Corona-Virus: Kommissionsvorschlag zur Änderung von Prospektverordnung, MiFID II und Verbriefung

Europäische Kommission

Die Kommission hat am 24. Juli 2020 ihren Vorschlag zur Stärkung der europäischen Kapitalmärkte zur Bewältigung der Corona-Virus-Pandemie vorgestellt. In diesem Beitrag soll auf die geplanten Änderungen der Prospektverordnung, der MiFID II und der Verbriefungsvorschriften eingegangen werden.

Der Aktionsplan der Kommission zur wirtschaftlichen Erholung der Kapitalmärkte (Capital Markets Recovery Package) besteht

  • aus verschiedenen Änderungen der Prospektverordnung,
  • aus (vorgezogenen) Änderungen der MiFID II-Richtlinie sowie
  • aus verschiedenen Änderungen der Vorschriften zur Verbriefung.

1.  Gezielte Änderungen der Prospektverordnung

Zentrales Element im Bereich der geplanten Änderungen der Prospektverordnung (VO (EU) Nr. 2017/1129) ist die Schaffung eines sog. „EU-Wiederaufbauprospekts“ (EU Recovery prospectus). Mithilfe dieses Kurzprospekts soll eine schnelle Rekapitalisierung von Unternehmen ermöglicht werden und Emittenten in die Lage versetzt werden, zu Beginn des Erholungsprozesses öffentliche Märkte für sich zu erschießen.

Der EU-Wiederaufbauprospekt zeichnet sich vor allem durch die nachfolgenden Merkmale aus:

  • der Kurzprospekt richtet sich an Emittenten, deren Anteile seit mindestens 18 Monaten an einem geregelten Markt oder einem KMU-Wachstumsmarkt (z.B. Freiverkehrssegment Scale der FWB) zugelassen sind,
  • der Kurzprospekt beinhaltet max. 30 Seiten sowie eine zweiseitige Zusammenfassung, wobei die Möglichkeit besteht, auf bereits veröffentlichte Informationen zu verweisen,
  • der notwendige Prospektinhalt des Kurzprospekts soll in einem neuen Anhang Va zur Prospektverordnung festgelegt werden (z.B. Darstellung der wesentlichen Risikofaktoren, Jahresabschlüsse der vergangenen 12 Monate),
  • verkürzte Prüfungsfrist für den Kurzprospekt von fünf Tagen,
  • Nutzung des Kurzprospekts für einen Zeitraum von bis zu 18 Monaten nach Inkrafttreten der Änderungen der Prospektverordnung.

Die Kommission bringt den geplanten EU-Wiederaufbauprospekt auf die einfache Formel, dass der neue Kurzprospekt für die Emittenten leicht zu erstellen, für Anleger leicht zu verstehen und für die zuständigen nationalen Behörden leicht zu prüfen sein soll. Hierbei handelt es sich m.E. mit Blick auf den Umfang heutiger Emissionsprospekte um die richtige Grundidee.

Darüber hinaus soll die Mittelbeschaffung für Finanzintermediäre (wie z.B. Geschäfts- oder Investmentbanken) erleichtert werden. Die wesentlichen Erleichterungen hierbei sind:

  • Die Finanzintermediäre sollen die Anleger bei Veröffentlichung eines Nachtrags benachrichtigen. Die neuen Änderungen sollen klarstellen, welche Anleger wann benachrichtigt werden sollten.
  • Die Ausnahme von der Prospektpflicht für Nichtdividendenwerten, die von Kreditinstituten dauernd oder wiederholt ausgegeben werden, sollen temporär erweitert werden, d.h. auf einen aggregierten Gesamtwert von Euro 150 Mio. statt Euro 75 Mio.

Das Europäische Parlament und der Rat müssen insoweit dem Kommissionsvorschlag noch zustimmen. Soweit der Kommissionsvorschlag in Kraft getreten ist, gelten die Änderungen der Prospektverordnung unmittelbar in den Mitgliedsstaaten.

2. Vorgezogene Änderungen der MiFID II-Richtlinie

Weiteres zentrales Element des Kommissionsvorschlages sind vorgezogene Änderungen der MiFID II-Richtlinie (RL 2014/65/EU).

Die MiFID II-Richtlinie enthält Vorschriften für Wertpapierfirmen, die an den europäischen Finanzmärkten tätig sind. Die Bestimmungen von MiFID II geben vor, wie Wertpapierfirmen mit Anlegern kommunizieren sollen, und wie sie die Märkte, an denen der Handel stattfindet, organisieren sollen.

In der Praxis hatte sich bereits gezeigt, dass einige MiFID II-Regelungen nicht notwendig oder für die Wertpapierfirmen sehr belastend waren. Die Corona-Virus-Pandemie hat insoweit zu einer Beschleunigung des entsprechenden EU-Gesetzgebungsprozesses geführt. Um die regulatorischen Anforderungen zu reduzieren, sieht der Aktionsplan vor allem nachfolgende Änderungen vor:

  • Verbesserung der Melde- und Informationspflichten gerade gegenüber professionellen Anlegern (z.B. Großunternehmen und Finanzinstitute) etwa durch eine Verringerung der Zahl der automatisch zu übermittelnden Pflichtangaben, durch die Abschaffung der sog. Product Governance bei bestimmten Produkten oder durch die Erleichterung, dass Informationen künftig grundsätzlich in elektronischer Form (Ausnahme: Kleinanleger, die das Recht behalten, ein Papierdokument zu verlangen) bereitgestellt werden sollen,
  • Änderungen betreffend die Regelungen für Derivate, deren Basiswert eine börsenmäßig gehandelte Ware wie Gas und Elektrizität ist, wodurch die Entwicklung der auf Euro lautenden Energiemärkte unterstützt werden sollen und europäischen Unternehmen die Möglichkeit eingeräumt werden soll, ihre Risiken abzusichern,
  • Überarbeitung der Regeln für die Erstellung von Analysen von Small- und Mid-Cap-Unternehmen sowie für festverzinsliche Instrumente. Der Vorschlag der Kommission gestattet gemeinsame Zahlungen für die Vermittlung und Analyse bei kleinen und mittleren Emittenten sowie für Analysen für festverzinsliche Instrumente, wodurch die derzeitige Anforderung, ein eigenständiges Analysekonto (RPA-Konto) einzurichten oder Analysen getrennt in Rechnung zu stellen, entfällt.

Auch im Hinblick auf die geplanten MiFID II-Änderungen bedarf es noch der Zustimmung des Europäischen Parlaments und des Rates. Die Änderungen an der MiFID II-Richtlinie müssen indes von den Mitgliedstaaten erst noch in nationales Recht umgesetzt werden.

3.  Gezielte Änderungen der Vorschriften zur Verbriefung

Schließlich umfasst der Aktionsplan der Kommission zur Stärkung der Kapitalmärkte gezielte Änderung der Vorschriften über die Verbriefung (Verbriefungsverordnung, VO (EU) Nr. 2017/2402) sowie Eigenkapitalverordnung, VO (EU) Nr. 575/2013).

Unter einer Verbriefung versteht man dabei das Verfahren, bei dem ein Kreditgeber durch Bündelung von Forderungen (z.B. von Autokrediten) ein Finanzinstrument auflegt und Anlegern zum Kauf anbietet. Durch die Verbriefung wird der Zugang zu einem breiten Spektrum von Anlegern erleichtert, die Liquidität so erhöht und bei den Banken Kapital für neue Kredite freigesetzt.

Die neuen Verbriefungsvorschriften der EU – STSSR und der CRR – bestehen seit Januar 2019. Ziel des Kommissionsvorschlages ist es dabei, Bankenkapital freizusetzen und die Banken bei ihren Bemühungen zu unterstützen, ihre Kreditvergabe an Haushalte und Unternehmen auszuweiten. Die geplanten Änderungen sollen

  • den STS-Rahmen auf bilanzwirksame synthetische Verbriefungen ausweiten. Unter bilanzwirksame synthetische Verbriefungen werden dabei Verbriefungen verstanden, bei denen die zugrunde liegenden Vermögenswerte weiter im Eigentum des Originators verbleiben, während das Eigentum an den zugrunde liegenden Vermögenswerten bei traditionellen Verbriefungen („True Sale“) auf eine andere Partei  (in der Regel auf eine Verbriefungszweckgesellschaft, SSPE) übergeht. Bei synthetischen Verbriefungen wird also das mit einem Pool zugrunde liegender Forderungen verbundene Kreditrisiko über finanzielle Garantien oder Kreditderivate auf die Anlieger übertragen, während die Forderungen in der Bilanz verbleiben. Indem bilanzwirksame synthetische Verbriefungen unter den Begriff STS (Simplizität, Standardisierung und Transparenz) gefasst werden, soll Banken ein weiterer Anreiz für die Nutzung dieser Art der Verbriefung gegeben und so zusätzliches Kapital für Kredite an Haushalte und Unternehmen freigesetzt werden.
  • die rechtlichen Hindernisse für die Verbriefung notleidender Kredite beseitigen, weil der derzeitige Verbriefungsrahmen nach Ansicht der Kommission nicht für die Verbriefung notleidender Kredite ausgelegt ist.

Die geplanten Änderungen im europäischen Verbriefungsrecht sind m.E. mit Blick auf den Schutz der Anleger nicht ganz unkritisch zu beurteilen. Insoweit bleibt allerdings der weitere EU-Gesetzgebungsprozesses abzuwarten.

Sobald sich das europäische Parlament und der Rat auf die von Kommission vorgelegten Legislativvorschläge geeinigt haben, kann auch der geänderte europäische Verbriefungsrahmen – wie auch die Änderungen der Prospektverordnung – unmittelbar in den Mitgliedstaaten in Kraft treten.

Dr. Ingo Janert (Stand: 03. August 2020, Bild von almathias auf Pixabay)

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