In diesem Beitrag soll ein Überblick über die verschiedenen Angebotsarten des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) gegeben und die einzelnen Angebotsarten erläutert werden.

1. Überblick über die Angebotsarten

Das WpÜG differenziert zunächst zwischen freiwilligen Angeboten und Pflichtangeboten (§ 2 Abs. 1 WpÜG). Weiter kennzeichnet das WpÜG die Unterscheidung zwischen Angeboten, die auf den Erwerb der Kontrolle über die Zielgesellschaft gerichtet sind, und Angeboten ohne Kontrollerlangung (vgl. § 29 Abs. 1 WpÜG).

Das Übernahmerecht unterscheidet demnach einfache Erwerbsangebote, Übernahmeangebote sowie Pflichtangebote.

2. (Einfaches) Erwerbsangebot

Der gesetzliche Regelfall ist ein einfaches Erwerbsangebot. Hierbei handelt es sich um ein freiwilliges Angebot zum Erwerb einer Beteiligung oder zur Aufstockung einer Beteiligung, das weder auf die Kontrollerlangung über die Zielgesellschaft gerichtet ist noch einer Pflicht des Bieters entspricht. Ein Mindestpreis ist nicht vorgeschrieben.

Für ein einfaches Erwerbsangebot gelten die Vorschriften der §§ 10 ff. WpÜG.

3. Übernahmeangebot

Sofern das Erwerbsangebot zwar freiwillig, aber auf Kontrollerlangung über die Zielgesellschaft gerichtet ist, liegt der Sonderfall des Übernahmeangebots vor. Von einer Kontrollerlangung wird immer dann gesprochen, wenn die Übernahme auf das Halten von mindestens 30 v.H. der Stimmrechte an der Zielgesellschaft ‑ ohne Berücksichtigung der Satzung der Zielgesellschaft ‑ gerichtet ist (§ 29 Abs. 2 WpÜG). Das Übernahmeangebot kann dabei von einer Mindestannahmequote abhängig gemacht werden.

Die Zurechnung von Stimmrechten erfolgt nach § 30 WpHG. Eine Zurechnung findet auch bei abgestimmten Verhalten (sog. acting in concert) statt (§ 30 Abs. 2 WpüG). Erforderlich ist dabei stets ein entsprechender kommunikativer Akt zwischen der Beteiligten. Erfasst werden danach auch Fälle der Drohung sowie rechtlich unverbindliche Absprachen („Gentlemen´s Agreement“).

Für ein Übernahmeangebot gelten neben den allgemeinen Vorschriften für ein einfaches Erwerbsangebot (§§ 10 ff. WpÜG) die speziellen Regelungen der §§ 29 ff. WpÜG (vgl. § 34 WpÜG). Den Aktionären der Zielgesellschaft ist dabei vor allem eine angemessene Gegenleistung anzubieten.

4. Pflichtangebot

Ein Pflichtangebot ist immer dann abzugeben, wenn jemand auf irgendeine Weise, unmittelbar oder mittelbar die Kontrolle über eine Zielgesellschaft erlangt hat, ohne dass diesem Ereignis ein Übernahmeangebot vorausgegangen ist (§ 35 WpÜG).

Die Regeln über das Pflichtangebot gelten z.B. dann, wenn jemand durch außerbörslichen rechtsgeschäftlichen Erwerb oder Erbgang die Kontrollschwelle von 30 v.H. der Stimmrechte an der Zielgesellschaft (sog. formaler Beherrschungsbegriff) überschritten hat. Mit dem Pflichtangebot wird dann dem Minderheitsaktionär die Möglichkeit eingeräumt, seine Anteile zu einem angemessenen Preis zu veräußern.

Für das Pflichtangebot gelten die Regelungen der §§ 10 ff. WpÜG (Pflichtangebote) und der §§ 29 ff. WpÜG (Übernahmeangebote). Allerdings gehen die speziellen Regelungen für ein Pflichtangebot (§§ 35 ff. WpÜG) vor (§ 39 WpÜG).

Das WpÜG sieht verschiedene Ausnahmen für die Pflicht zur Abgabe eines Pflichtangebots vor:

  • § 35 Abs. 3 WpÜG: vorheriges Übernahmeangebot
  • § 36 WpÜG: Erbgang, Scheidung, Rechtsformwechsel oder Konzern-umstruktuierung
  • § 37 WpÜG: Befreiung aufgrund einer Ermessensentscheidung der BaFin

Dr. Ingo Janert (02. November 2019, Bild von congerdesign auf Pixabay)

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