Rechtsschutz im Enforcement-Verfahren

In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, welchen Rechtsschutz kapitalmarktorientierte Unternehmen im sog. Enforcement-Verfahren der BaFin haben. Im Rahmen dieses Verfahrens prüft die BaFin seit dem 01. Januar 2022, ob die Rechnungslegung der kapitalmarktorientierten Unternehmen den gesetzlichen Vorgaben entspricht.

1. Einleitung

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität („FISG“) zum 1. Januar 2022 ist die BaFin für die Überwachung von Unternehmensabschlüssen von kapitalmarktorientierten Unternehmen zuständig. Gerade auch vor dem Hintergrund der Bilanzmanipulationen im Fall Wirecard war die Stärkung des Vertrauens der Anleger ein zentrales Anliegen des FISG (vgl. nur Habbe/Vogt, BKR 2025, S. 625 (S. 625) m.w.N.).

Im Rahmen des sog. Enforcement-Verfahren (§§ 106 bis 113a WpHG) prüft die BaFin Unternehmen, für die als Emittenten von zugelassenen Wertpapieren Deutschland der Herkunftsstaat ist. Danach unterliegen etwa Unternehmen, die Wertpapiere im Freiverkehr an einer inländischen Börse emittiert haben, nicht diesem besonderen BaFin-Verfahren. Hier fehlt es an einer Notierung der Wertpapiere an einem organisierten Markt (§ 2 Abs. 13 WpHG).

Das Enforcement-Verfahren ist dabei subsidiär. Das bedeutet, dass das Enforcement-Verfahren bei Anhängigkeit einer Nichtigkeitsklage oder bei der Bestellung eines Sonderprüfers hinter diesen speziellen aktienrechtlichen Verfahren zurücktritt (§ 107 Abs. 3 WpHG).

Kommt die BaFin im Rahmen ihrer Prüfung der Rechnungslegung des betroffenen Unternehmens zu dem Ergebnis, dass der geprüfte Abschluss (z.B. ein Jahres- oder Konzernabschluss) fehlerhaft ist, macht die BaFin diesen Fehler bekannt (§ 109 Abs. 2 S. 1 WpHG). Die Fehlerbekanntmachung findet dabei unverzüglich auf der Webseite der BaFin, in dem Unternehmensregister sowie dem Börsenpflichtblatt unter Nennung des betroffenen Unternehmens sowie der wesentlichen Teile der Begründung statt.

Mit der öffentlichen Fehlerbekanntmachung ist oftmals eine erhebliche Prangerwirkung verbunden, die einen erheblichen Reputationsschaden des betroffenen Unternehmens nach sich ziehen kann. Der Rechtsschutz im Enforement-Verfahren kann daher in der Praxis für das betroffene Unternehmen existenziell sein.

2. Rechtsschutzmöglichkeiten im Enforcement-Verfahren

Die Fehlerbekanntmachung der BaFin ist nach zutreffender Ansicht als Realakt (und nicht als Verwaltungsakt im Sinne von § 35 S. 1 VwVfG) zu qualifizieren. Hierfür sprechen die Gesetzesbegründung zum FISG sowie der Umstand, dass auch andere Bekanntmachungen der BaFin (z.B. die Bekanntmachung der Aufhebung der Bankerlaubnis nach § 37 Abs. 1 S. 3 KWG) überwiegend als Realakte qualifiziert werden (vgl. hierzu auch eingehend Habbe/Vogt, a.a.O., S. 625 (S. 629)).

a. Widerspruch im vorgerichtlichen Widerspruchsverfahren

Gegen die Fehlerfeststellung der BaFin ist zunächst der Widerspruch (§ 112 WpHG) gegenüber der BaFin statthaft. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens wird die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der angegriffenen BaFin-Verfügung überprüft. Allerdings ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat (§ 112 Abs. 2 WpHG). Daher ist es dringend zu empfehlen, parallel zum Widerspruch den Eilrechtsschutz zu ersuchen (nachfolgend unter Ziffer c.).

b. Rechtsmittel im Hauptsacheverfahren

Der durch das betroffene Unternehmen begehrte Rechtsschutz kann – abhängig vom jeweiligen Rechtsschutzziel – sehr unterschiedlich sein. Neben der Beschwerde zum OLG Frankfurt a.M. (§ 113 Abs. 2 WpHG i.V.m. § 48 WpÜG) bestehen noch die allgemeinen öffentlichen rechtlichen Rechtsmittel (vgl. hier zu Habbe/Vogt, a.a.O., S. 625 (S. 630)). Im Wesentlichen stehen dem betroffenen Unternehmen nachfolgende Rechtsmittel im Hauptsacheverfahren zu:

  • Anfechtungsbeschwerde: Mit der Anfechtungsbeschwerde wird überprüft, ob die Fehlerfeststellung durch die BaFin rechtmäßig war oder nicht.
  • Öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch: Bei unrechtmäßigen Fehlerbekanntmachungen kann etwa die Löschung der Fehlerbekanntmachung auf der Webseite der BaFin mit dem öffentlich-rechtlichen FBA geltend gemacht werden.
  • Leistungsbeschwerde: Bei unrechtmäßigen Fehlerbekanntmachungen kann das betroffene Unternehmen im Wege der Leistungsbeschwerde die Richtigstellung durch die BaFin geltend machen, um einen eingetretenen Reputationsverlust abzumildern.

 c. Rechtschutz im Eilverfahren

Da der Widerspruch und die Beschwerde gegen Verfügungen der BaFin keine aufschiebende Wirkung haben, stellt der Eilrechtsschutz in der Praxis die einzige Möglichkeit für betroffene Unternehmen dar, die Fehlerbekanntmachung bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwehren (vgl. hierzu auch Habbe/Vogt, a.a.O., S. 625 (S. 629)).

Die aufschiebende Wirkung dieser Rechtsmittel kann gemäß § 113 Abs. 2 WpHG i.V.m. § 50 Abs. 3 WpÜG nur vom Oberlandesgericht Frankfurt a.M. ganz oder teilweise angeordnet werden. Die praktisch wichtigsten Anordnungsgründe sind dabei:

aa. Vorliegen von ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung

Die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Fehlerfeststellung durch die BaFin können sich aus verfahrensrechtlichen, tatsächlichen oder materiellrechtlichen Gründen ergeben, wobei das OLG Frankfurt a.M. insoweit hohe Anforderungen an das Vorliegen dieser Gründe verlangt. Danach muss die Aufhebung der angegriffenen BaFin-Verfügung überwiegend wahrscheinlich sein bzw. die Aufhebung muss zumindest wahrscheinlicher als die Bestätigung der BaFin-Verfügung sein (vgl. OLG Frankfurt a.M., AG 2017, S. 859).

bb. Vorliegen einer nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotenen unbilligen Härte

Im Hinblick auf diesen Anordnungsgrund ist zunächst anzumerken, dass die mit einer Fehlerbekanntmachung verbundenen typischen Folgen keine unbillige Härte begründen, da die Fehlerbekanntmachung gerade ein zentrales Sanktionsinstrument im Enforement-Verfahren darstellt. Eine unbillige Härte kann danach nur in den Fällen angenommen werden, in denen die sofortige Vollziehung zu wirtschaftlich irreparablen Nachteilen – wie beispielsweise eine Existenzbedrohung des betroffenen Unternehmens – führt (vgl. nur Habbe/Vogt, a.a.O., S. 625 (S. 629)). Der Nachweis der Existenzbedrohung muss dabei sehr ausführlich und gründlich geführt werden.

Dr. Ingo Janert (Stand: 28. Juli 2025, Bild von © Kai Hartmann Photography / BaFin)