Liebe BaFin – nicht zu vorschnell bei Verdachtsbekanntmachungen!

BaFin Verdachtsbekanntmachung

In diesem Beitrag wird kritisch auf die Stellungnahme der BaFin vom 15. September 2021 eingegangen. In dieser BaFin-Stellungnahme wird aus meiner Sicht der unrichtige Eindruck hervorgerufen, dass Anbieter keine Möglichkeit haben, sich gegen eine Verdachtsbekanntmachung der BaFin zur Wehr zu setzen.

1. Sachverhalt und Stellungnahme vom 15. September 2021

Anstoß dieses Verfahrens war das öffentliche Angebot der R&R Consulting GmbH mit Sitz in Kulmbach. Die Anbieterin hatte unter der Marke Aurimentum einen Goldsparplan „Goldkauf mit Treuebonus“ öffentlich angeboten. Die BaFin stufte dieses Produkt als Vermögensanlage ein und untersagte das öffentliche Angebot wegen fehlenden Verkaufsprospekts am 20. Juli 2021.

Am 28. Oktober 2020 veröffentlichte die BaFin auf ihrer Webseite nachfolgende Verdachtsbekanntmachung:

R & R Consulting GmbH: Anhaltspunkte für fehlenden Verkaufsprospekt

Die BaFin hat Anhaltspunkte dafür, dass die R & R Consulting GmbH in Deutschland unter der Markenbezeichnung Aurimentum eine Vermögensanlage in Form einer „sonstigen Anlage, die eine Verzinsung und Rückzahlung oder einen vermögenswerten Barausgleich im Austausch für die zeitweise Überlassung von Geld gewährt oder in Aussicht stellt“ i. S. d. § 1 Abs. 2 Nr. 7 Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) mit der Bezeichnung „Goldkauf mit Treuebonus“ öffentlich anbietet.

Die Anbieterin begehrte daraufhin gem. Art. 12 GG i.V.m. § 1004 BGB analog im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht in Frankfurt a.M. die Löschung der vorstehendenden Bekanntmachung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache.

Das Verwaltungsgericht lehnte mit Beschluss vom 29. Dezember 2020 (Aktenzeichen: 7 L 2897/20.F) den Antrag der Anbieterin ab, weil die angegriffene Bekanntmachung formell und materiell rechtmäßig sei. Die Bekanntmachung sei insbesondere formell rechtmäßig, weil sie kein Verwaltungsakt sei und daher keiner Anhörung gem. § 28 VwVG bedurft hätte. Die Bekanntmachung beruhe als mittelbar-faktischer Grundrechtseingriff auf einer gesetzlichen Grundlage und wahre den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Im sich anschließenden Beschwerdeverfahren vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof wandte sich die Anbieterin Anfang Januar 2021 gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt a.M. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof lehnte die Beschwerde der Anbieterin mit Beschluss vom 17. März 2021 (Aktenzeichen: 6 B 84/21) ab.

Im Nachgang zu diesem Verfahren veröffentlichte die BaFin auf ihrer Webseite am 15. September 2021 nachfolgende Stellungnahme, die teilweise wie folgt wörtlich lautet:

BaFin darf Verbraucher bei Verdacht umgehend informieren

Die Aufsicht muss Anbieter nicht anhören, bevor sie den Verdacht auf einen Verstoß gegen die Prospektpflicht bekanntmacht. Dies ist nun gerichtlich entschieden.

(…)

Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat bestätigt, dass die BaFin den Anbieter vor der Veröffentlichung der prospektrechtlichen Verdachtsbekanntmachung nicht gemäß § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) anhören muss (Az. 7 L 2897/20.F). Damit stützt das Gericht die Verwaltungspraxis der BaFin. Ein Anbieter hatte mit einem Eilantrag die Löschung der prospektrechtlichen Verdachtsbekanntmachung gefordert. Zur Begründung hatte er insbesondere darauf abgestellt, dass ihm vor der Veröffentlichung keine Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden sei.

„Mit dieser Gerichtsentscheidung werden wichtige Befugnisse der BaFin für öffentliche Bekanntmachungen gestärkt“, erklärt Beatrice Freiwald, BaFin-Exekutivdirektorin für Innere Verwaltung und Recht. „So können wir dem kollektiven Verbraucherschutz auch weiterhin ohne Verzögerungen Rechnung tragen.“

Bekanntmachung ist Realakt

Eine Anhörung ist nach Ansicht des Gerichts nicht erforderlich, weil die Bekanntmachung mangels Regelungscharakters kein Verwaltungsakt, sondern ein sogenannter Realakt ist. Die BaFin stelle durch die Bekanntmachung nämlich keine Rechte oder Pflichten verbindlich fest. Die Bekanntmachung führe keine Rechtsfolge herbei, sondern diene vielmehr der Information der Öffentlichkeit. Daher finde § 28 VwVfG keine Anwendung, der grundsätzlich vorsieht, dass die Betroffenen vor Erlass eines Verwaltungsakts angehört werden müssen.

Das Gericht schloss auch eine analoge Anwendung von § 28 VwVfG im Hinblick auf die Bekanntmachungen der BaFin aus. Zum einen liege keine planwidrige Regelungslücke vor, die eine analoge Anwendung rechtfertige. Zum anderen sei die Interessenlage im Vorfeld von Bekanntmachungen nicht mit der des § 28 VwVfG vergleichbar. Diese Regelung bezwecke, den Betroffenen eine Möglichkeit zur Wahrung ihrer Verfahrensrechte vor einer verbindlichen Entscheidung ihrer Rechte und Pflichten einzuräumen. Zugleich liege die objektive Funktion der Norm darin, den Sachverhalt aufzuklären. Die Bekanntmachung der BaFin bezwecke hingegen keine abschließende Sachverhaltsaufklärung, sondern sei dazu da, rasch mitzuteilen, dass Anhaltspunkte für ein öffentliches Angebot ohne die Veröffentlichung eines von der BaFin gebilligten Verkaufsprospekts vorliegen.

2. Kritik an der Stellungnahme der BaFin

Aus meiner Sicht ruft die Stellungnahme der BaFin vom 15. September 2021 bei einem durchschnittlichen Leser die unrichtige Schlussfolgerung hervor, dass Anbieter keine Möglichkeit haben, sich gegen eine Verdachtsbekanntmachung der BaFin im Internet zur Wehr zu setzen.

a. Zunächst einmal ist festzustellen, dass sich der Hessische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 17. März 2021 mit der Frage der formellen Rechtmäßigkeit der prospektrechtlichen Bekanntmachung nicht beschäftigt hatte, da die Beschwerde der Anbieterin auf diesen Aspekt nicht gestützt wurde. Hierzu heißt es im Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshof unter Randziffer 8:

Nicht im Sinne von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO auseinandergesetzt hat sich die Antragstellerin mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur formellen Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung, weswegen der Senat diese nicht weiter prüft.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof musste also die Frage der formellen Rechtmäßigkeit der Verdachtsbekanntmachung im Internet nicht prüfen. Wie das Gericht die damit verbundenen Fragen – VA-Qualität der Bekanntmachung bzw. direkte oder analoge Anwendung des § 28 VwVfG – beurteilt hätte, wissen wir also nicht. Hierauf hätte die BaFin meiner Meinung nach in ihrer Stellungnahme vom 15. September 2021 hinwiesen müssen.

b. Liest ein durchschnittlicher Leser die Stellungnahme der BaFin vom 15. September 2021, kann er den Eindruck gewinnen, dass Anbieter keine Möglichkeit haben, sich gegen eine Verdachtsbekanntmachung der BaFin zur Wehr zu setzen.

Selbst wenn man aber zu dem Ergebnis gelangt, dass eine solche Internet-Bekanntmachung kein Verwaltungsakt i.S.v. § 35 VwVfG ist, besteht die Möglichkeit, dass der betroffene Anbieter gegen die Verdachtsbekanntmachung der BaFin im einstweiligen Rechtsschutz gerichtlich vorgeht, da es auch gegen bloße Realakte einstweiligen Rechtsschutz gibt (§ 123 VwVfG).

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Bekanntmachung im Internet um eine Ermessensentscheidung der BaFin handelt (§ 26b VermAnlG: „… so kann die Bundesanstalt diesen Umstand auf ihrer Internetseite öffentlich bekannt machen“). Die Verdachtsbekanntmachung dient dabei vorrangig der Warnung potentieller Anleger. Die öffentliche Verdachtsbekanntmachung entfaltet aber auch eine Prangerwirkung für den betreffenden Anbieter, die für den Anbieter existenzgefährdend, jedenfalls aber geschäftsschädigend sein kann.

Daher verlangt das Gesetz zwingend eine Güterabwägung der Rechte des betroffenen Anbieters (z.B. Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung) mit dem mit der Veröffentlichung verfolgten Schutz der Anleger im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung (Geeignetheit, Erforderlichkeit, Angemessenheit). Auch diese Verhältnismäßigkeitsprüfung nimmt denn auch im Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshof vom 17. März 2021 einen großen Raum ein (vgl. nur Randziffer 19). Im Fall einer unzureichenden Verhältnismäßigkeitsprüfung kann eine Verdachtsbekanntmachung im Internet durchaus mit Erfolg gerichtlich überprüft werden.

Dr. Ingo Janert (Stand: 25. Oktober 2021, Bild von © Kai Hartmann Photography / BaFin)