Übernahmerecht

Übernahmeverfahren im Überblick

In diesem Beitrag wird das Übernahmeverfahren nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) im Überblick dargestellt.

1. Vorbereitungsphase

Um eine Manipulation des Markts zu verhindern, verlangt das WpÜG, dass der Bieter seine vom Vorstand und Aufsichtsrat beschlossene Entscheidung zur Abgabe eines Angebotes unverzüglich den Kapitalmarktbehörden mitteilen muss (§ 10 Abs.2 WpÜG).

Er muss darüber hinaus die Entscheidung der Mitteilung unverzüglich veröffentlichen (§ 10 Abs. 1, Abs. 3 WpÜG).

Schließlich muss der Bieter nach der Veröffentlichung seine Entscheidung auch der Zielgesellschaft unverzüglich mitteilen (§ 10 Abs. 5 WpÜG).

Bis zur Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots gelten im Übrigen die Insiderhandelsverbote des Art. 14 MAR.

Dem Bieter ist es aber unbenommen, das Übernahmeverfahren nicht durchzuführen, weil § 10 WpÜG keine Pflicht zur Durchführung der Übernahme vorsieht.

2. Veröffentlichung der Angebotsunterlage

Innerhalb von vier Wochen nach der Veröffentlichung der Entscheidung muss der Bieter die Angebotsunterlage ‑ dies ist in der Praxis ein Prospekt ‑ der BaFin zur Prüfung übermitteln (§ 14 Abs. 1 WpÜG). Enthält die Angebotsunterlage nicht die gem. § 11 Abs. 2 WpÜG i.V.m. § 2 Angebotsverordnung erforderlichen Angaben, wie z.B. über die Art und die Höhe der für die Wertpapiere der Zielgesellschaft gebotenen Gegenleistung oder verstoßen die gemachten Angaben offensichtlich gegen Rechtsvorschriften, so hat die BaFin das Angebot zu untersagen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 2 WpÜG).

Gestattet die BaFin die Veröffentlichung der Angebotsunterlage, so muss der Bieter die Veröffentlichung der Angebotsunterlage unverzüglich vornehmen (§§ 14 Abs. 2, Abs. 3 WpÜG).

Nach dieser Veröffentlichung muss die Angebotsunterlage der Zielgesellschaft übermittelt werden.

Das Angebot selbst muss insoweit bindend sein. Der Bieter kann nicht erst den Markt testen, indem er an die Aktionäre herantritt, so dass diese erst Angebote machen (§ 17 WpÜG). Unzulässig sind mithin öffentliche „Angebote“ in der Form der sog. invitatio ad offerendum.

Der Bieter kann allerdings in gewissen Grenzen sein Angebot nachträglich ändern, z.B. seine Gegenleistung erhöhen (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 WpÜG) oder die Mindestannahmeschwelle herabsetzen (§ 21 Abs. 1 Nr. 3 WpÜG). Jede Änderung des Angebots ist in gleicher Weise zu veröffentlichen, wie das Angebot selbst (§ 21 Abs. 2 WpÜG). Wer das Angebot vor der Angebotsänderung bereits schon angenommen hat, kann in diesem Fall zurücktreten und das günstigere Angebot annehmen (§ 21 Abs. 4 WpÜG).

3. Stellungnahme der Zielgesellschaft

Der Vorstand der Zielgesellschaft, dem der Bieter die Angebotsunterlage unverzüglich nach ihrer Veröffentlichung übermitteln muss (§ 10 Abs. 5 WpÜG), hat die Angebotsunterlage unverzüglich an den zuständigen Betriebsrat oder, wenn ein solcher nicht besteht, unmittelbar an die Arbeitnehmer weiterzuleiten (§ 14 Abs. 4 WpÜG).

Im Anschluss daran haben der Vorstand und der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft eine begründete Stellungnahme zu dem Angebot zu veröffentlichen (§ 27 WpÜG). Die Stellungnahme darf eine konkrete Empfehlung an die Inhaber der Wertpapiere enthalten. In der internationalen Übernahmepraxis ist die Stellungnahme des Vorstands wohl die wichtigste Abwehrwaffe gegen feindliche Übernahmeangebote.

Die begründete Stellungnahme der Zielgesellschaft muss sich mit der Art und der Höhe der angebotenen Gegenleistung, den vom Bieter verfolgten Zielen und den voraussichtlichen Folgen eines erfolgreichen Angebots für die Zielgesellschaft, ihre Arbeitnehmer und Vertretungen, die Beschäftigungsbedingungen und ihre Standorte auseinandersetzen. Die Stellungnahme stellt insoweit das Spiegelbild der Angebotsunterlage dar. Ferner ist mitzuteilen, ob die Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats, soweit sie Aktien an der Zielgesellschaft besitzen, das Bieterangebot anzunehmen beabsichtigen (§ 27 Abs. 1 WpÜG). Haben der Betriebsrat oder die Arbeitnehmer dem Vorstand eine Stellungnahme zu dem Bieterangebot übermittelt, so muss der Vorstand der Zielgesellschaft die Stellungnahme seiner eigenen beifügen (§ 27 Abs. 2 WpÜG).

4. Annahme des Angebots

Mit der Annahme des Angebotes innerhalb der (grundsätzlich) vierwöchigen Annahmefrist kommt jeweils ein (bürgerlich-rechtlicher) Kauf- oder Tauschvertrag zwischen dem Bieter und dem Aktionär der Zielgesellschaft zustande.

Der Bieter ist verpflichtet, die Öffentlichkeit über die Annahmen seines Angebots auf dem Laufenden zu halten (sog. Wasserstandsmeldungen). Er muss wöchentlich, in der Woche vor Ablauf der Annahmefrist sogar täglich und unverzüglich nach Ablauf der Frist die ihm zustehenden und die aus den zugegangenen Annahmeerklärungen sich ergebenden Stimmrechtsanteile veröffentlichen (§ 23 Abs. 1 WpÜG).

Dr. Ingo Janert (Stand: 12. Oktober 2021, Bild von Free-Photos auf Pixabay)

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