Gesetzgebung

Zum geplanten EU-Standard für grüne Anleihen

Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über den aktuellen Stand des europäischen Gesetzgebungsprozesses, mit dem ein EU-Standard für grüne Anleihen (sog. EU-Green-Bonds-Standards, „EU-GBS“) eingeführt werden soll.

1. Einführung

Nach Einschätzung der Kommission sollen grüne Anleihen eine immer wichtigere Rolle bei der Finanzierung von Projekten und Vermögenswerten spielen, die für eine klimaneutrale Wirtschaft benötigt werden.

Aktuell gibt es im Hinblick auf die Anforderungen für grüne Anleihen verschiedene Standards, wie z.B. CBI oder die ICMA Green Bonds Principles. Innerhalb der EU gibt es jedoch keinen einheitlichen Standard für grüne Anleihen. Die Festlegung eines solchen einheitlichen Standards war eine Empfehlung im Abschlussbericht der sog. hochrangigen Expertengruppe der Kommission für nachhaltige Finanzen.

Der wachsende Markt für grüne Anleihen macht derzeit aber nur einen Bruchteil des gesamten europäischen Anleihemarkts – im Jahr 2019 weniger als 4 % des EU-Anleihemarkts – aus. Dass die grünen Anleihen bislang eine noch eher exotische Randerscheinung darstellen, führt die Kommission vor allem auf die nachfolgenden Gründe zurück:

  • Keine verbindliche Definition, wann eine Anleihe „grün“ ist: Für Investoren bestehen keine Sicherheit, wann eine Anleihe „grün“ ist und für Emittenten besteht das Risiko eines Reputationsschadens durch die Emission einer Anleihe, deren „grün“ später in Frage gestellt wird.
  • Oftmals komplexe Überprüfungsverfahren für grüne Anleihen: Aufgrund eines fehlenden einheitlichen Standards gibt es in der Praxis eine breite Palette von Marktpraktiken, unterschiedliches Fachwissen in Umweltfragen und Qualitätskontrollprobleme.
  • Mangel an investierbaren Projekten und Vermögenswerten: Die steigende Nachfrage der Anleger nach grünen Anleihen übersteigt die Fähigkeit der Emittenten, geeignete grüne Projekte und Vermögenswerte zu identifizieren.
  • Höhere Kosten für eine Emission von grünen Anleihen: Die Kommission schätzt die durchschnittlichen Mehrkosten z.B. für eine externe Überprüfung der grünen Anleihe auf ca. Euro 40.000,00.

Ziel dieser Gesetzesinitiative wäre es aus Sicht der Kommission, einen erkennbaren und qualitativ hochwertigen Standard für grüne Anleihen zu etablieren. Die Kommission hat im Sommer dieses Jahres eine Folgenabschätzung zum geplanten EU-Standard für grüne Anleihen veröffentlicht. Europaweit sind innerhalb der Frist mehrere Stellungnahmen zur Folgenabschätzung der Kommission eingegangen.

2.  Bewertung des Legislativprozesses

Die Kommission wertet in der kommenden Zeit die eingegangenen Stellungnahmen zum geplanten EU-Standard für grüne Anleihen aus. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt lassen sich einige Zwischenergebnisse festhalten:

Der Vorschlag, einen einheitlichen europäischen Standard für grüne Anleihen zu schaffen, wird einheitlich als positiv bewertet.

Unterschiedlich wird indes die Frage beurteilt, ob der EU-Standard für grüne Anleihen in die bereits bestehenden Standards (z.B. ICMA Green Bonds Principles) integriert, ob der neue Standard neben den bereits existierenden Standards treten oder ob der neue Standard letztlich alle bestehenden Standards ersetzen soll.

Positiv wird auch überwiegend die Bezugnahme auf das weitere europäische ESG-Projekt der Taxonomie gesehen. Wie der europäische Standard für grüne Anleihen rechtstechnisch umgesetzt werden soll (z.B. Verordnung oder bloße Leitlinien der Kommission), ist derzeit auch noch offen. Teilweise wird auch vorgeschlagen, das EU-GBS als Label einzuführen.

Weiter einheitlich wird hervorgehoben, dass ein sog. „Greenwashing“ verhindert werden soll. Hierunter wird verstanden, dass ein Emittent schon bestehende Projekte identifiziert und für diese Projekte eine grüne Anleihe auflegt, ohne dass hierdurch positive Veränderungen selbst hervorgerufen werden. Wie ein solches „Greenwashing“ jedoch vermieden werden soll, ist ebenfalls noch nicht absehbar. Vielfach wird eine kurze Rückblickdauer für bereits schon bestehende Projekte befürwortet.

3. Fazit

Ein einheitlicher Standard für grüne Anleihen (EU-GBS) kann auf Nachfrageseite die Suchkosten für Anleger, die in nachhaltige Anleihen investieren möchten, erheblich reduzieren. Die Standardisierung grüner Anleihen würde also die Investition in nachhaltige Investments erleichtern.

Auf Seiten der Emittenten würde ein solcher einheitlicher Standard die Emission grüner Anleihen attraktiver machen, weil der gesamte Prozess der Begebung eines solchen Wertpapiers vereinheitlicht und standardisiert würde. Schon mittelfristig würden m.E. die Mehrkosten der Begebung grüner Anleihen im Verhältnis zu Standardanleihen durch die Standardisierung und Vereinheitlichung sinken. Möglicherweise wäre für eine Übergangsfrist auch an eine Subvention (z.B. gezielte steuerliche Anreize für Emittenten oder für die Anleger) zu denken.

Neben diesen Argumenten für EU-GBS spricht noch eine andere Überlegung: Der Euro ist bereits heute die wichtigsten Nennwährung für die weltweite Emission von grünen Anleihen. Ein einheitlicher Standard für grüne Anleihen könnte darüber hinaus auch die internationale Rolle des Euro und der EU als Anleihenmarkt für grüne Anleihen international stärken.

Insoweit bleibt der weitere Gesetzgebungsprozess abzuwarten. Wir werden weiter berichten.

Dr. Ingo Janert (Stand: 08. September 2020, Bild von PublicDomainPictures auf Pixabay).

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