Nachdem es mit Blick auf das elektronische Wertpapier in den vergangenen Monaten etwas ruhiger geworden ist, hat die Bundesregierung am 10. August 2020 einen ersten Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung von elektronischen Wertpapieren (eWpG) vorgestellt. Dieser Beitrag gibt einen ersten Überblick über diese kleine Revolution im deutschen Kapitalmarktrecht.
Update: Das eWpG ist am 10. Juni 2021 in Kraft getreten. Das Gesetz finden Sie hier.
Die Große Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag vom 12. März 2018 vereinbart, die Rolle der Bundesrepublik Deutschland als einen führenden Digitalisierungs- und FinTech-Standort zu stärken und insbesondere eine Blockchain-Strategie zu entwickeln. Das elektronische Wertpapier soll in diesem Zusammenhang vor allem auch die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern sicherstellen.
Im Hinblick auf die Einführung des elektronischen Wertpapiers hat das Bundesfinanzministerium zusammen mit dem Justizministerium Anfang März 2019 ein Eckpunktepapier veröffentlicht. Zwischenzeitlich haben verschiedene Verbände und Institutionen ihre Stellungnahmen zu diesem Thema eingereicht. Einige FDP-Abgeordnete haben im Rahmen einer kleinen Anfrage bereits im Juli vergangenen Jahres durch die Antwort der Bundesregierung vom 4. Juli 2019 weitere Details der geplanten Änderung des Wertpapierrechts erhalten.
Um das Vorhaben möglichst zeitnah umzusetzen, hat sich die Bundesregierung entschieden, zunächst nur die elektronische Schuldverschreibung (d.h. Anleihe) gesetzlich zu kodifizieren. Erst wenn die Einführung der elektronischen Schuldverschreibung in der Praxis gelungen ist, möchte die Bundesregierung die Einführung von elektronischen Aktien und elektronischen Investmentfondsanteilen angehen.
Das neue eWpG definiert ein elektronisches Wertpapier im Ergebnis nur als ein Wertpapier, bei dem die Urkunde durch eine Eintragung in ein elektronisches Wertpapierregister ersetzt wird (vgl. § 2 Abs. 1 eWpG-Referentenentwurf).
Der Gesetzgeber verzichtet damit ausdrücklich auf eine gesetzliche Definition des elektronischen Wertpapiers und legt sich damit nicht auf eine bestimmte Theorie über die Begebung von Wertpapieren fest (vgl. S. 37 eWpG-Referentenentwurf). Auch soll aufgrund dieses funktionalen Ansatzes ausdrücklich kein Wertpapier eigener Art („sui generis“) geschaffen werden (vgl. S. 37 eWpG-Referentenentwurf).
Da sich das elektronische Wertpapier mithin nur in der Begebungsform – Eintragung in das elektronische Wertpapierregister statt Papierurkunde – unterscheidet, stellt § 2 Abs. 2 eWpG-Referentenentwurf klar, dass das elektronische Wertpapier dieselben Rechtswirkungen entfaltet wie ein Wertpapier, das mittels Papierurkunde begeben worden ist. In eine vergleichbare Richtung zielt die Regelung des § 2 Abs. 3 eWpG-Referentenentwurf, wonach ein elektronisches Wertpapier als Sache i.S.v. § 90 BGB zu qualifizieren ist und damit die dinglichen Rechtswirkungen des elektronischen Wertpapiers etwa in der Insolvenz erhalten bleiben sollen (vgl. S. 38 eWpG-Referentenentwurf).
Von praktischen Interesse ist zunächst, wie das elektronische Wertpapier überhaupt rechtlich entsteht. Entsprechend der vorherrschenden Vertragstheorie für Wertpapiere entsteht das elektronische Wertpapier durch
Wann ein Wertpapier in das elektronische Wertpapierregister als eingetragen „gilt“ und damit rechtlich entsteht, bestimmt dabei § 4 Abs. 3 eWpG-Referentenentwurf. Danach hat die Eintragung in ein elektronisches Wertpapierregister drei (kumultative) Voraussetzungen:
Das eWpG unterscheidet dabei durchgehend zwischen zwei verschiedenen Arten elektronischer Wertpapierregister. Es wird unterschieden zwischen
Weiterhin ist von großem praktischen Interesse, wie das bereits elektronisch begebene Wertpapier übertragen wird (sog. Zweiterwerb). Die Übertragung des elektronischen Wertpapiers erfolgt durch
Die Übertragung von elektronischen Wertpapieren ist die praktisch bedeutendste Art der Verfügung und wird deshalb explizit in § 25 eWpG-Referentenentwurf geregelt. Andere Form der Verfügungen über das elektronische Wertpapier, wie z.B. die Abtretung des Zinsanspruchs gemäß § 398 BGB, werden hingegen nicht erfasst (vgl. S. 67 eWpG-Referentenentwurf).
Das eWpG knüpft als Publizitätsakt sowohl für die Entstehung als auch für die Übertragung des elektronischen Wertpapiers an die Eintragung in das elektronische Wertpapierregister an. Das elektronische Wertpapierregister ist daher gemäß § 26 eWpG-Referentenentwurf auch die Grundlage für einen gutgläubigen Erwerb des elektronischen Wertpapiers von einem Nichtberechtigten.
Der gutgläubige Erwerber kann sich nach § 26 eWpG-Referentenentwurf darauf verlassen,
Ein guter Glaube des Erwerbers besteht nur dann nicht, wenn dem Erwerber zum Zeitpunkt seiner Eintragung etwas anderes bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist (vgl. § 26 a.E. eWpG-Referentenentwurf).
Dr. Ingo Janert (Stand: 14. Oktober 2021, Bild von Gerd Altmann auf Pixabay)
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