Am 26. September 2023 fand an der Bucerius Law School in Hamburg im Rahmen des Hamburger Forums zum Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht eine Fachkonferenz zum Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) statt. Der Autor nahm an dieser ganztägigen Veranstaltung teil und gibt hier seine ganz persönlichen Eindrücke wieder.
Frau Ministrialrätin Daniela Pferr vom Bundesjustizministerium gab eine kurze Einführung aus der Vogelperspektive auf den Entwurf des Gesetzes. Der Gesetzentwurf habe schon die erste Lesung hinter sich und die erste Äußerung des Bundesrats sei für den 29. September 2023 zu erwarten. Frau Pferr bekräftigte den Willen des Ministeriums, das Gesetzgebungsvorhaben noch möglichst im laufenden Jahr abzuschließen. Sie hob hervor, dass das Zukunftsfinanzierungsgesetz einen erleichterten Zugang zum Kapitalmarkt für Startups und Wachstumsunternehmen vorsehe. Zudem soll der deutsche Kapitalmarkt gerade auch im Wettbewerb mit europäischen Kapitalmärkten attraktiver gemacht werden.
Im anschließenden Vortrag von Herrn Dr. Philipp Ceesay vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg widmete sich dieser in einem sehr detailreichen und anschaulichen Vortrag der Wiedereinführung von Mehrstimmrechtsaktien durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz. Dr. Ceesay wies darauf hin, dass die Risiken von Mehrstimmrechten umso schwerer wiegen, je stärker sie Kontrolle und Kapitalbeteiligung entkoppeln. Die Ausgestaltung des Erlöschens der Mehrstimmrechte (§ 135a Abs. 2 AktG-RegE) infolge der Übertragung sei inkonsistent und werfe zugleich praktische Probleme auf, vor allen in der Abstimmung mit den WpÜG-Zurechnungstatbeständen. Durch das Einstimmigkeitserfordernis für die Einführung von Mehrstimmrechten (§ 135a Abs. 1 S. 2 AktG-RegE) bestehe die Gefahr, dass ihre Zulassung zu totem Recht führe, jedenfalls, wenn es auch gilt, soweit Aktionäre keine Beeinträchtigung in ihrem Stimmrecht erleiden. Dr. Ceesay sah weiter die Kombination der Begrenzung auf das zehnfache Stimmgewicht zusammen mit der Zulassung von stimmrechtslosen Vorzugsaktien und ohne unabhängige Aufsichtsratsmitglieder mit Blick auf die Risiken von Mehrstimmrechten kritisch. Ferner sollte die Funktionsweise der Mehrstimmrechtsaktien bei Kapitalmaßnahmen überdacht werden. Schließlich wies er noch darauf hin, dass klargestellt werden sollte, dass der passive Kontrollerwerb nach Erlöschen der Mehrstimmrechte in der Regel keine Befreiung vom Pflichtangebot rechtfertige.
Frau Jun.-Prof. Dr. Lisa Guntermann von der Bucerius Law School bewertete in ihrem gleichfalls detailreichen Vortrag zur „Krypto-Aktie & Co. – Zeitenwende im Wertpapierrecht des AktG?“ das minimalinvasive Regelungskonzept des Gesetzentwurfs positiv. Sie wies aber darauf hin, dass die Zentralregisterinhaberaktie zunächst nur in Sammeleintragung zugelassen werden sollte. Zudem sollte in diesem Zusammenhang klargestellt werden, dass keine Beschränkung auf Kryptonamensaktien in Einzeleintragung intendiert sei. Frau Jun.-Prof. Guntermann sprach sich weiter dafür aus, dass der Wechsel des Begebungsregimes (verbrieft/elektronisch) ohne Zustimmung der betroffenen Aktionäre zulässig sein sollte. Ferner wies sie darauf hin, dass für die elektronische Namensaktie in Sammeleintragung eine Fiktion des Blankoindossaments ergänzt werden sollte. Abschließend wies Frau Jun.-Prof. Guntermann daraufhin, dass mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz eine „digitale Zeitenwende“ nicht verbunden sei und sprach sich in diesem Zusammenhang weiterhin für eine umfassende Reform des Wertpapierrechts aus.
Nach der Kaffeepause beschäftigte sich Herr Rechtsanwalt Dr. Klaus von der Linden von Linklaters in Düsseldorf mit einem sehr praxisnahen Vortrag mit den Neuerungen im Kapitalerhöhungsrecht durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz (vereinfachter Bezugsrechtsausschluss, bedingte Kapital sowie Neuordnung des Rechtsschutzes). Im Hinblick auf den vereinfachten Bezugsrechtsausschluss (§ 186 Abs. 3 S. 4 AktG-RegE) wies Herr Dr. von der Linden unter anderem darauf hin, dass institutionelle Investoren und Stimmrechtsberater, wie z.B. ISS, zumeist nur Bezugsrechtsausschlüsse bis zu einem Gesamtvolumen von 10 Prozent (Overall-Cap) unterstützen, sodass abzuwarten sei, ob die geplante Neuregelung in der Praxis Anwendung findet. Im Zusammenhang mit der Neuregelung des bedingten Kapitals (§ 192 Abs. 3 S. 1 AktG-RegE) wies Herr Dr. von der Linden darauf hin, dass das bedingte Kapital für Unternehmenszusammenschlüsse konzeptionell untauglich sei, weil die Praxis vielmehr mit den Instrumenten des genehmigten Kapitals oder mit eigenen Aktien arbeite. Für Stock Options werde zwar das bedingte Kapital eingesetzt, aber wichtige Stimmrechtsberater, wie z.B. ISS, und institutionelle Investoren verlangen aber einen Cap bei 10 Prozent, teils sogar bei 5 Prozent des Kapitals. Insoweit dürfte die Anhebung der Schwellenwerte beim bedingten Kapital für die Praxis nur einen überschaubaren Mehrwert bieten. Herr Dr. von der Linden widmete sich schließlich auch intensiv der geplanten Neuordnung des Rechtsschutzes, die im Kern die Verlagerung der bisher anfechtungserheblichen Wert- bzw. Bewertungsrüge ins Spruchverfahren verlagern wolle.
Herr Rechtsanwalt Dr. jur. habil. Simon Schwarz von Freshfields Bruckhaus Deringer in Hamburg ging in einem dogmatisch hervorragenden und detaillierten Vortrag der Frage nach, ob und ggf. welche Auswirkungen das Zukunftsfinanzierungsgesetz auf das Recht der Unternehmensbewertung habe. Anlass hierüber nachzudenken ist § 255 Abs. 5 AktG-RegE, der die materielle Aussage enthält, dass für die Unternehmensbewertung der durchschnittliche Börsenwert über drei Monate maßgeblich sei, sodass diese materielle Vorgabe auf andere Bewertungskonstellationen abstrahlen könnte.
Nach der Mittagspause beschäftigte sich Herr Prof. Dr. Rafael Harnos von der BSP Business und Law School in Berlin mit der neu einzuführenden Börsenmantelaktiengesellschaft (BMAG). Er wies auf verschiedene kleine und größere „Baustellen“ des Gesetzentwurfs (insgesamt 15 Baustellen) hin und sprach sich abschließend dafür aus, dass die BMAG nicht wie vorgesehen im Börsengesetz, sondern im Aktiengesetz geregelt werden sollte.
Den Abschluss der Konferenz bildete der Vortrag von Herrn Prof. Dr. Dimitrios Linardatos von der Universität des Saarlandes. Herr Prof. Linardatos beschäftigte sich mit der geplanten Bereichsausnahme von der AGB-Kontrolle bei Geschäften unter professionellen Kapitalmarktteilteilnehmern (§ 310 Abs. 1a BGB-RegE). Er wies in seinem Vortrag darauf hin, dass die AGB-Kontrolle bei B2B-Geschäften seine Daseinsberechtigung habe und dass das im Zukunftsfinanzierungsgesetz gewählte Instrument der Bereichsausnahme falsch gewählt sei. Überdies vermittelnde der Regelungsvorschlag keinen Mehrwert für die Realwirtschaft. Vielmehr sei die richtige Stellschraube unter anderem § 305 Absatz 1 S. 3 BGB.
Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass sich die Teilnahme an dieser Konferenz aus fachlicher Sicht sehr gelohnt hat. Die Vorträge waren detailliert und auch für einen Praktiker noch dogmatisch nachvollziehen.
Dr. Ingo Janert (Stand: 28. September 2023)