen, verwenden können.
Darüber hinaus kann die Informationspflicht des Finanzanlagenvermittlers auch dadurch erfüllt werden, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen, der Emittent oder das depotverwaltende Institut dem Anleger die vorstehend genannten (standardisierten) Informationen direkt zur Verfügung stellt (vgl. § 13 Abs. 3 S. 3 FinVermV n.F.). Allerdings muss der Finanzanlagenvermittler den Anleger in jedem Fall über die Kosten und Nebenkosten seiner Anlagevermittlung oder Anlagenberatung selbst informieren.
b. Ex-post-Kosteninformationspflicht
Die Informationen über die Kosten und Nebenkosten der Finanzanlage sind dem Anleger regelmäßig, mindestens aber einmal im Jahr während der Laufzeit der Finanzanlage zur Verfügung zu stellen (§ 13 Abs. 5 FinVermV n.F., sog. Ex-post-Kosteninformationspflicht).
Der Finanzanlagenvermittler kann seine Informationspflicht wiederum auch dadurch erfüllen, dass der Anleger die jährlichen Informationen über die Kosten und Nebenkosten der Finanzanlage vom Wertpapierdienstleistungsunternehmen, vom Emittenten oder vom depotverwaltende Institut direkt erhält. Allerdings muss der Finanzanlagenvermittler wiederum jährlich selbst den Anleger über die Kosten und Nebenkosten seiner Anlagevermittlung oder Anlagenberatung informieren.
3. Honorar-Finanzanlagenberater: Erstellung einer Geeignetheitserklärung
Ab dem 1. August 2020 trifft den Honorar-Finanzanlagenberater mit Erlaubnis nach § 34 h GewO die neue Pflicht, eine Geeignetheitserklärung vor Vertragsschluss dem Anleger zur Verfügung zu stellen, wenn dieser als Privaturkunde rechtlich zu qualifizieren ist (§ 18 Abs. 1 FinVermV n.F.). Bei der Geeignetheitserklärung handelt es sich dabei um eine Erklärung über die Geeignetheit der im Rahmen der Anlageberatung gegebenen Empfehlung. Der Sache nach handelt es sich eher um eine Empfehlungsbegründung.
In inhaltlicher Hinsicht muss die Geeignetheitserklärung
- die erbrachte Anlageberatung nennen und
- erläutern, wie sie auf die Präferenzen, Anlageziele und die sonstigen Merkmale des Anlegers abgestimmt wurde.
In formaler Hinsicht muss die Geeignetheitserklärung dem Anleger vor Vertragsschluss auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden.
Hat der Honorar-Finanzanlagenberater dem Anleger angeboten, dass er die Geeignetheit der empfohlenen Finanzanlage regelmäßig beurteilt, so ist er verpflichtet, dem Anleger regelmäßige Berichte über die Geeignetheit der Finanzanlage zur Verfügung zu stellen (§ 18 Abs. 3 FinVermV n.F.).
Im vorherigen Entwurf der FinVermV war noch vorgesehen, dass der Honorar-Finanzanlagenberater verpflichtet war, Finanzanlagen nur an den nach § 80 Abs. 9 WpHG vom Produktgeber bzw. Konzepteur bestimmten Zielmarkt zu vertreiben. Nach § 16 Abs. 3 b) FinVermV n.F. besteht jetzt nur noch eine Pflicht, den Zielmarkt zu berücksichtigen und mit dem Anleger abzugleichen (vgl. hierzu auch Baas/Siering, RdF 2019, S. 284 ff., S. 286).
Die Pflicht zur Erstellung und Zurverfügungstellung der Geeignetheitserklärung gilt nicht gegenüber professionellen Kunden i.S.d. 67 Abs. 2 WpHG und gegenüber Privatkunden, die als professionelle Kunden i.S.d. § 67 Abs. 6 WpHG eingestuft werden (vgl. hierzu auch Baas/Siering, a.a.O., S. 287).
4. Aufzeichnung von Telefongesprächen und sonstiger elektronischer Kommunikation (Taping)
Schließlich sieht § 18a Abs. 1 bis 3 FinVermV n.F. für Finanzanlagenvermittler bzw. Honorar-Finanzanlagenberater die neue Pflicht vor, zum Zwecke der Beweissicherung (d.h. zum Schutz der Anleger) die Inhalte von Telefongesprächen und sonstiger elektronischer Kommunikation (z.B. E-Mail, SMS, WhatsApp) aufzuzeichnen (sog. Taping). Bereits seit Inkrafttreten von MiFiD II am 01. Januar 2018 besteht für Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit KWG-Zulassung die Taping-Pflicht.
Darüber hinaus sind auch Aufträge im Rahmen eines persönlichen Gesprächs (sog. Face-to-Face-Gespräch) mittels eines dauerhaften Datenträgers zu dokumentieren (§ 18a Abs. 4 FinVermV n.F.). Auch wenn die neue Taping-Pflicht im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, ist diese neue Dokumentationspflicht in ihrer praktischen Auswirkung nicht zu unterschätzen.
a. Informationspflicht vor Aufzeichnung
Zum Schutz der Anleger sowie der beim Finanzanlagenvermittler bzw. Honorar-Finanzanlagenberater beschäftigten Mitarbeiter sieht § 18a Abs. 3 FinVermV n.F. eine Informationspflicht vor Beginn der Aufzeichnung vor.
Der Anleger sowie die Mitarbeiter des Finanzanlagenvermittlers bzw. Honorar-Finanzanlagenberaters sind danach vorab in geeigneter Weise über das Taping zu informieren. Diese Information muss aber nicht vor jeder Aufzeichnung (erneut) erfolgen, sondern kann als einmalige Information vor der erstmaligen Durchführung der Aufzeichnung vorgenommen werden.
b. Kein Widerspruch des Anlegers
Die Aufzeichnungspflicht des § 18a Abs. 3 a.E. FinVermV n.F. sieht des Weiteren das Recht vor, dass der Anleger der Aufzeichnung widersprechen kann. Widerspricht der Anleger der Aufzeichnung, darf der Finanzanlagenvermittler bzw. Honorar-Finanzanlagenberater keine telefonische oder mittels sonstiger elektronische Kommunikation veranlasste Anlagevermittlung oder Anlageberatung erbringen.
c. Inhalt der Aufzeichnung
Die Aufzeichnung soll dabei insbesondere diejenigen Teile der Telefongespräche und der sonstigen elektronischen Kommunikation umfassen, in welchen
- die angebotene Dienstleistung der Anlagenberatung oder der Anlagevermittlung sowie
- die Risiken, die Ertragschancen oder die Ausgestaltung von bestimmten Finanzanlagen oder Gattungen von Finanzanlagen erörtert werden.
In diesem Zusammenhang ist darauf zu achten, dass die vorstehend genannte Aufzeichnungspflicht auch dann gilt, wenn das Telefongespräch oder die sonstige elektronische Kommunikation nicht zum Abschluss eines Vertrages führt (vgl. § 18a Abs. 1 a.E. FinVermV n.F.).
Die Aufzeichnungspflicht gilt danach also nicht, wenn sich die Telefongespräche und elektronische Kommunikation nicht auf die Beratung oder Vermittlung von Finanzanlagen beziehen, z.B. Gespräche, die Versicherungsprodukte oder Darlehen thematisieren oder nur Terminabsprachen betreffen (vgl. hierzu auch Baas/Siering, a.a.O., S. 287).
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass ein zunächst aufzeichnungspflichtiges Gespräch sich zu einem nicht aufzeichnungspflichtigen entwickeln kann und umgekehrt (vgl. hierzu auch Baas/Siering, a.a.O., S. 287).
d. Sicherung der Aufzeichnung
Die erfolgte Aufzeichnung eines Telefonats oder einer sonstigen elektronischen Kommunikation muss gegen nachträgliche Verfälschung und unbefugte Verwendung gesichert werden. Sie darf zudem nur zu Beweiszwecken – d.h. gegenüber der Aufsicht und im Haftungsfall – verwendet werden.
Die aufzeichnungspflichtigen Telefongespräche und elektronische Kommunikation sind nunmehr 10 Jahre aufzubewahren. Die Unterlagen sind dabei so aufzubewahren, dass sie von den Geschäftsräumen aus zugänglich sind. In praktischer Hinsicht können die Unterlagen also entweder physisch in den Geschäftsräumen selbst aufbewahrt werden oder elektronisch auf externen Servern, soweit ein Zugriff von den Geschäftsräumen möglich ist (vgl. hierzu auch Baas/Siering, a.a.O., S. 287).
e. Pflicht zur Fertigung einer Kopie der Aufzeichnung
Schließlich bestimmt § 18a Abs. 6 FinVermV n.F., dass der Anleger bis zum Ablauf der zehnjährigen Aufbewahrungsfrist jederzeit verlangen kann, dass ihm eine Kopie der Aufzeichnung zur Verfügung gestellt wird.
f. Löschung der Aufzeichnung
Nach Ablauf der zehnjährigen Aufbewahrungsfrist sind die Aufzeichnungen zu löschen oder zu vernichten. Die Löschung oder Vernichtung ist von Finanzanlagenvermittler bzw. Honorar-Finanzanlagenberater zu dokumentieren.
5. Weitergehende Informationen zum Thema
Wenn Sie insoweit noch weitere Fragen zu diesen Thema haben, können Sie mich jederzeit gerne ansprechen.
Dr. Ingo Janert (Aktualisiert: 24. Juli 2020, Bild von StartupStockPhotos auf Pixabay)