Rechtsanwalt Aljoscha Schmidberger spricht über das Klageverfahren gegen die Portigon AG wegen der Cum-Ex-Risiken

Aljoscha Schmidberger

Kapitalmarktrecht.Online führt mit Herrn Rechtsanwalt Aljoscha Schmidberger von der Rechtsanwaltskanzlei BRP Renaud und Partner mbB aus Stuttgart ein Interview über das von der Kanzlei betreute Klageverfahren gegen die Portigon AG (vormals WestLB AG) vor dem LG Düsseldorf mit Blick auf die Cum-Ex-Risiken.

Wie bereits öffentlich berichtet wurde, vertritt Ihre Kanzlei verschiedene institutionelle Anleger in einem Verfahren vor dem Landgericht Düsseldorf, in dem es darum geht, ob und ggf. in welchem Umfang Hybridkapitalgeber an den Verlusten der Portigon AG (vormals WestLB AG) in der Vergangenheit und auch im Jahr 2019 zu beteiligen sind. Können Sie uns einmal darstellen, worum es in dem Verfahren genau geht?

Die von uns vertretenen Hybridkapitalgeber der Portigon AG setzen sich gegen die in der Vergangenheit erfolgte und in der Zukunft drohende Beteiligung an Verlusten aus Cum/ex-Geschäften und Manipulationen des US-LIBOR-Zinssatzes zur Wehr.

Wegen der Beteiligung an derartigen „Geschäften“ hat die Portigon in den Geschäftsjahren 2016 bis 2018 in nicht unerheblichem Umfang Rückstellungen gebildet und ihre Hybridkapitalgeber an den hierdurch verursachten höheren Verlusten beteiligt.

Mit Ad-hoc-Mitteilung vom 02.12.2019 teilte die Portigon mit, dass sie wegen der fortdauernden staatsanwaltlichen Ermittlungen wegen der Beteiligung an Cum/ex-Geschäften für das Geschäftsjahr 2019 vorsorglich weitere Rückstellungen bilden werde und ihr Vorstand – abweichend von der von ihm zuvor erstellten Prognose – deswegen davon ausgehe, dass die Portigon das Geschäftsjahr 2019 mit einem Verlust in der Größenordnung von etwa 500 Mio. € bis 600 Mio. € abschließen werde.

Einzelne der von uns vertretenen Hybridkapitalgeber haben deswegen bereits Mitte Mai 2020 am Landgericht Düsseldorf Klage gegen die Portigon erhoben.

Für die vergangenen Geschäftsjahre 2016 bis 2018, in denen die Portigon sie bereits an den Verlusten aus Cum/ex-Geschäften und Manipulationen des US-LIBOR-Zinssatzes beteiligt hat, verlangen die Kläger auf erster Stufe, ihnen Auskunft über die Höhe verschiedener Aufwendungen, insbesondere zur Höhe der Rückstellungen für Risiken aus der Beteiligung an Cum/ex-Geschäften und Manipulationen des US-LIBOR-Zinssatzes, zu erteilen sowie auf zweiter Stufe Schadenersatz.

Für das Geschäftsjahr 2019 verlangen die Kläger, dass die Portigon es unterlässt, sie (erneut) an Verlusten aus Cum/ex-Geschäften und Manipulationen des US-LIBOR-Zinssatzes zu beteiligen. Insoweit besteht Wiederholungsgefahr.

Aktuell liegt der Jahresabschluss der Portigon für das Geschäftsjahr 2019 noch nicht vor. Die Portigon hat den Termin für die Veröffentlichung bereits mehrfach verschoben.

In der öffentlichen Berichterstattung wird insoweit von Hybridkapital gesprochen. Was verstehen Sie unter Hybridkapital in diesem Sinne?

Wir vertreten zum einen Gläubiger von Anleihen, die die Portigon mittelbar über Zweckgesellschaften, die ihren Sitz in Jersey auf den Kanalinseln haben, am Kapitalmarkt emittiert hat.

Die Anleihen basieren auf zwischen der früheren WestLB und den Zweckgesellschaften jeweils geschlossenen stillen Gesellschaftsverträgen.

Über diese Strukturen konnte sich die frühere WestLB ohne Veränderung ihrer Eigentümerstruktur von einem breiten Spektrum an Investoren, insbesondere auch von Kleinanlegern, Kapital über die Börse beschaffen.

Zum anderen vertreten wir Inhaber von Genussscheinen, die die WestLB unmittelbar emittiert hat.

Betroffen sind insgesamt Wertpapieremissionen von über 0,5 Mrd. € (u.a. WKN A0D1KQ / ISIN XS0216711340; WKN A0D2FH / ISIN DE000A0D2FH1; WKN 836490 / ISIN DE0008364902).

Welche Rechtsauffassung vertreten Sie in Ihrer Klage vor dem Landgericht Düsseldorf?

Nach unserer festen Überzeugung sind die Hybridkapitalgeber nicht an den Verlusten aus Cum/ex-Geschäften und Manipulationen des US-LIBOR-Zinssatzes zu beteiligen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind bei der Ergebnisermittlung stiller Gesellschafter, der sogenannten internen Rechnungslegung, nur solche Geschäftsführungsmaßnahmen, die für den Betrieb des Handelsgewerbes gewöhnlich und von dem gemeinsam verfolgten Zweck gedeckt sind, zu berücksichtigen.

Nicht zulasten stiller Gesellschafters zu berücksichtigen sind vertragswidrige, nicht vom Gegenstand des Handelsgewerbes gedeckte Geschäfte.

Diese zuletzt genannte Ausnahme gilt auch, wenn, wie bei den den Anleihen zugrunde liegenden stillen Gesellschaftsverträgen abweichend vom gesetzlichen Leitbild Bemessungsgrundlage für die Gewinn- und Verlustteilnahme des stillen Gesellschafters die Handelsbilanz und Bezugsgröße der Bilanzgewinn bzw. -verlust ist. Zwar kommt es in solchen Fällen abweichend vom gesetzlichen Leitbild für die Ergebnisermittlung des stillen Gesellschafters nicht darauf an, ob die Verluste betriebsbezogene sind oder nicht. Allerdings sind auch in solchen Fällen Aufwendungen, die ihre Ursache in vertragswidrigen Geschäften haben, bei der Ergebnisermittlung des stillen Gesellschafters nicht zu berücksichtigen.

Ähnlich ist die Situation bei den Genussrechten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können sich Genussscheininhaber für Verluste wegen Geschäften des Emittenten außerhalb seines Unternehmensgegenstandes, die schlechterdings kein seriöser Kaufmann durchführen würde, schadlos halten.

Diese Voraussetzungen liegen nach unserer Einschätzung vor. Die Tätigkeiten für die die Portigon Rückstellungen bildet, nämlich für die Risiken wegen der Beteiligung an Cum/ex-Geschäften und möglicher Pflichtverletzungen bei der Quotierung von USD-LIBOR-Zinssätzen, haben mit der Tätigkeit eines Kreditinstituts nichts zu tun.

Derartige Tätigkeiten lagen außerhalb des Unternehmensgegenstandes. Ein seriöser Kaufmann hätte sie nicht durchgeführt. Derartige Tätigkeiten sind schlicht und einfach strafbar.

Für die betroffenen Anleger sehen wir deswegen gute Chancen, dass diese wenigstens einen Teil der von ihnen erlittenen Schäden ersetzt erhalten.

Bei den Genussrechten besteht nach unserer Einschätzung allerdings Handlungsbedarf. Die ersten Schadenersatzansprüche drohen mit Ablauf des 31.12.2020 zu verjähren.

Durch welche Rechtsanwaltskanzlei wird die Portigon AG vertreten?

Die Portigon wird außergerichtlich von Clifford Chance Deutschland LLP vertreten.

Die Klage wurde Mitte Mai 2020 eingereicht. Können Sie uns sagen, in welchem Stadium sich das Verfahren derzeit befindet? Gibt es schon einen ersten Termin?

Ein Verhandlungstermin wurde noch nicht anberaumt.

Weitere Einzelheiten können Sie dem Artikel aus der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13.06.2020 sowie der von uns am 26.05.2020 veröffentlichten DGAP-Mitteilung entnehmen.

Wir danken Ihnen für das Interview und freuen uns, wenn Sie uns über den Stand dieses Verfahrens auch weiter auf dem Laufenden halten.

Dr. Ingo Janert (Stand: 23. Juni 2020, Bild von Herrn Rechtsanwalt Aljoscha Schmidberger)

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